ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik
Listenarchiv
- From: moneymind <moneymind AT gmx.de>
- To: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
- Subject: Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht
- Date: Fri, 28 Nov 2014 10:11:54 +0000
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
- List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>
Hallo Patrik,
Ich würde den Grundgedanken der MMT sogar noch einen Schritt weitertreiben. In der MMT werden Staat und Zentralbank zusammen als staatlicher Sektor aufgefasst, sprich: Der Staat verschuldet sich bei Bedarf bei sich selbst, Im Ergebnis emittiert er also einfach nur Geld, wenn er es braucht.
Ja, prinzipiell schon - einfach nur aus seiner Machtstellung heraus.
Entscheidend scheint mir aber zu sein, daß die ZB einen Teil des ZB-Geldes gegen die Monetisierung (Ankauf oder die Pensionierung) privater Schulden, einen anderen Teil durch Monetisierung staatlicher Schulden schafft. Dadurch werden sozusagen private Kredite und
Frage: Was soll das Possenspiel mit der Zentralbank (oder anderen öffentlichen Instituten)? Warum muss sich der Staat überhaupt verschulden? Warum emittiert er nicht einfach Geld - schuldenfrei? Wo liegt der Sinn so zu tun als müsste der Staat Schulden haben?
Wie genau würdest Du Dir ein solches System vorstellen? Gibt es in diesem System auch Zahlungen / Verrechnung auf der Basis privaten Kreditgelds? Werden auch private Schulden monetisiert? etc.
Gibt es historische Beispiele für ein System, wie Du es Dir vorstellst?
Wie ließen sich in diesem Kontext Hjalmar Schachts Mefo-Wechsel einordnen?
Und Gegenfrage: wenn Staatsschulden für einen monetär souveränen Staat prinzipiell sowieso kein Problem darstellen, warum sollte man sie dann abschaffen?
Du hast aber recht, nach ihrem Sinn zu fragen.
Ich denke, er liegt u.a. darin, daß man in einem "freiheitlichen", auf Zivilrecht (Eigentum, Vertrag) beruhenden Staat diesen eben möglichst weitgehend auch wie einen "gleichberechtigten Bürger" behandeln will, wie zum Beispiel im Rechtsstaatsprinzip ersichtlich: auch der Staat muß sich dem Recht unterwerfen.
Das ist doch reine Volksverwirrung. Schulden, die man bei sich selbst hat, sind de facto keine Schulden, also kann man den Unsinn auch gleich lassen, und den Kritikern die lächerlichen Pseudo-Gegenargumente gegen erhöhte Staatsausgaben nehmen.
Diejenigen, die die (Steuer-)Schulden haben, sind ja nicht dieselben, die die Guthaben (Staatsschuldtitel) halten.
Beim Volk würde vielleicht so die Erkenntnis reifen, dass der Staat etwas anderes ist - und folglich anders funktioniert - als Tante Emmas Gemischtwarenladen.
Ja, sicher.
Nun weiß ich natürlich, dass sofort die Polemik beginnt, dass das
a) Missbrauch Tür und Tor öffnet, b) der Staat grundsätzlich nicht mit Geld umgehen kann und c) Hyperinflation droht und weiterer Nonsense
Hierzu kann man entgegnen:
a) Missbrauch durch "die Märkte" findet auch heute statt, die Frage ist doch, ob sich eine demokratische Vertretung von ultrareichen Soziopathen kontrollieren lassen muss oder umgekehrt?
Das Problem liegt m.E. nicht primär im institutionellen Arrangement, sondern in der ideologischen, rhetorischen Beeinflussung der "demokratischen Vertretung" durch die jeweils herrschenden Interessengruppen. Dieses Problem gäbe es auch bei einem anderen institutionellen Arrangement, das ebenso wie das bestehende von denselben Interessengruppen für ihre Partialzwecke "mißbraucht" werden können. Diese rhetorische Beeinflussung ist ja auch der Grund für jeweilige Umgestaltungen des institutionellen Arrangements, z.B. das Verbot der Direktfinanzierung von Staaten durch die ZB.
b) Eine unbewiesene Behauptung, die einfach so in den Raum gestellt wird. Vor dem Hintergrund der Finanzkrise ist - denke ich - faktisch und offensichtlich widerlegt, dass "die Märkte" es besser könnten
Ja, sehe ich genauso.
c) Angesichts des verzweifelten Kampfes Japans gegen DEFLATION bei 350% BIP Staatsverschuldung ein an den Haaren herbeigezogenes Argument
Ja, auch angesichts des deutschen Inflationsniveaus zwischen 1933 und kurz vor Kriegsende.
Was kann man also tun, um Missbrauch des Geldschöpfungsprivilegs durch den Staat zu verhindern? Meiner Ansicht nach braucht man ein stark demokratisches möglichst dezentrales Kontroll- und Entscheidungsorgan hinsichtlich der Geldverwendung.
Parlament haben wir. Dezentrale Parlamente auch (Landesparlamente, Stadt- und Gemeinderäte).
Was soll man ändern?
Problem ist m.E. wiederum nicht das institutionelle Arrangement, sondern die Kriterien, nach denen die Parlamentarier entscheiden - ihr ökonomisches Weltbild. Das ist von Interessengruppen systematisch verzerrt.
Da bräuchte es eine realistische, interessenunabhängige politische Ökonomie (Theorie). Inwieweit kann es die geben? Mit Sicherheit kann es eine bessere geben als die herrschende - die GAB es ja bereits. Doch wie man sieht, wurde sie verdrängt.
Wenn sichergestellt ist, dass das Geldschöpfungsprivileg im Sinne der Menschen eingesetzt wird, indem alle mitbestimmen (können), dann ist Missbrauch schon einmal ein ganz großer Riegel vorgeschoben.
S.o.
Es ist doch komplett albern, eine dem Anschein nach demokratische Vertretung einzurichten, die am Ende doch als Bittsteller bei den Feudalherren anklopfen muss, um die Finanzierung ihrer beschlossenen Maßnahmen umzusetzen. Was soll das?
Ja, seh ich prinzipiell auch so.
Kritiker werden entgegnen: Dann soll der Staat halt mehr Steuern einnehmen. Stimmt, sollte er tun - insbesondere bei besagten Feudalherren.
Ja. Doch die "Feudalherren" bestimmen ja momentan das ökonomische Weltbild der Staatenlenker.
Nur, dass diese Steuern nicht der Finanzierung staatlicher Ausgaben dienen, sondern in erster Linie der Regulierung des Geldvermögens im privaten Sektor und der Moderation der Einkommens- und Vermögensverteilung.
Genau.
Wozu sollte man künstlich einen Zusammenhang zwischen Steuereinnahmen und Staatsausgaben herstellen, der völlig sinnbefreit ist?
Nur aus ideologischen Gründen - funktioniert super, weil jeder die Analogie zum eigenen "Privathaushalt" sofort zu verstehen meint. Da hilft m.E. nur makroökonomische Alphabetisierung, ohne die gibt es keine mündigen Bürger und kein mündiges Parlament.
Mich erinnert die aktuelle Situation immer ein wenig an die Zeit als darüber debattiert wurde, ob die Erde eine Scheibe oder eine Kugel ist. Dabei braucht es gar keine großen Weltentheorien, schon die Phönizier haben tausende Jahre vorher eine ganz einfache Beobachtung gemacht, die keiner weiterer Erläuterungen bedarf: Wenn man sich von See dem Land nähert, sieht man zuerst die Bergspitzen und nach und nach von oben nach unten immer mehr bis man schließlich die Küste sieht. Einzig logischer Schluss, die Erdoberfläche MUSS gekrümmt sein, und wenn das überall so ist - was die Beobachtung an vielen Küsten in allen Richtungen bestätigte - die Erdoberfläche also überall gleichmäßig gekrümmt ist, dann MUSS die Erde eine Kugel sein. Mehr Theorie bedarf es nicht. Das hat die Menschheit aber nicht davon abgehalten, Jahrhunderte lang mit religiöser Inbrunst anderen Unfug zu vertreten.
Natürlich, denn Erkenntnis dient immer auch bestimmten Interessen, und das bestimmt die Perspektive - nicht die Erkenntnis dessen, was "ist".
Und ebenso offensichtlich erscheint mir, dass es keinen zwingenden Zusammenhang zwischen Staatseinnahmen und -Ausgaben geben muss,
Ja, stimme zu.
und dass der Staat sich nicht "verschulden" muss, um Geld
emittieren zu können.
In letzter Konsequenz ja - weil der Staat eben nach dem Prinzip "Herrschaft" und nicht nach dem Prinzip "Vertrag" funktioniert, auch wenn er als demokratischer den Prinzipien und Idealen der bürgerlichen Gesellschaft (Privatrecht: Eigentum, Vertragsfreiheit, Markt) unterworfen werden soll.
Da bedarf es auch keiner weitreichenden Theorien, es ist ebenso offenkundig, wie die Krümmung der Erdoberfläche - vielleicht will man es einfach nur nicht sehen. Fragt sich nur, warum? ;-)
M.E. teils wegen der bürgerlichen Ideale (s.o.), teils wegen Machtinteressen der einschlägigen Partialgruppen, die auch dann nicht verschwinden würden, wenn es schuldfreies Staatsgeld gäbe. Dann würden sie halt DIESES institutionelle Arrangement, das den Machtvorteil des Staates ja viel offensichtlicher macht, für sich nutzen.
Es ist einfach ein ständiger ideologischer Kampf. Ich setze meine Hoffnung auf die Entwicklung einer konsistenten, realistischen politökonomischen Theorie und "makroökonomische Alphabetisierung" auf dieser Basis. Damit könnte der Machtkampf wenigstens etwas rationaler ablaufen ... oh well.
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, (fortgesetzt)
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, Axel Grimm, 26.11.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, Marco Schmidt, 26.11.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, moneymind, 27.11.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, Patrik Pekrul, 27.11.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, moneymind, 27.11.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, moneymind, 27.11.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, Axel Grimm, 28.11.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, moneymind, 28.11.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, Axel Grimm, 28.11.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, Patrik Pekrul, 28.11.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, moneymind, 28.11.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, moneymind, 28.11.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, Gerhard, 30.11.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, moneymind, 30.11.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, Gerhard, 28.11.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, Patrik Pekrul, 27.11.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, Gerhard, 28.11.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, Marco Schmidt, 27.11.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, Axel Grimm, 27.11.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, Amos comenius, 27.11.2014
Archiv bereitgestellt durch MHonArc 2.6.19.