ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik
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- From: Rudolf Müller <muellerrudolf AT on22.de>
- To: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
- Subject: Re: [AG-GOuFP] [AG Wirtschaft] Vortrag "Kreditvergabe der Banken ..."
- Date: Sun, 8 May 2016 21:54:43 +0200
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
- List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>
Hallo Wolfgang,
Hallo Rudi, meine Darstellung im Wiki-Projekt, "Das Geldrätsel" dient dazu, Interessierten die Funktionsweise unseres Geldsystems näher zu bringen. Lösungen für unsere derzeitigen Problem sind bewusst ausgeklammert und es sollen auch nicht die unterschiedlichen Theorien ausgelotet werden. Meinen Überlegungen liegt der Satz von Erich Schneider zugrunde: "Wir beschränken uns dabei bewußt auf die Analyse einer Wirtschaft, wie sie heute ist, d. h. auf eine Wirtschaft, in der allein Forderungen als Zahlungsmittel verwendet werden." Dies trifft auch die bankinternen Bilanzbezeichnungen recht gut. Deine Ausführungen zur "Bezahlung" kann ich zwar mittlerweile nachvollziehen, hatte damit jedoch so meine Schwierigkeiten. Meine Entwicklung: Wenn ich einen Kredit bei einer Bank aufnehme, muss diese mir einen Geldbetrag zur Verfügung stellen. ( Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) § 488 Vertragstypische Pflichten beim Darlehensvertrag, Durch den Darlehensvertrag wird der Darlehensgeber verpflichtet, dem Darlehensnehmer einen Geldbetrag in der vereinbarten Höhe zur Verfügung zu stellen.) Durch die Bereitstellung von "Giralgeld" auf meinem Konto hat die Bank ihre Leistung vordergründig erbracht. Ich vermute, dass vor Gericht diese Leistungserbringung auch so Bestand hätte. Vor Gericht würde mE auch bei einem Aktivakauf die Erhöhung meines Girokontos um den vereinbarten Kaufpreis als Forderungsausgleich, im allgemeinen Sprachgebrauch als Zahlung bekannt, anerkannt. Du gehst jetzt noch eine Ebene höher und siehst die ""Bezahlung" des Kunden erst erfüllt, wenn die Bank eine Überweisung zu einer anderen Bank getätigt hat oder aber der Betrag in Bargeld ausgezahlt wurde. Da praktisch keine Unterscheidung beim Girokonto möglich ist, ob das "Giralgeld" dort durch eine Bareinzahlung, eine Überweisung, eine Aktivakauf oder einen Kredit auf das Konto kamen, ist es doch mE müßig, theoretische Unterschiede zu machen, die sich praktisch in keiner Weise auswirken. Auf den Girokonten werden Forderungen der Kunden notiert, welche als Zahlungsmittel in der Wirtschaft zirkulieren. Das von Dir geschilderte Problem würde erst sichtbar, wenn die Bank ihre Tätigkeiten einstellt und zum Schluss als Passivposten nur noch die Verpflichtungen aus dem Aktivtkauf übrigbleiben. Sie müsste dann diese Aktivtposten veräußern um mit dem Erlös anschließend ihre verbliebenen Verbindlichkeiten zu begleichen. Die Bundesbank sagt dazu: "Der Kauf einer Immobilie durch eine Bank ist ein spezieller Fall von "Erwerb eines Vermögenswerts". Im ersten Schritt kann die Bank mit selbstgeschaffenem Buchgeld zahlen, das sie dem Verkäufer als Sichteinlage gutschreibt. Aus Sicht der Bank ist dieses selbstgeschaffene Buchgeld – die Sichteinlage – eine Verbindlichkeit („Schulden“). Durch die Transaktion „Immobilienerwerb“ kommt es deshalb für die Bank zu keinem Netto-Vermögenszuwachs („die Bank wird nicht reicher“); denn in ihrer Bilanz wird zwar auf der Aktivseite der erworbene Vermögenswert verbucht, doch stehen diesem auf der Passivseite Verbindlichkeiten in gleicher Höhe gegenüber." Mit dem letzten Satz bestätigt sie indirekt Deine Meinung. Wird alles Übrige eliminiert bleibt eine Verbindlichkeit der Bank, der nur noch die Immobilie gegenübersteht. Eigentlich ganz einfach?:-[ Der Blick auf die Einzelperson, den Verkäufer der Immobilie, hat mich von der Sicht auf die Gesamtwirkung des Aktivkaufs, abgelenkt. In diesem Punkt hast Du mich jetzt zu voll überzeugt. Kehrtwendung!!! Danke. (war wahrlich eine schwere Geburt:-)) Das Thema "Überweisung mit ZB-Geld" ist noch in der Röhre, noch nicht durchgegart. Melde mich dazu nochmals. Beste Grüße Rudi Müller Am 08.05.2016 um 13:43 schrieb moneymind: nochmal hierzu: Als Bezahlung erhöht die Bank dem Zahlungsempfänger dessen Eintrag auf dem Bankkonto. Um das nochmal zu präzisieren: "Zahlung" bzw. genereller Erfüllung einer Forderung ist dadurch definiert, daß ein Schuldner eine Verbindlichkeit (Schuldrecht = Teil des Privatrechts) erfüllt und damit vernichtet und sich damit von der Verbindlichkeit (der Verpflichtungsbeziehung gegenüber dem Gläubiger) befreit, indem er dem Gläubiger eines seiner *Aktiva *überträgt, wobei sich die Schuldnerbilanz verkürzt. Dies muß nicht gesetzliches Zahlungsmittel sein, es genügt, daß der Gläubiger es als schuldbefreiend akzeptiert. Um da mal den Wolfgang Stützel zu zitieren: "Ungesetzliche Zahlungsmittel gibt es nicht. Vertragspartner können sich grundsätzlich auf jedes Zahlungsmittel zur Begleichung einer Schuld einigen. Haben sie sich z.B. auf Krügerrand geeinigt, kann der Gläubiger auch auf Erfüllng in dieser Währung bestehen. (Grass/Stützel: VWL, München 1988, S. 141) [Weshalb nebenbei gesagt Arnes fixe Idee, die Banken würden "legales Falschgeld" produzieren, absurd ist.] Deshalb sind unterschiedliche Fälle denkbar: (1) Der Schuldner bezahlt mit Bargeld (Banknoten + Münzen). a) Früher (ohne Zentralbank): Metallbestände, b) heute: Verbindlichkeit der ZB. (2) Er erfüllt seine Verbindlichkeit, indem er dem Gläubiger eine Forderung gegen eine Geschäftsbank überträgt. Wenn Gläubiger und Schuldner ihr Konto bei verschiedenen Banken haben, ist zwischen diesen dann auch (nach netting) ZB-Geld involviert. (3) Er (A) erfüllt seine Verbindlichkeit, indem er dem Gläubiger B eine Forderung gegen eine dritte Nichtbank © überträgt (Wechsel-Prinzip). (4) Der Gläubiger B kauft dem Schuldner A Waren im Wert seiner Forderung gegen den A ab. Daraus entsteht eine Forderung des A gegen den B. Diese beiden Forderungen können nun aufgerechnet werden (BGB § 387). [Wenn ich recht verstehe, wollen die Vollgeldler nur noch (1b) zulassen und alles andere unterbinden, was innerhalb einer Privatrechtsordnung unmöglich ist, weil sich die Rechtssubjekte in ihren Verträgen eben auf beliebige Zahlungsmittel einigen können.] Alle diese Fälle zeigen jedoch, daß ein Schuldner für die schuldbefreiende Zahlung immer Aktiva übertragen muß, mit der Wirkung, daß sich seine Bilanz verkürzt; ist das Aktivum eine Forderung gegen eine Nichtbank, GB, die ZB oder den Staat, sind bei der Transaktion 3 Rechtspersonen und 2 Schuldverhältnisse beteiligt. Ein Schuldverhältnis zwischen 2 Rechtspersonen wird erfüllt und vernichtet, indem die Verbindlichkeit einer Dritten übertragen wird. Ein Kauf "auf Kredit", der die Bilanz des Käufers verlängert, ist KEINE Zahlung, auch im Fall einer Geschäftsbank nicht. Eine schuldbefreiende "Zahlung mittels Kreditgeld", die nicht über wechselseitige Aufrechnung ("clearing", "netting", §387 BGB) erfolgt, ist eine "Abtretung" (einer Forderung, BGB § 398) und involviert immer 3 Akteure. Für das Verhältnis zwischen Banken heißt das wie für das Verhältnis zwischen Nichbanken auch: nach "netting" (wechselseitiger Aufrechnung) muß die Bank, die Nettoschuldner ist, den Restsaldo durch Übertragung von Aktiva (ZBG) begleichen. Ein Interbankenkredit ist, wie der Name schon sagt, ein Kredit und eben keine Zahlung, genausowenig wie eine Gutschrift einer Geschäftsbank auf das Konto eines Kunden, von dem sie etwas gekauft hat, keine Zahlung darstellt. Sondern ein Verpflichtungsverhältnis, das ein Liquiditätsrisiko begründet. Nur die Zentralbank hat gegenüber der Binnenwirtschaft ein solches Liquiditätsproblem nicht, wohl aber im Außenverhältnis (andere Währungen), es sei denn, sie hieße FED. All diese Diskussionen hängen aber immer noch am "Geldsystem" fest, blenden aber aber leider den Gesamtkontext aus, nämlich den Staat (ÖffRechtliches Subjekt, das auch als private Rechtsperson auftreten kann und im Fall von Staatsanleihen auch tut, nicht aber im Fall von Steuerforderungen, die ÖffRechtliche sind, die nicht per Vertrag, sondern per obrigkeitlicher Anordnung zustandekommen), das wirtschaftspolitische Gesamtmodell, dessen Teil Geld- und Fiskalpolitik sind, und die daraus resultierenden gesamtwirtschaftlichen Finanzierungssalden und Ergebnisse (lahmende Realwirtschaft, hohe Arbeitslosigkeit, boomende Finanzmärkte, Unternehmenssektor Netto-Gläubiger, der den Großteil seiner Aktiva nicht in realen Produktionsmitteln, sondern an Finanzmärkten angelegt hat, usw. http://www.volkswagenag.com/content/vwcorp/info_center/de/publications/2015/03/Jahresabschluss_Volkswagen_AG.bin.html/binarystorageitem/file/Jahresabschluss+Volkswagen+AG+%28HGB%29_deutsch.pdf Auf der Aktivseite (MIttelverwendung) finden wir da: Sachanlagen: 7329 Mio Finanzanlagen: 79584 Mio Der Anteil der Sachanlagen (reale Produktionsmittel) liegt unter einem Zehntel! So sieht also die Bilanz der VW-Bank aus, die nebenher auch (noch) paar Autos produziert. Die Netto-Forderungsposition von VW und den Anteil von Real- und Finanzvermögen am Eigenkapital kann sich jeder selber anhand der Bilanz ausrechnen. Warum lohnt es sich offensichtlich nicht mehr, in reale Produktionsmittel zu investieren? Und warum sind stattdessen Finanzanlagen so viel attraktiver? Wie kommt eigentlich die Umverteilung von unten nach oben zustande und wie kann sie umgekehrt werden? All diese Probleme können nur politisch gelöst werden, durch eine andere Wi-Politik und nicht durch Geldsystembastlerei, die von diesen Gesamtzusammenhängen leider ablenkt und sich in dichotome Sackgassen (wie dem ewigen Streit zwischen banking- und currency-theory, die sich doch leicht integrieren lassen und eben in unterschiedlichen Situationen jeweils dominieren, siehe Mehrling) verfranst. Um es mal provokativ zu formulieren (sorry): Diese Sackgasse kommt m.E. schon in der Benennung der AG zum Ausdruck (der Themenbeschränkung im Namen). Vielleicht wäre eine Umbenennung in "AG Wirtschafts- und Steuerpolitik" eine gute Idee - denn genau das macht ja der Staat über Steuern (und Verschuldung): er steuert die Wirtschaft. Es ist Wahnsinn, wie man IMMER WIEDER auf dieselben unerkannten ideologischen Vorgaben des seit 40 Jahren eingehämmerten Diskurses stößt, sei es nun in der monetaristischen Fixierung aufs Geldsystem samt Festhängen in der Quantitätstheorie (Vollgeldler) oder dem Grundeinkommen, beides Milton Friedman-Vorgaben; oder bei der pseudoreligiösen, öko-apokalyptischen Wachstumskritik, die nicht zufällig genau zeitleich mit dem Ende des Bretton Woods-Systems in die Öffentlichkeit lanciert wurde (Club of Rome-Bericht "Grenzen des Wachstums" 1972), und wie all diese Denkformen die Leute in ratloser Akzeptanz des Status Quo festhalten. Die Macht der unerkannten Denkgewohnheiten (wir alle sind ja mit der Propaganda seit dem Ende von Bretton Woods aufgewachsen und mußten mühsam wieder die Erkenntnisse übers Bankensystem ausgraben, die in den 50er/60er Jahren in den Lehrbüchern wie in dem von Dir zitierten von Erich Schneider Standard waren.
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- Re: [AG-GOuFP] "Kreditvergabe der Banken durch Geldschöpfung oder Kundeneinlagen?", Arne Pfeilsticker, 04.05.2016
- Re: [AG-GOuFP] "Kreditvergabe der Banken durch Geldschöpfung oder Kundeneinlagen?", Alexander Raiola, 04.05.2016
- Re: [AG-GOuFP] "Kreditvergabe der Banken durch Geldschöpfung oder Kundeneinlagen?", Arne Pfeilsticker, 05.05.2016
- Re: [AG-GOuFP] "Kreditvergabe der Banken durch Geldschöpfung oder Kundeneinlagen?", Alexander Raiola, 05.05.2016
- Re: [AG-GOuFP] "Kreditvergabe der Banken durch Geldschöpfung oder Kundeneinlagen?", Arne Pfeilsticker, 05.05.2016
- Re: [AG-GOuFP] "Kreditvergabe der Banken durch Geldschöpfung oder Kundeneinlagen?", Peter Baum, 07.05.2016
- Re: [AG-GOuFP] [AG Wirtschaft] Vortrag "Kreditvergabe der Banken ...", moneymind, 07.05.2016
- Re: [AG-GOuFP] [AG Wirtschaft] Vortrag "Kreditvergabe der Banken ...", Rudolf Müller, 07.05.2016
- Re: [AG-GOuFP] [AG Wirtschaft] Vortrag "Kreditvergabe der Banken ...", moneymind, 08.05.2016
- Re: [AG-GOuFP] [AG Wirtschaft] Vortrag "Kreditvergabe der Banken ...", moneymind, 08.05.2016
- Re: [AG-GOuFP] [AG Wirtschaft] Vortrag "Kreditvergabe der Banken ...", Rudolf Müller, 08.05.2016
- Re: [AG-GOuFP] [AG Wirtschaft] Vortrag "Kreditvergabe der Banken ...", Rudolf Müller, 09.05.2016
- Re: [AG-GOuFP] [AG Wirtschaft] Vortrag "Kreditvergabe ...", moneymind, 09.05.2016
- Re: [AG-GOuFP] [AG Wirtschaft] Vortrag "Kreditvergabe ...", moneymind, 10.05.2016
- Re: [AG-GOuFP] [AG Wirtschaft] Vortrag "Kreditvergabe ...", moneymind, 10.05.2016
- Re: [AG-GOuFP] [AG Wirtschaft] Vortrag "Kreditvergabe ...", Rudolf Müller, 10.05.2016
- Re: [AG-GOuFP] [AG Wirtschaft] Vortrag "Kreditvergabe der Banken durch Geldsc, Axel Grimm, 11.05.2016
- Re: [AG-GOuFP] [AG Wirtschaft] Vortrag "Kreditvergabe der Banken durch Geldsc, Rudolf Müller, 11.05.2016
- [AG-GOuFP] Antwort, Axel Grimm, 12.05.2016
- Re: [AG-GOuFP] [AG Wirtschaft] Vortrag "Kreditvergabe der Banken ...", Rudolf Müller, 08.05.2016
- Re: [AG-GOuFP] [AG Wirtschaft] Vortrag "Kreditvergabe der Banken ...", moneymind, 08.05.2016
- Re: [AG-GOuFP] [AG Wirtschaft] Vortrag "Kreditvergabe ...", moneymind, 12.05.2016
- Re: [AG-GOuFP] [AG Wirtschaft] Vortrag "Kreditvergabe ...", ukw, 12.05.2016
- Re: [AG-GOuFP] [AG Wirtschaft] Vortrag "Kreditvergabe der Banken ...", moneymind, 08.05.2016
- Re: [AG-GOuFP] [AG Wirtschaft] Vortrag "Kreditvergabe der Banken ...", Rudolf Müller, 07.05.2016
- Re: [AG-GOuFP] [AG Wirtschaft] Vortrag "Kreditvergabe der Banken ...", moneymind, 07.05.2016
- Re: [AG-GOuFP] "Kreditvergabe der Banken durch Geldschöpfung oder Kundeneinlagen?", Alexander Raiola, 04.05.2016
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