Zum Inhalt springen.
Sympa Menü

ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] [AG Wirtschaft] Vortrag "Kreditvergabe der Banken ..."

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

Listenarchiv

Re: [AG-GOuFP] [AG Wirtschaft] Vortrag "Kreditvergabe der Banken ..."


Chronologisch Thread 
  • From: moneymind <moneymind AT gmx.de>
  • To: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] [AG Wirtschaft] Vortrag "Kreditvergabe der Banken ..."
  • Date: Sun, 08 May 2016 11:43:59 +0000
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>

Hallo Rudi,

nochmal hierzu:

Als Bezahlung erhöht die Bank dem Zahlungsempfänger dessen Eintrag auf dem Bankkonto.

Ich glaube, hier liegt das Mißverständnis. Dadurch, daß die Bank dem Kunden den Betrag gutschreibt, hat sie eben gerade nicht "bezahlt". Die Definition von Bezahlung ist ja, daß sie ein Schuldverhältnis endgültig auflöst. Hier besteht es aber ja gerade noch.

Um das nochmal zu präzisieren: "Zahlung" bzw. genereller Erfüllung einer Forderung ist dadurch definiert, daß ein Schuldner eine Verbindlichkeit (Schuldrecht = Teil des Privatrechts) erfüllt und damit vernichtet und sich damit von der Verbindlichkeit (der Verpflichtungsbeziehung gegenüber dem Gläubiger) befreit, indem er dem Gläubiger eines seiner *Aktiva *überträgt, wobei sich die Schuldnerbilanz verkürzt.

Dies muß nicht gesetzliches Zahlungsmittel sein, es genügt, daß der Gläubiger es als schuldbefreiend akzeptiert. Um da mal den Wolfgang Stützel zu zitieren: "Ungesetzliche Zahlungsmittel gibt es nicht. Vertragspartner können sich grundsätzlich auf jedes Zahlungsmittel zur Begleichung einer Schuld einigen. Haben sie sich z.B. auf Krügerrand geeinigt, kann der Gläubiger auch auf Erfüllng in dieser Währung bestehen. (Grass/Stützel: VWL, München 1988, S. 141)

[Weshalb nebenbei gesagt Arnes fixe Idee, die Banken würden "legales Falschgeld" produzieren, absurd ist.]

Deshalb sind unterschiedliche Fälle denkbar:

(1) Der Schuldner bezahlt mit Bargeld (Banknoten + Münzen). a) Früher (ohne Zentralbank): Metallbestände, b) heute: Verbindlichkeit der ZB.
(2) Er erfüllt seine Verbindlichkeit, indem er dem Gläubiger eine Forderung gegen eine Geschäftsbank überträgt. Wenn Gläubiger und Schuldner ihr Konto bei verschiedenen Banken haben, ist zwischen diesen dann auch (nach netting) ZB-Geld involviert.
(3) Er (A) erfüllt seine Verbindlichkeit, indem er dem Gläubiger B eine Forderung gegen eine dritte Nichtbank © überträgt (Wechsel-Prinzip).
(4) Der Gläubiger B kauft dem Schuldner A Waren im Wert seiner Forderung gegen den A ab. Daraus entsteht eine Forderung des A gegen den B. Diese beiden Forderungen können nun aufgerechnet werden (BGB § 387).

[Wenn ich recht verstehe, wollen die Vollgeldler nur noch (1b) zulassen und alles andere unterbinden, was innerhalb einer Privatrechtsordnung unmöglich ist, weil sich die Rechtssubjekte in ihren Verträgen eben auf beliebige Zahlungsmittel einigen können.]

Alle diese Fälle zeigen jedoch, daß ein Schuldner für die schuldbefreiende Zahlung immer Aktiva übertragen muß, mit der Wirkung, daß sich seine Bilanz verkürzt; ist das Aktivum eine Forderung gegen eine Nichtbank, GB, die ZB oder den Staat, sind bei der Transaktion 3 Rechtspersonen und 2 Schuldverhältnisse beteiligt. Ein Schuldverhältnis zwischen 2 Rechtspersonen wird erfüllt und vernichtet, indem die Verbindlichkeit einer Dritten übertragen wird.

Ein Kauf "auf Kredit", der die Bilanz des Käufers verlängert, ist KEINE Zahlung, auch im Fall einer Geschäftsbank nicht. Eine schuldbefreiende "Zahlung mittels Kreditgeld", die nicht über wechselseitige Aufrechnung ("clearing", "netting", §387 BGB) erfolgt, ist eine "Abtretung" (einer Forderung, BGB § 398) und involviert immer 3 Akteure.

Für das Verhältnis zwischen Banken heißt das wie für das Verhältnis zwischen Nichbanken auch: nach "netting" (wechselseitiger Aufrechnung) muß die Bank, die Nettoschuldner ist, den Restsaldo durch Übertragung von Aktiva (ZBG) begleichen.

Ein Interbankenkredit ist, wie der Name schon sagt, ein Kredit und eben keine Zahlung, genausowenig wie eine Gutschrift einer Geschäftsbank auf das Konto eines Kunden, von dem sie etwas gekauft hat, keine Zahlung darstellt.

Sondern ein Verpflichtungsverhältnis, das ein Liquiditätsrisiko begründet. Nur die Zentralbank hat gegenüber der Binnenwirtschaft ein solches Liquiditätsproblem nicht, wohl aber im Außenverhältnis (andere Währungen), es sei denn, sie hieße FED.

All diese Diskussionen hängen aber immer noch am "Geldsystem" fest, blenden aber aber leider den Gesamtkontext aus, nämlich den Staat (ÖffRechtliches Subjekt, das auch als private Rechtsperson auftreten kann und im Fall von Staatsanleihen auch tut, nicht aber im Fall von Steuerforderungen, die ÖffRechtliche sind, die nicht per Vertrag, sondern per obrigkeitlicher Anordnung zustandekommen), das wirtschaftspolitische Gesamtmodell, dessen Teil Geld- und Fiskalpolitik sind, und die daraus resultierenden gesamtwirtschaftlichen Finanzierungssalden und Ergebnisse (lahmende Realwirtschaft, hohe Arbeitslosigkeit, boomende Finanzmärkte, Unternehmenssektor Netto-Gläubiger, der den Großteil seiner Aktiva nicht in realen Produktionsmitteln, sondern an Finanzmärkten angelegt hat, usw.

http://www.volkswagenag.com/content/vwcorp/info_center/de/publications/2015/03/Jahresabschluss_Volkswagen_AG.bin.html/binarystorageitem/file/Jahresabschluss+Volkswagen+AG+%28HGB%29_deutsch.pdf

Auf der Aktivseite (MIttelverwendung) finden wir da:

Sachanlagen: 7329 Mio
Finanzanlagen: 79584 Mio

Der Anteil der Sachanlagen (reale Produktionsmittel) liegt unter einem Zehntel!

So sieht also die Bilanz der VW-Bank aus, die nebenher auch (noch) paar Autos produziert.

Die Netto-Forderungsposition von VW und den Anteil von Real- und Finanzvermögen am Eigenkapital kann sich jeder selber anhand der Bilanz ausrechnen.

Warum lohnt es sich offensichtlich nicht mehr, in reale Produktionsmittel zu investieren? Und warum sind stattdessen Finanzanlagen so viel attraktiver?

Wie kommt eigentlich die Umverteilung von unten nach oben zustande und wie kann sie umgekehrt werden?

All diese Probleme können nur politisch gelöst werden, durch eine andere Wi-Politik und nicht durch Geldsystembastlerei, die von diesen Gesamtzusammenhängen leider ablenkt und sich in dichotome Sackgassen (wie dem ewigen Streit zwischen banking- und currency-theory, die sich doch leicht integrieren lassen und eben in unterschiedlichen Situationen jeweils dominieren, siehe Mehrling) verfranst.

Um es mal provokativ zu formulieren (sorry):

Diese Sackgasse kommt m.E. schon in der Benennung der AG zum Ausdruck (der Themenbeschränkung im Namen). Vielleicht wäre eine Umbenennung in "AG Wirtschafts- und Steuerpolitik" eine gute Idee - denn genau das macht ja der Staat über Steuern (und Verschuldung): er steuert die Wirtschaft.

Es ist Wahnsinn, wie man IMMER WIEDER auf dieselben unerkannten ideologischen Vorgaben des seit 40 Jahren eingehämmerten Diskurses stößt, sei es nun in der monetaristischen Fixierung aufs Geldsystem samt Festhängen in der Quantitätstheorie (Vollgeldler) oder dem Grundeinkommen, beides Milton Friedman-Vorgaben; oder bei der pseudoreligiösen, öko-apokalyptischen Wachstumskritik, die nicht zufällig genau zeitleich mit dem Ende des Bretton Woods-Systems in die Öffentlichkeit lanciert wurde (Club of Rome-Bericht "Grenzen des Wachstums" 1972), und wie all diese Denkformen die Leute in ratloser Akzeptanz des Status Quo festhalten.

Die Macht der unerkannten Denkgewohnheiten (wir alle sind ja mit der Propaganda seit dem Ende von Bretton Woods aufgewachsen und mußten mühsam wieder die Erkenntnisse übers Bankensystem ausgraben, die in den 50er/60er Jahren in den Lehrbüchern wie in dem von Dir zitierten von Erich Schneider Standard waren.




Archiv bereitgestellt durch MHonArc 2.6.19.

Seitenanfang