ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik
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- From: Patrik Pekrul <patrik.pekrul AT hotmail.de>
- To: moneymind <moneymind AT gmx.de>
- Cc: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
- Subject: Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht
- Date: Fri, 26 Dec 2014 10:45:56 +0100
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- List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>
Am 25.12.2014 um 23:33 schrieb moneymind <moneymind AT gmx.de>:
>
> Wenn in einem Diskussionsfaden "Geld und Macht" nicht mal von einem
> Quantum-Ökonomen, der die Lohnzahlung in den Mittelpunkt seiner gesamten
> Theorie stellt, irgendwo auch nur eine Frage nach dem Ursprung, der
> Funktion und dem gegenwärtigen Zustand der Lohnarbeiterklasse gefragt wird,
> dann hat offensichtlich jahrzehntelanges neoklassisches brainwashing auf
> ganzer Linie gesiegt.
Wann "Kapitalismus" anfing, hängt unmittelbar mit der Frage zusammen, was
Kapitalismus ist. Deiner Meinung nach, zeichnet sich Kapitalismus dadurch
aus, dass es eine Passivseite in der Bilanz gibt, deren Positionen als
"Kapital" bezeichnet werden, demnach kann Kapitalismus erst mit Einführung
der Doppelten Buchführung entstanden sein, also irgendwann im 15.
Jahrhundert. Da du dich am Kapitalbegriff des HGB orientierst, kann
Kapitalismus in Deutschland wohl erst seit seiner Einführung also 1897
existieren.
Ich denke, es ist leicht einzusehen, dass solche Formalien nicht
zweckdienlich sind.
Sinnvoller ist es, nach den fundamentalen Merkmalen des Kapitalismus zu
fragen, und dann zu prüfen, wann diese hervortreten. Und das herausragende
Merkmal der Kapitalismus ist eben, dass es auf der einen Seite große
Anhäufungen von (Real-)Kapital gibt, die zu einem bestimmten
(Produktions-)Zweck eingesetzt werden, und auf der anderen einen großen
"Haufen" von Leuten, die (fast) nichts haben und sich notgedrungen an diesem
Einsatzzweck beteiligen (müssen). Ein weiteres Kennzeichen ist die Tatsache,
dass die Herrscher (schon immer eine kleine "Elite") über dieses
(Real-)Kapital ohne weiteres Zutun den größten Teil der "Früchte" abgreifen,
und der "Rest" (schon immer die übergroße Mehrheit) sich entsprechend mit dem
Rest begnügen muss.
Besonders perfide wird dieses System, wenn dieser Rest so klein ist, dass man
davon nicht leben kann, und sich die vielen bei den wenigen verschulden
müssen. Das ist sozusagen der Nachbrenner, der das System zementiert und von
der ursprünglichen Frage ablenkt, warum die Verhältnisse eigentlich so sind,
wie sie sind, denn es gibt ja eine oberflächliche Erklärung - nämlich die
Verschuldung.
Wie kam es aber dazu, dass es zu dieser ungleichen Verteilung gekommen ist,
hat das wirklich etwas Schulden und Sparen zu tun? Das erscheint mir eine
pazifistische Träumerei zu sein. Wie es wirklich im Kern zu
Ungleichverteilung kommt, kann man in jedem Löwenrudel beobachten - das
Prinzip des Stärkeren, nackte Gewalt. Nachdem die Weibchen die Beute
geschlagen haben, nimmt sich das größte Männchen den "Löwenanteil". Warum?
Weil es sonst auf die Fresse gibt. Die nächste Stufe lässt sich dann bei
Schimpansen beobachten, da werden Allianzen geschmiedet, siehe:
http://www.taz.de/1/archiv/?dig=2003/07/05/a0269
Viel weiter hat es die Menschheit seither auch nicht gebracht.
Das ganze Muster zieht sich durch, und hat wenig bis nichts mit "Sparen" oder
"Schulden", doppelter Buchführung oder pseudoreligiösen Analogien zu tun (die
übrigens nur in der deutschen Sprache funktionieren, im englischen ist bspw.
"debt" nicht gleichbedeutend mit "guilt"), sondern einfach nur mit brutaler
Gewalt. Das ist auch heute nicht anders. Wer es im Selbstversuch mal
ausprobieren will, braucht sich nur zu verschulden, und den Schuldendienst
einzustellen: Erst wird einem alles genommen, danach wird man eingesperrt,
und wer sich dagegen wehrt, macht Bekanntschaft mit den Knüppel, wie bei den
Schimpansen.
Wenn einem diese Offensichtlichkeit zu "uninspirierend" ist, für den kann man
vielleicht den Beginn des Kapitalismus doch verorten, wo "Geld und Macht"
getrennt wurden.
Lange Zeit ging das eine mit dem anderen einher. Der Herrscher gab das Geld
aus, und prägte zu diesem Zwecke sein Konterfei auf jede einzelne Münze. Die
Adligen waren die mächtigen und reichen gleichzeitig, und wenn einer
außerhalb dieses Kreises reich geworden sein sollte, nahmen es ihm die
Mächtigen einfach ab (siehe Löwenrudel oder Putin) oder nahmen ihn in den
Kreis des Adels auf - je nach politischen Geschick des Neureichen. Die
Sichtweise auf die Dinge war sehr realwirtschaftlich orientiert, der Mächtige
gründete seine Macht (und damit seinen Reichtum) auf Ländereien, Minen,
Wälder, Bevölkerung, Bauwerke, etc. Das Geld diente im wesentlich der
Organisation.
Irgendwann entschieden sich die Mächtigen aber unverständlicherweise auf ihr
Privileg zu verzichten und stattdessen die Entstehung eines "Geldadels"
zuzulassen, bei dem sie nun um Geld nachsuchten. Ich kann mir das nur so
erklären, dass sie feststellten, dass es unter ihren Bürgern einige
geschickte Kaufleute gab, die sehr gut darin waren, begehrte Güter
heranzuschaffen oder herzustellen. Hierzu brauchten sie aber ihrerseits eine
bestimmte Ausstattung mit Gütern und Geld. Statt es ihnen einfach nach
Altvätersitte wegzunehmen, "liehen" sich die Mächtigen das Geld von ihnen.
Dabei stellten wohl beide Seiten fest, dass dies ein sehr auskömmliches
Geschäft war. Die Herrschenden brauchten sich nicht ständig um neues Geld (im
Sinne von Münzen) zu kümmern und dafür die Nachbarn zu überfallen, sondern
sie konnten mit dem gegebenen Bestand beliebig viel mehr beschaffen - und
zwar eleganterweise ohne Gewaltanwendung - und für die reichen war es sehr
angenehm, dass auch sie nun mit den Schuldscheinen auf die Mächtigen ihre
Geschäfte immer weiter ausdehnen konnten. Irgendwann kehrten sich dann
schleichend die Machtverhältnisse um, und die ehemals Mächtigen wurden zu
Abhängigen. Wenn man also dem obigen Ansatz nicht folgen will, ist das der
Moment, in dem "Kapitalismus" enstand.
So gesehen, ist es richtig, dass ein Rechtssystem, welches "Eigentum"
schützt, ein Schuldwesen, dokumentiert bspw. in der doppelten Buchführung,
Begleiterscheinungen des Kapitalismus sind, aber der fundamentale Unterschied
zu vorher ist eben, dass nun nicht mehr die Reichen den Mächtigen dienen,
sondern jetzt die (scheinbar) Mächtigen den Reichen.
Kapitalismus beginnt demnach also dort, wo Geld und Macht getrennt sind, und
das Geld die Macht übernimmt.
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, (fortgesetzt)
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, Axel Grimm, 12.12.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, Rolf Müller, 12.12.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, moneymind, 12.12.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, moneymind, 12.12.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, Axel Grimm, 15.12.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, Marco Schmidt, 15.12.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, Axel Grimm, 16.12.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, Gerhard, 23.12.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, Marco Schmidt, 23.12.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, moneymind, 25.12.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, Patrik Pekrul, 26.12.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, Christoph Mayer, 28.12.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, moneymind, 29.12.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, Patrik Pekrul, 29.12.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, moneymind, 12.12.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, Gerhard, 20.12.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, Patrik Pekrul, 12.12.2014
- [AG-GOuFP] Neues aus der Anstalt, Christoph Mayer, 13.12.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, Christoph Mayer, 13.12.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, Comenius, 14.12.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, Axel Grimm, 15.12.2014
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