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ag-gesundheitswesen - Re: [AG-Gesundheit] Privates Gesundheitssystem?

ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de

Betreff: AG Gesundheit

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Re: [AG-Gesundheit] Privates Gesundheitssystem?


Chronologisch Thread 
  • From: syna <syna AT news.piratenpartei.de>
  • To: ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-Gesundheit] Privates Gesundheitssystem?
  • Date: Mon, 08 Jun 2015 09:35:26 +0000
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-gesundheitswesen>
  • List-id: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen.lists.piratenpartei.de>

Hallo Wolfgang,

ich habe Deine Thesen mal vervollständigt. Du schlägst also vor:

1. Umstellung .. vom Umlage- auf das Kapitaldeckungsverfahren =
Nur noch PKVen. Abschaffung der GKV.

2. Träger der Krankenversicherung sollen sein:
AGs oder Versicherungsvereine.

3. Verlagerung des Sozialausgleichs in das Steuersystem =
Steuerermäßigung bzw. Ausgleich bei Geringverdienern

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Wolfgang Gerstenhöfer schrieb:
Es tut mir sehr leid, aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, daß das mit einer Zwangs-Einheits-Staats-Krankenkasse ("Bürgerversicherung"/"Nationaler Gesundheitsdienst") nach dem von der Hand in den Mund lebenden Umlageverfahren und verbeamteten medizinischen Leitungserbringern klappen wird.

Warum immer diese Verunglimpfung von staatlichen Institutionen?
Bist Du irgendwie traumatisiert?

Jede staatliche Institution ist in Deiner Diktion eine "Zwangs-Einheits-Einrichtung".
Das gilt für das Einwohnermeldeamt, für die Exekutive (Polizei), für die
Jurisdiktion (Gerichte), für alle administrativen Bereiche (Landes-, Kreis-,
Stadtregierung, Raumplanung, Stadtplanung, Ver- und Entsorgung, usw. etc)
Das siind alles "Zwangs-Einheits-Einrichtungen" - und doch funktioniert unser
Staatswesen eigentlich ganz gut.

Was also ist Dein Problem damit? Warum diese diffamierenden Vokabeln?

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Wo wir unterschiedlicher Meinung sind:

Du ordnest die Krankenversicherung dem freien Markt zu. Du möchtest
die Vorteile des freien Marktes (dezentrale Entscheidungen, Kosten-
optimierung durch Marktmechanismen) nutzen.

Ich dagegen sage: Die Krankenversorgung muss ein Teil der Fürsorge
sein, die jedem Menschen zuteil werden muss. Aus diesem Grund kann
sie - auf der Versorgungsseite - nicht Marktmechanismen unterworfen
werden. Sie ist stattdessen originäre Aufgabe eines solidarischen
Gemeinwesens, also des Staates.

Grund: Marktmechanismen - auf der Versorgungsseite - arten immer
in Rosinenpicken und Ausnutzen von Lücken in der Regulierung aus.
Die einzelnen PKVen (AGs oder Versicherungsvereine) würden primär im
Sinne der Gewinnsteigerung handeln - und erst sekundär im Sinne
einer egalitären Patientenversorgung.

Schon heute gibt es soviele Vorgaben vom Gesetzgeber, dass auch
heute die Marktmechanismen, auch für PKVen, nur in geringer Weise
zum Tragen kommen. So werden sogar bestimmte Tarife vorgeschrieben,
der Leistungskatalog ist zu 90% festgelegt usw.

Es zeigt sich bei näherer Betrachtung, dass Marktmechanismen in einem
auf egalitäre Fürsorge zielenden Bereich gänzlich ungeeignet sind. Deshalb
muss die Krankenversorgung eine vom Gemeinwesen betriebene
Organisation sein. Also etwa eine "Bürgerversicherung" oder eine rein
staatlichen Institution ähnlich dem englischen NHS.

Das schließt aber nicht aus, dass auf der Einkaufsseite natürlich ein
Markt besteht. Welches Pharmapräparat, welches künstliche Hüftgelenk
oder welche OP-Teile gekauft werden, das sollte über den Pharma-
bzw. Medizintechnik Anbietermarkt - korruptionsfrei - laufen. Allerdings ist
das ein ganz anderes Thema.

Wolfgang Gerstenhöfer schrieb:
Ich finde es auch sehr bedenklich, wie Du die Grundrechte mißachtest und Entscheidungen unseres Bundesverfassungsgerichtes einfach ignorierst.

Welches Urteil meinst Du denn?
Das vom Urteil vom 10. Juni 2009
(1 BvR 706/08, 1 BvR 814/08, 1 BvR 819/08, 1 BvR 832/08, 1 BvR 837/08)

In diesem Urteil weist das BV lediglich Klagen gegen das GKV-Wettbewerbs-
stärkungsgesetz ab. Es bestätigt damit - indirekt - die im Gesetz festgelegten
Regulierungen, d.h. es bestätigt, dass diese vom Gesetzgeber erlassenen
Regulierungen (z.B. Versicherungspflicht, Portabilität der Altersrückstellungen,
Basistarif der PKVen) grundgesetzkonform sind.

Keinesfalls wird mit diesem Urteil aber ausgeschlossen, dass anderweitige
Beschlüsse des Gesetzgebers, z.B. eine gänzliche Abschaffung der PKVen,
irgendwie nicht grundgesetzkonform seien.

Im Gegenteil: Das BV sagt ja, dass der Wille des Gesetzgebers (der gewählten
Volksvertreter) oberste Priorität hat. Das wäre sicher auch so, wenn der
Gesetzgeber einen Plan für eine Übergangsphase zu Abschaffung der PKVen
beschließen würde.

Grüsse,

Syna.




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