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ag-gesundheitswesen - Re: [AG-Gesundheit] Privates Gesundheitssystem?

ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de

Betreff: AG Gesundheit

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Re: [AG-Gesundheit] Privates Gesundheitssystem?


Chronologisch Thread 
  • From: syna <syna AT news.piratenpartei.de>
  • To: ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-Gesundheit] Privates Gesundheitssystem?
  • Date: Thu, 04 Jun 2015 23:50:33 +0000
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-gesundheitswesen>
  • List-id: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen.lists.piratenpartei.de>

Hallo Wolfgang,

hoffentlich drehen wir uns da nicht im Kreis. Ich bin da skeptisch.

Wolfgang Gerstenhöfer schrieb:

Du siehst das Hauptproblem unseres Gesundheitswesens in der Tatsache, daß Privatpatienten für die gleichen medizinischen Leistungen mehr Geld bezahlen (müssen)

Nein.

Das Hauptproblem ist, dass die PKV für die gleichen medizinischen Leistungen mehr
Geld bezahlt. Ein kleiner, aber wichtiger Unterschied!

Die PKVen bezahlen - abzüglich ihrer Provisionen, ihrer Administration und ihrer
Gewinne - mit dem Geld der Versicherten die medizinischen Leistungen. Und zwar
viel besser, mit der Folge einer "Dualen Vergütung" usw.

Wolfgang Gerstenhöfer schrieb:
- und dafür bestenfalls etwas mehr an Service und Zeit geboten bekommen bzw.
erwarten können.

Nein. Es ist schon mehr: Chefarztbehandlung ist oftmals nicht besser, der
Zugang zu Koryphäen in den Unikliniken bedeut aber schon mehr. Dann die
Möglichkeit der ambulanten Behandlung in Kliniken, das Vermeiden von
Drehtürmedizin. Also das ist auch medizinisch besser.

'Wolfgang Gerstenhöfer schrieb:
Für mich besteht das Hauptproblem mit Blick auf die aktuelle Finanzierung unseres Gesundheitssystems im demographischen Wandel, also in der Tatsache, daß es immer weniger junge und immer mehr alte Menschen gibt. Aus der Alterspyramide, die wir hatten als das Umlageverfahren in den 1880er Jahren eingeführt wurde, ist inzwischen ein Altersbaum mit einer immer größeren Baumkrone geworden. Das paßt nicht (mehr), und das wissen alle Beteiligten bereits seit den 1960er Jahren.

Der demografische Wandel ist eine zweite, andere Baustelle!

Im Hinblick auf den demografische Wandel scheint es doch sinnvoll, alle
ökonomischen Schiefstände im bestehenden System, die zusätzlich und unnötig
Geld verschlingen, zu korrigieren. Oder?

Dazu wäre es erstmal nötig, die "Duale Vergütung" endlich abzuschaffen.

Wolfgang Gerstenhöfer schrieb:
Du malst ein Bild, in dem die Privatpatienten, die Privatversicherten zu Lasten der Kassenpatienten, der Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen behandelt würden ...

Der ökonomische Druck in den Krankenhäusern hat zwangsläufig
Fehlallokationen zur Folge, leider.

Wolfgang Gerstenhöfer schrieb:
... und indirekt sogar öfter für deren Tod verantwortlich wären.

Das wären sehr heftige Worte, das sage ich so nicht. Ich drücke es so aus:
Man kann mit ziemlicher Sicherheit annehmen, dass bei bestimmten
ernsten Erkrankungen, die eine komplexe OP erfordern (Beispiel Pankreas-Krebs)
aufgrund von Fehlallokationen in einigen Zentren und Universitätskrankenhäusern
die Überlebensrate von GKV-Patienten signifikant niedriger ist als die von PKV-
Patienten.

Wolfgang Gerstenhöfer schrieb:
Diese Sicht der Dinge kann ich nur sehr eingeschränkt teilen. Es ist so, aber das bestreitest Du meines Wissens, daß die Selbstzahler, Du nennst sie Privilegierte, überproportional zur Finanzierung unseres Gesundheitswesens beitragen.

Mmmh, das hatten wir schon! Genau umgekehrt ist es: Die
PKVen sind parasitäre Ausnutzer des Systems, weil sie sich den Kosten der
Solidariität entziehen.

Wolfgang Gerstenhöfer schrieb:
Trotzdem wird der Einsatz der Ärzte vor allem in den Krankenhäusern - unter anderem mit Blick auf mögliche rechtliche Konsequenzen - in erster Linie nach medizinischen Gesichtspunkten geplant, ...

Ja sicher. Aber wie schon dargelegt: Es kommen dann noch andere, ökonomische
Aspekte dazu - und was da wie überwiegt, das kann man manchmal nicht so genau
sagen.

Wolfgang Gerstenhöfer schrieb:
Wenn ich Dich richtig verstanden habe, möchtest Du, daß Privatpatienten nicht mehr für ihre Versorgung bezahlen sollen als Kassenpatienten, ...

Nein nein. Ich möchte nur, dass die ungleiche Bezahlung - die duale Vergütung -
aufhört. Ein neuer, reformierter und für alle gültiger Tarif müsste zwischen
EBM und GOÄ liegen.

Wolfgang Gerstenhöfer schrieb:
... , bei denen Ärzte heute zum Zeitpunkt ihrer Behandlung in der Regel überhaupt nicht wissen, wie viel sie für deren Behandlung bekommen.

Doch, anhand der Gebührenordnung wissen die das ziemlich genau.

Wolfgang Gerstenhöfer schrieb:
Du möchtest aber, daß Menschen mit höherem Einkommen für den gleichen Anspruch auf medizinische Versorgung jeden Monat einen höheren Beitrag bezahlen sollen als Menschen mit geringeren Einkünften. Ist das richtig?

Ich möchte den Sozialausgleich auch schon im Gesundheitssystem implementiert
wissen. Ja.

Also: Keinen Umweg dadurch, dass der soziale Ausgleich durch zusätzliche andere
Transfers zustande kommt, d.h. keine zusätzliche Bürokratie.

Wolfgang Gerstenhöfer schrieb:
Warum sollen sie das tun? Warum soll jemand für die gleichen Leistungen mehr bezahlen als ein anderer? Ist das (sozial) gerecht?

Im Gesundheitssystem: Ja.

Wolfgang Gerstenhöfer schrieb:
In der gesetzlichen Krankenversicherung besteht seit ihrem Entstehen in den 1880er Jahren das Umlageverfahren mit einkommensabhängigen Beiträgen. Warum ist das so?

... (Geschichtliches)

Die Geschichte kenne ich wohl, dennoch halte ich eine Argumentation aus der
Historie heraus für abstrus. Wir leben jetzt und hier, im 21. Jahrhundert in der
postindustriellen Informationsgesellschaft. Da sind Argumente, die anbringen wie
etwas "mal gemeint" war - etwa zu Bismarcks Zeiten - eher kontraproduktiv.

Wolfgang Gerstenhöfer schrieb:
Mir geht es deshalb darum, die Trennung zwischen Privat- und Kassenpatienten zu überwinden, alle Patienten quasi zu Privatpatienten zu machen und die Finanzierung der Krankenversicherung und damit unseres Gesundheitswesens auf eine Grundlage zu stellen, die sowohl dem demographischen Wandel endlich als auch der durchaus nicht unberechtigten Kritik am Kapital- oder Anwartschaftsdeckungsverfahren Rechnung trägt, - und gleichzeitig die Grundrechte aller Betroffenen zu wahren.

Dabei bin ich davon überzeugt, daß die Finanzierbarkeit, aber auch die Qualität nicht ohne Wettbewerb sowohl zwischen den Trägern des Krankenversicherungsschutzes als auch der Erbringer medizinischer Leistungen und nicht ohne Konsumenten- bzw. Patientensouveränität gewährleistet werden kann.

Ja, lieber Wolfgang, da sind wir wohl beim Kern: Du möchtest, dass die GKV
abgeschafft wird und alle Bürger bei den PKVen versichert sind. Das würde
im Prinzip auch die "Duale Vergütung" abschaffen. Insofern wäre das sogar
ein Lösungsweg.

Zusammengefasst schlägst Du vor:

1. Umstellung .. vom Umlage- auf das Kapitaldeckungsverfahren =
Nur noch PKVen. Abschaffung der GKV.

2. Verlagerung des Sozialausgleichs in das Steuersystem =
Steuerermäßigung bzw. Ausgleich bei Geringverdienern.

Richtig?

Grüsse, Syna.




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