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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] Vortrag "Was ist Geld?" am 1.2.2016

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

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Re: [AG-GOuFP] Vortrag "Was ist Geld?" am 1.2.2016


Chronologisch Thread 

Am 19.01.16 um 22:32 schrieb moneymind:
>
> Eine in die richtige Richtung führende Antwort ist, "aus
> Zukunftserwartungen"! In Bezug worauf? Sehr erhellende und etwas
> weiterführende Antworten gibt John R. Commons: Institutional Economics,
> https://books.google.nl/books?id=1wFHlGU70ZAC&printsec=frontcover&hl=de#v=onepage&q&f=false
> im Kapitel IX: "Futurity" (leider nicht viel vom relevanten Text bei
> google books lesbar :-( ).

Da möchte ich doch heftig widersprechen. Keynes war im Innern seines
Herzens doch noch Neoklassiker. Wie kaputt die theoretischen Annahmen
dieses Modell sind, hat

Syll, Lars (2016): Revealed preference and the fundamental flaws of
conventional economics. In: Real-World Economics Review Blog.
Online unter:
https://rwer.wordpress.com/2016/02/01/revealed-preference-and-the-fundamental-flaws-of-conventional-economics/.

neulich in einem Artikel zusammengefasst, den ich hier paraphrasieren
möchte:

Samuelsons Theorie der revealed preference also etwa 'offenbarten
Präferenzen', war der Versuch die Nutzentheorie doch noch irgendwie zu
retten.

Von einem positivistischen Standpunkt sind Erwartungen (Präferenzen oder
wie auch immer man das nennen mag) von Grund auf innerste Ideen und als
solche unbeobachtbar. Daher können sie auch nicht Gegenstand
wissenschaftlicher Theorien sein.

Samuelsons Grundidee war, das beobachtbare Verhalten von Konsumenten zu
untersuchen, in dem sich die individuellen Präferenzen quasi offenbaren.

Ausgehend von einem Konsistenzpostulat das folgendermassen lautet:

Wenn ein Individuum Güterbündel 1 gegenüber Güterbündel 2 vorzieht, dann
wird es nicht gleichzeitig Bündel 2 gegenüber 1 vorziehen.

Zusammen mit der Annahme gegebener Nachfragefunktionen sowie der
Annahme, dass das Einkommen vollständig ausgegeben wird, konnte er die
zentralen Ergebnisse der herkömmlichen Nutzentheorie herleiten. Konkret
sind das folgende mathematische Eigenschaften:
* Eindeutigkeit und Homogenität vom Grade 0 der Nachfragefunktion
* negativ semidefinite Substitutionsmatrix

Später wurde (meines Wissens durch John von Neumann / Oskar Morgenstern)
bewiesen, dass dies nur dann zutrifft, wenn

a) rationales Verhalten beim Konsumenten unterstellt wird und
b) dieser unveränderliche Präferenzen hat, die gewissen Eigenschaften
genügen müssen:

* Vollständigkeit: für zwei beliebige Güterbündel A und B kann der
Konsument entscheiden ob er A gegenüber B vorzieht (also A>B), B über A
(B>A) oder indifferent ist (A~B).
* Transitivität: Wenn A>B und B>C dann A>C
* Nichtsättigungsannahme: Mehr wird immer weniger bevorzugt
* Konvexität: Grenznutzen ist positiv aber fallend mit jeder
zusätzlichen Konsumption eines beliebigen Gutes

Syll zitiert in dem Artikel weitere Kritiker
Wong (2006): 'keine zwei unterschiedlichen Theorien; bestenfalls zwei
unterschiedliche Wege den selben Sachverhalt auszudrücken'
Kornai (1971): 'die Theorie ist leer, tautologisch'
Hicks (1956): 'In der Praxis gibt es keinen Test, die Präferenzhypothese
zu testen'

Reinhard Sippel wies 1997 in einem empirischen Experiment nach, dass
eine nennenswerte Anzahl von Verletzungen der Axiome auftreten und die
Theorie daher von sehr eingeschränktem Wert ist.

Soweit meine Zusammenfassung.

Steve Keen arbeitet die obigen Kritikpunkte sehr detailliert aus und
weist zudem darauf hin, dass das Problem schon für einigermassen
überschaubare Sortimente unter denen der Konsument wählen kann, so
komplex wird, dass es schlichtweg nicht mehr berechenbar ist und daher
schon das Axiom der Vollständigkeit nicht mehr erfüllt ist. Bei
Interesse kann ich Keens Vorlesung gerne auch mal aufbereiten.

Das entscheidende Argument liefert imho aber Hicks, der mit der
Nichtfalsifizierbarkeit die individuellen Erwartungen aus dem Kanon der
Wissenschaftlichleit rauskickt.


ivl1705





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