Zum Inhalt springen.
Sympa Menü

ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] Vortrag "Was ist Geld?" am 1.2.2016

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

Listenarchiv

Re: [AG-GOuFP] Vortrag "Was ist Geld?" am 1.2.2016


Chronologisch Thread 
  • From: Rudolf Müller <muellerrudolf AT on22.de>
  • To: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] Vortrag "Was ist Geld?" am 1.2.2016
  • Date: Sat, 6 Feb 2016 16:23:13 +0100
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>

Hallo Wolfgang,

Deinen Einwand zum Clearing- und Settlement kann ich nachvollziehen und stimme Deiner Sichtweise weitgehend zu.
Bereits auf den Champangemessen im Mittelalter wurde in großem Maßstab zwischen Handelspartnern verrechnet, also außerhalb der Bankenwelt.
Danke auch für Deine Hinweise zu Schacht und Stadermann.

Ein Problem bereitet mir noch folgende Aussage in Stadermanns Zusammenfassung.
Die Euromilliarden gelangen auf die Konten des Finanzministeriums bei der Zentralbank der Schuldnerländer, werden von dort in die Geschäftsbanken übertragen, die ihr Eigenkapital verloren hätten, wenn sie ihre Verbindlichkeiten gegen fremde Banken und Finanzinvestoren beglichen hätten.
Das Zentralbankgeld wird in die Geschäftsbanken übertragen? Hiermit kann wohl nur die Zurverfügungstellung von Zentralbankgeld gemeint sein. Aber, die Athenbank erhält 10 Mio. auf ihrem Zentralbankkonto gutgeschrieben und was steht als Gegenbuchung dort? Sie erhält das Guthaben wohl kaum als Geschenk. ME wird hier zu viel ausgeblendet.

Ein deutscher Investor möchte Bankschuldverschreibungen der Athenbank kaufen. Er besitzt 10 Millionen Guthaben bei der Hamburger Handelsbank. Es stehen mindestens zwei Wege offen.
1.) Kauf über eine griechische Korrespondenzbank, hier direkt die Athenbank.
2.) Kauf über die EZB

Wird der Kauf über Korrespondenzbank abgewickelt, muss die Hamburger Handelsbank einen Kredit bei der Athenbank aufnehmen. Das bei dem Kredit entstehende Bankguthaben wird sodann in eine Bankschuldverschreibungen umgewandelt. Bei der Athenbank entsteht zuerst eine Bilanzverlängerung durch die Kreditaufnahme und anschließend ein Passivtausch. Die Hamburger Handelsbank hat einen Passivtausch vorgenommen. Die vorherige Verbindlichkeit gegenüber dem Investor wurde in eine Verbindlichkeit gegenüber der Athenbank gewandelt.
Der Investor hat hochverzinsliche Bankschuldverschreibungen erworben, die jedoch nicht die höchste Bonität besitzen.

Wie sieht jetzt der Kauf der Bankschuldverschreibung mit Hilfe der Zentralbanken aus? Die Hamburger Handelsbank muss Zentralbankgeld erwerben. Hierzu muss sie sich bei der Deutschen Bundesbank verschulden. Mit dem Zentralbankgeld wird über die griechische Zentralbank die Bankschuldverschreibung der Athenbank erworben. Die Athenbank verkauft der griechischen Zentralbank die Bankschuldverschreibung gegen Zentralbankgeld, welches sie ja selbst schöpfen kann. Die Bankschuldverschreibung wird an den deutschen Investor weitergeleitet. Bei der Hamburger Handelsbank hat wiederum nur ein Passivtausch stattgefunden. Die Verbindlichkeit gegenüber dem Investor wurde in eine Verbindlichkeit gegenüber der Zentralbank gewandelt.
Ein wesentlicher Unterschied für die Hamburger Handelsbank besteht in der Hinterlegung von Sicherheiten. Während sie eventuell für den Investor keine Sicherheit benötigt, wird die Athenbank auf Sicherheiten mittlerer Bonität bestehen. Die Sicherheiten für die Zentralbank müssen hingegen noch strengeren Kriterien genügen. Beim Passivtausch selbst sind die Anforderungen an die jeweiligen Sicherheiten nicht erkennbar.
Die Athenbank besitzt als Aktiva eine Forderung gegen die griechische Zentralbank. Beim Korrespondenzbank-Geschäft war dies eine Forderung an die Hamburger Handelsbank. Bilanztechnisch hat hier eine Bilanzverlängerung stattgefunden.
Zwischen den beiden Abwicklungsvorgängen besteht für die betroffenen Geschäftsbanken kein großer Unterschied.

In Stadermanns Zusammenfassung kann ich jetzt nicht erkennen, was mit dem Geld denn nun gekauft wurde. Habe ich etwas Wichtiges in der Zusammenfassung übersehen?

Beste Grüße
Rudi Müller




Am 05.02.2016 um 20:41 schrieb moneymind:
...........................
So würde ich den Ansatz von Clearing und Settlement z.B. in erster Linie dem Bankbetrieb zuordnen.

Das würde ich eher sagen: Clearing findet auf allen Ebenen statt, auch zwischen Nichtbanken.

Es kann kann auch genutzt werden, um Banken zu umgehen - ob nun von Nichtbanken oder von Staaten.

Banken finanzieren ja gerade diejenigen Restverbindlichkeiten, die zwischen Nichtbanken nicht "gecleart" wurden. In other words, je größere Nettoverbindlichkeiten/Nettoguthaben sich dauerhaft anhäufen, desto mehr haben die Banken zu "finanzieren".

An Dauerschuldnern verdienen Banken recht gut, wenn Dritte die Bürgschaft übernehmen http://www.unser-geld.com/app/download/8886699/Untersicherter+Kredit.pdf (GR z.B.).

Ein anderes Beispiel wäre Hjalmar Schachts bilaterales Clearing http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/jahre-konferenz-von-bretton-woods-als-ueber-die-zukunft-des-geldes-entschieden-wurde-1.2019921-2, der den Ex-/Import mit einer Reihe von Ländern trotz mangelnden Zugangs zu internationalen Zahlungsmitteln (die wurden für die Reparationszahlungen benötigt) ermöglicht hat (Link: Eintrag in der Enzyklopedia of Central Banking https://books.google.de/books?id=6kzfBgAAQBAJ&lpg=PA453&ots=vJFZ-xKqDu&dq=hjalmar%20schacht%20bilaterales%20clearing&hl=de&pg=PA453#v=onepage&q=hjalmar%20schacht%20bilaterales%20clearing&f=false).

Die Schaffung einer globalen Institution hingegen, zur Abwicklung von Zahlungen mit Einbeziehung von Regularien zur Verhinderung größerer Defizite der einzelnen Länder wäre der Politik/Volkswirtschaft zuzurechnen.


Ja - wobei die Frage wäre, welche Jurisdiktion da gelten soll. Internationales Recht gibt es ja nur dem Namen nach, das Definitionsmerkmal der Durchsetzbarkeit durch eine übergeordnete (selbst an Recht gebundene) Zentralinstanz fehlt. Daher benutzt Völkerrecht zwar Rechtsvokabular, da diesem aber der Kick der Durchsetzbarkeit fehlt, hat dieses lediglich eine rhetorische/moralische Wirkung (die nicht gleich Null ist, aber nichts daran ändert, daß wir international eine Hegemonialordnung - mit den USA als wohl schon wankendem Hegemon - und KEINE Rechtsordnung haben). An den USA war ja 1944 auch Keynes' Plan einer internationalen Clearing Union gescheitert (in deutscher Sprache erstmals dokumentiert von Georg Zoche).

Beste Grüße!
Wolfgang





Archiv bereitgestellt durch MHonArc 2.6.19.

Seitenanfang