ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik
Listenarchiv
- From: Gerhard <listmember AT rinnberger.de>
- To: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
- Subject: Re: [AG-GOuFP] Vortrag "Was ist Geld?" am 1.2.2016
- Date: Mon, 1 Feb 2016 11:08:39 +0100
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
- List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>
- Newsgroups: pirates.de.talk.politik.geldordnung-finanzpolitik.ag-bereich
- Organization: Newsserver der Piratenpartei Deutschland - Infos siehe: http://wiki.piratenpartei.de/Syncom/Newsserver
Am 20.01.16 um 19:56 schrieb moneymind:
>> Das verstehe ich nicht.
Das ökonomische Denken ist stark vom methodologischen Individualismus
geprägt. Wie ich neulich schon sagte, steht daher die Person des
Unternehmers im Mittelpunkt der Argumentation. Wichtiger erscheint mir,
die Produktion selbst als zeitintensiven Prozess in den Vordergrund zu
stellen, wie das schon bei den Österreichern zur Geltung kommt.
Geldtheoretisch ist dieser Prozess aber besser durch die Circuitisten
(Nominalism-Credit Ansatz bei Bruun) abgebildet. Im Zeitablauf passieren
auf monetärer Seite folgende Ereignisse:
* Gewährung von Krediten durch Banken an Unternehmen
* Bezahlung der Faktorkosten
* Verkauf der Güter an Haushalte
* Zahlung der Schulden an die Bank
Banken begleiten sozusagen den Produktionsprozess durch ihre
Finanzierung. Die monetäre Sphäre bleibt so schon institutionell von der
Realsphäre getrennt. Im Verbund mit der Zentralbank stellen sie das
Verrechnungssystem einer Volkswirtschaft dar.
Tatsächlich haben wir bis heute keine konzise Zeitpunktsrechnung (vulgo
Bilanz) für eine *gesamte* Volkswirtschaft.
Worin sich Quantumökonomie von den übrigen Circuitisten unterscheidet,
ist die Behandlung der Zeit. Hierfür führen sie den abstrakten Begriff
Kapitalzeit ein, von dem ich vermute, dass er auch ein Maß im Sinne der
Mathematik darstellt.
Bei der Kapitalzeit unterscheiden wir:
Finanzierungskapital: Produktion ist noch nicht abgeschlossen.
Abgeschlossen heisst, Output ist am Gütermarkt abgesetzt und durch
Bezahlung finalisiert.
Fixkapital: Produktion ist abgeschlossen. Volkswirtschaftlich
interessant ist dabei allerdings nur derjenige Anteil des Outputs, der
auf Dauer einer Volkswirtschaft zur Verfügung steht (Stichwort
Investitionen).
Die konsolidierte Bilanz des gesamten Bankensektors stellt den
Vermögenstatus einer gesamten Volkswirtschaft dar.
Quantumökonomen berufen sich bei Ihrem Modell ebenfalls auf Keynes und
zeigen auf, dass sich S=I sehr wohl als Bilanzidentität interpretieren
lässt. Zudem ermöglicht dieses Modell auch eine neue Herangehensweise an
Unsicherheit.
>> 1) Die Kategorie "Umlaufvermögen" enthält ja sowohl
>> Eigentumsrechte (Vorprodukte, Waren zum Verkauf) als auch
>> Forderungen (z.B. Giralguthaben bei GBen, Bargeld, etc.).
Die Produktion ist ja noch nicht abgeschlossen, d.h. Output noch nicht
verkauft und bezahlt. Daher Finanzierungskapital.
>> 2) Was genau meinst Du mit "Kapital"? Die Passivseite oder die
>> Aktivseite? Da geht die übliche Begriffs-Konfusion schon los.
>> Warum nicht einfach klar und einfach die Begriffe so verwenden, wie
>> sie Juristen (BGB) und Kaufleute (Rechnungswesen) verwenden? DAS
>> ist doch ihre Bedeutung in der täglichen Praxis.
Kapitalseite einer Bilanz ist immer die Passivseite. Sorry, da habe ich
vielleicht zuviel Bilanztheorie vorausgesetzt.
>> 3) Falls Du mit "Fixkapital" Eigentumsrechte meinst, mit
>> "Finanzierungskapital" Forderungen: beide gehören zur
>> Nominalsphäre. Real sind nur die Güter, auf die sich die
>> Eigentumsrechte beziehen, aber Güter können nicht in Geldeinheiten
>> gemessen werden, sondern z.B. in Gewichtsmaßen. Güter gehören in
>> die Welt der Technik, des Ingenieurswesens, der Physik etc.
Aus oben Gesagten sollte klar geworden sein, dass wir uns nur in der
Nominalsphäre bewegen, solange wir die Bankenperspektive betrachten.
>> Vermögensrechte gehören in die Welt sozialer
>> Bedeutungszusammenhänge. Ihr quantitativer Aspekt bezieht sich auf
>> Zukunftserwartungen in Bezug auf künftige Vermögenserträge, die
>> sich über ihre Nutzung oder ihren Verkauf möglicherweise erzielt
>> werden können. Erwartungen kann man nicht auf eine Waage legen, mit
>> dem Meterstab abmessen oder in Scheiben zerlegen.
Erwartungen haben in einem Verrechnungssystem nichts zu suchen und
werden auch nicht mehr benötigt!
>>> Solange man eine geschlossene Volkswirtschaft betrachtet, macht
>>> die Unterscheidung zwischen Eigenkapital und Fremdkapital auf
>>> gesamtwirtschaftlicher Ebene keinen Sinn.
>>
>> Ja, wobei gesamtwirtschaftlich dann real nur heißen kann,
>> weltwirtschaftlich, denn praktisch jede "Volks"-Wirtschaft
Nein, als Verrechnungssystem betrachtet, ist ein Land, welches eine
Währung benutzt, die kleinste sinnvolle Einheit.
>> (nationalstaatsbezogen) ist (heute) offen, hat also einen
>> Leistungsbilanzsaldo, der sich mit dem des Rests der Welt zu Null
>> addiert.
Sollte man meinen. Die Weltbank hält ja eine frei zugängliche Datenbank
vor, in der die einzelnen Posten (nicht nur Leistungsbilanz, sondern
auch Kapitalbilanz etc.) sehr detailliert aufgeschlüsselt sind.
Besonders interessant ist dabei der Posten 'net errors and omissions',
die als Residualgröße aus den anderen Posten ermittelt wird. Der IWF
bemerkt dazu in seinem Zahlungsbilanzhandbuch ([1] S. 11): "imbalances
result in practice from imperfections in source data and compilation".
Sieht man sich die Daten genauer an, so fällt auf, dass die Zahlen im
Zeitablauf z.T. erheblich oszillieren und betragsmäßig einen nicht
unerheblichen Prozentsatz des Leistungsbilanzsaldos ausmachen. Für die
USA etwa oszilliert dieser Wert zwischen 2005 und 2012 munter zwischen
-93 Mrd$ und +150Mrd$. Für D wird in 2012 +60 Mrd$ ausgewiesen, während
zwei Jahre zuvor noch -20 Mrd$ zu Buche schlugen. Die Annahme, dass
ausgereifte Volkswirtschaften mit einem ausgeklügelten
Verrechnungssystem derartige Abweichungen nur durch unvollständige
Erfassung und fehlerhafte Übertragung zustande kommen ist ganz einfach
weltfremd.
Eine Alternative Interpretation dieser Zahlen habe ich schon 2012 ins
Wiki gestellt:
<https://wiki.piratenpartei.de/Benutzer:Ivl1705/Internationaler_Zahlungsverkehr#Das_Souver.C3.A4nit.C3.A4tsverschuldungs_Theorem>
Für Griechenland habe ich letztes Jahr noch einmal nachgerechnet. Die
unbegründete Auslandsverschuldung Griechenlands ist von ~130 Mrd$ in
2010 auf ~350 Mrd$ in 2014 gestiegen.
[1] International Monetary Fund (Hg.) (2009): Balance of payments and
international investment position manual. 6th ed. Washington D.C:
International Monetary Fund.
>> Grüße Wolfgang
- Re: [AG-GOuFP] Vortrag "Was ist Geld?" am 1.2.2016, Rudolf Müller, 01.02.2016
- <Mögliche Wiederholung(en)>
- Re: [AG-GOuFP] Vortrag "Was ist Geld?" am 1.2.2016, Gerhard, 01.02.2016
- Re: [AG-GOuFP] Vortrag "Was ist Geld?" am 1.2.2016, moneymind, 10.02.2016
- Re: [AG-GOuFP] Vortrag "Was ist Geld?" am 1.2.2016, Rudolf Müller, 01.02.2016
- Re: [AG-GOuFP] Vortrag "Was ist Geld?" am 1.2.2016, moneymind, 03.02.2016
- Re: [AG-GOuFP] Vortrag "Was ist Geld?" am 1.2.2016, Rudolf Müller, 04.02.2016
- Re: [AG-GOuFP] Vortrag "Was ist Geld?" am 1.2.2016, moneymind, 05.02.2016
- Re: [AG-GOuFP] Vortrag "Was ist Geld?" am 1.2.2016, Rudolf Müller, 06.02.2016
- Re: [AG-GOuFP] Vortrag "Was ist Geld?" am 1.2.2016, moneymind, 10.02.2016
- Re: [AG-GOuFP] Vortrag "Was ist Geld?" am 1.2.2016, Rudolf Müller, 06.02.2016
- Re: [AG-GOuFP] Vortrag "Was ist Geld?" am 1.2.2016, moneymind, 05.02.2016
- Re: [AG-GOuFP] Vortrag "Was ist Geld?" am 1.2.2016, Rudolf Müller, 04.02.2016
- Re: [AG-GOuFP] Vortrag "Was ist Geld?" am 1.2.2016, moneymind, 03.02.2016
- Re: [AG-GOuFP] Vortrag "Was ist Geld?" am 1.2.2016, Rudolf Müller, 02.02.2016
- Re: [AG-GOuFP] Vortrag "Was ist Geld?" am 1.2.2016, Jürgen, 04.02.2016
- Re: [AG-GOuFP] Vortrag "Was ist Geld?" am 1.2.2016, Gerhard, 17.02.2016
Archiv bereitgestellt durch MHonArc 2.6.19.