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Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik
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- From: Arne Pfeilsticker <Arne.Pfeilsticker AT piratenpartei-hessen.de>
- To: moneymind <moneymind AT gmx.de>
- Cc: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
- Subject: Re: [AG-GOuFP] Kapitalismus - Definition für Vision
- Date: Mon, 11 Aug 2014 12:32:58 +0200
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- List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>
Am 11.08.2014 um 00:54 schrieb moneymind <moneymind AT gmx.de>:
Hallo Arne,
nur kurz, auf Deinen anderen Beitrag antworte ich Dir später:was ich suche könnte man die *Axiome* des Kapitalismus nennen.
Darunter verstehe ich möglichst wenige, voneinander unabhängige Aussagen, die den Kapitalismus präzise beschreiben. Jedes Axiom beschreibt einen bestimmten wichtigen Aspekt des Kapitalismus. Man darf bei dieses Axiomen kein Wort oder Axiom weglassen/ändern können, ohne dass etwas fehlt. Und jedes Wort oder jeder Satz den man hinzufügen möchte ist insofern überflüssig, weil sich diese Ergänzung als logischen Konsequenz aus den Axiomen oder Begriffen in den Axiomen ergibt.
Ich würde Dir zustimmen, aber nur in einem eingeschränkten Sinn. Kapitalismus ist kein axiomatisches System.
du lässt dich gerade auf eines meiner Leib und Magen-Themen ein. :=)
Axiomatisierung ist keine Eigenschaft eines Systems, sonder der Theoriebildung über ein System.
Grundsätzlich können alle Theorien axiomatisiert werden, weil Axiomatisierung lediglich eine bestimmte Organisation der Aussagen einer Theorie bedeutet.
Beispiel:
Stell dir eine Liste mit allen wahren Aussagen über den Kapitalismus vor.
Im ersten Schritt der Theoriebildung versucht man durch entsprechende Begriffs- und Prädikatsbildung für gleiche Gruppen von Individualaussagen eine allgemeine Aussage zu bilden.
Aus den individuellen Aussagen:
- VW strebt nach möglichst viel Gewinn.
- Die Deutsche Bank strebt nach möglichst viel Gewinn.
- BASF strebt nach möglichst viel Gewinn.
- und so weiter
wird die allgemeine Aussage: Fast alle Unternehmen streben nach möglichst viel Gewinn.
Gegebenenfalls muss man noch die Gruppe der Unternehmen einschränken, damit die allgemeine Aussage nicht falsch wird. Beispielsweise: Über 90% der Unternehmen streben nach möglichst viel Gewinn oder: Alle börsennotierten Unternehmen streben nach möglichst viel Gewinn.
In meiner Kapitalismusdefinition habe ich diesen Satz verkürzt in: Grenzenloses Gewinnstreben.
Wenn man auf diese Weise die Liste der Aussagen über den Kapitalismus abgearbeitet hat, dann wäre die so eingedampfte Liste eine umfassende Theorie des Kapitalismus.
Unsere Liste bestünde jetzt aus allgemeinen Sätzen und individuellen Aussagen, die sich nicht verallgemeinern lassen.
Bei der Axiomatisierung versucht man jetzt die Aussagen der reduzierten Liste in zwei Gruppen einzuteilen.
Die eine Gruppe besteht aus den Sätzen, die sich nicht logisch aus irgendwelchen anderen Sätzen ableiten lassen. Diese Gruppe nennt man Axiome und müssen bei einer empirischen Theorie empirisch bewiesen werden.
Die zweite Gruppe besteht dann aus den Sätzen, die sich logisch aus einem oder mehreren Axiomen ableiten lassen. Diese Gruppe nennt man die Sätze der Theorie.
Die Axiomatisierung bringt also die Aussagen einer Theorie in einen logisch kausalen Zusammenhang. Nicht mehr und nicht weniger.
Dieses Verfahren ist allgemein und lässt sich auf alle Theorien anwenden.
q.e.d.
Bitte bestätige, ob du mit meinem Einwand gegen deine Aussage „Kapitalismus ist kein axiomatisches System.“ einverstanden bist.
Natürlich bleibt auch bei der axiomatischen Vorgehensweise noch genügend Raum für jede Menge Streit. Beispielsweise könnte man argumentieren, dass die Aussage: „Über 90 % der Unternehmen streben nach möglichst viel Gewinn.“ zwar unstreitig richtig ist, aber sie wird nicht als eine relevante Aussage über den Kapitalismus anerkannt.
Auf diese Weise kann man zu sehr unterschiedlichen Theorien kommen.
Kapitalismus ist aus meiner Sicht etwas, das Menschen machen, die sich in ihrer Geschichte - nämlich zuerst in der griech.-röm. Antike - zur Regelung ihrer Beziehungen untereinander ein axiomatisches System erdacht haben - nämlich das "Recht", dessen axiomatische Ausgangsprinzipien die "Gleichheit" und die "Freiheit" sind. Am klarsten kommt das im Abstraktionsprinzip des römischen Rechts zum Ausdruck.
In other words, Kapitalismus ist ein sozialer Handlungszusammenhang, in dem die Menschen ein (selbst entwickeltes) quasi-axiomatisches Rechtssystem nutzen, um ihre Beziehungen zueinander zu organisieren.
Deshalb kann man wichtige (aber längst nicht alle) Aspekte des Kapitalismus - nämlich die (v.a. zivil)-rechtlichen - und gewisse Handlungsmotivationen, die innerhalb dieser Rechtsstruktur dann für alle Menschen gleichermaßen funktional erscheinen - axiomatisch beschreiben und dabei wichtige Aspekte treffen.
Deshalb kann jedes System, einschließlich des Kapitalismus in soweit beschrieben werden, wie die Sachverhalte einer sprachlichen Formulierung zugänglich sind.
Die historische Entwicklung eines Systems ist unstreitig interessant für das Verständnis eines Systems, aber letztendlich irrelevant für die Bildung einer aktuellen Theorie.
Diese Axiome könnte man auch die Ursachen des Kapitalismus nennen.
Ich würde nicht von "Ursachen", sondern von abstrakten (rechtlichen) KernIDEEN reden (mit Ursache-Wirkungs-Modellen wird in den Sozialwissenschaften unendlich viel grausamer Schindluder getrieben, von "statist. Korrelation = Ursache/Wirkungs-Beziehung" bis "multifaktoriellen Regressionsanalysen“;
Das Verständnis von Ursache und Wirkung ist aus meiner Sicht nicht nur für das Verständnis eines Sachverhaltes wichtig, sondern auch die Grundlage für eine effektive Politik.
Viele Grüße
Arne
Es geht hier um (von Menschen in der Geschichte praktisch handelnd erfundenen und institutionalisierten) Ideen, nach denen Menschen ihre gesellschaftlichen Beziehungen zueinander organisieren.Und wenn man die Ursachen kennt, dann kann man bei Reformvorschlägen an diesen Ursachen ansetzen und vermeidet das Herumdoktern an Symptomen.
Ersetze "Ursachen" durch "Ideen".
Zu Deiner Antwort auf meinen Beitrag später - ich glaube, ich habe mich irgendwie mißverständlich ausgedrückt, denn ich habe das Gefühl, da keiner der Punkte, die ich machen wollte, bei Dir angekommen ist.
Ich glaube, unsere Auffassungen sind weniger konträr als Du meinst - schau vielleicht auch mal in meine Antwort an Piratos rein, da habe ich versucht, zumindest ein Kernmißverständnis auszuräumen bzw. zu klären.
Beste Grüße!
--
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