Zum Inhalt springen.
Sympa Menü

ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] Tilgung durch Inflation

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

Listenarchiv

Re: [AG-GOuFP] Tilgung durch Inflation


Chronologisch Thread 
  • From: Patrik Pekrul <patrik.pekrul AT hotmail.de>
  • To: alex AT twister11.de
  • Cc: "ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de" <ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de>, Alexander Barth <alex.barth AT barth-ic.net>
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] Tilgung durch Inflation
  • Date: Sun, 9 Sep 2012 02:05:54 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>


ich bin müde geworden weiterzudiskutieren.. es geht aktuell nicht voran leider :(


Ich denke, dass wir an einem Henne und Ei Problem sind: Was erzeugt die Notwenigkeit des Bereitschaftsdienstes? Die Geldhaltung oder die Kreditaufnahme? Das trickreiche an der Sache ist, dass beides zwingend gleichzeitig passiert, daher ist die Frage: "Wer ist "schuld" bzw. wer soll dafür bezahlen?" relativ sinnlos.

Ich will das mal so zusammenfassen.

1. Wenn jemand Verbindlichkeiten hat, hat ein anderer Forderungen in gleicher Höhe.
2. Beide entstehen im selben Moment und verschwinden auch im selben Moment
3. Das Schuldverhältnis entsteht nur, wenn beide Seiten es wollen

Jetzt kommen wir zu den grundsätzlichen Unterschieden in den Überlegungen, die ich mal mit plakativen Überschriften versehen will:

1. Der Kreditnehmer ist schuld
Von wenigen existentiellen Fällen abgesehen, ist niemand gezwungen seinen Gegenwartskonsum zu erhöhen; tut es jemand trotzdem, verpflichtet er sich damit in der Zukunft eine Gegenleistung zu erbringen. Dies ist SEINE Präferenz, SEINE Entscheidung; ist der Zeitpunkt und der Empfänger dieser Leistung nicht hinreichend konkretisiert, dann muss der Schuldner grundsätzlich jederzeit mit der Forderung auf Einlösung des Versprechens rechnen, und sich deshalb "in Bereitschaft halten" - er muss also "Bereitschaftsdienst" leisten, aber dies ist sein selbstgewähltes Schicksal. Kreditnehmer und Kreditgeber können sich aber auch darauf einigen, dass der Kreditgeber sein Recht aufgibt, "jederzeit" Erfüllung verlangen zu können, und er erhält als Ausgleich eine Kompensation (z.B. Zinsen). Der Kreditnehmer hat also auf eigenen Wunsch die Notwendigkeit von Bereitschaftsdienst in die Welt gesetzt und muss nun dafür zahlen, wenn er ihn nicht leisten will.

2. Der Kreditgeber ist schuld
In dem Moment der Kreditvergabe hat der Kreditgeber gegenüber dem Kreditnehmer eine Forderung erhalten, die den Kreditnehmer zwingt Bereitschaftsdienst zu leisten. Dieser Zwang wird solange aufrechterhalten, bis der Kreditgeber seine Forderung endlich einlöst. Die Notwenigkeit sich "in Bereitschaft halten" zu müssen ist also ursächlich darauf zurückzuführen, dass der Kreditgeber seine Forderung nicht umgehend geltend macht. Somit zwingt der Kreditgeber den Kreditnehmer dazu untätig zu bleiben, und sollte ihm für die dadurch entstandene Einkommenseinbuße kompensieren. Der Kreditgeber erzwingt also die Notwendigkeit von Bereitschaftsdienst und muss nun dafür zahlen.

3. Beide sind schuld
Wenn man davon ausgeht, dass das Schuldverhältnis auf freiwilliger Basis zustande gekommen ist, dann sind beide auch für die Folgen verantwortlich; der Kreditnehmer muss sich bewusst sein, dass er für seinen erhöhten Gegenwartskonsum in irgendeiner Form in der Zukunft eine Gegenleistung erbringen muss, und es sollte ihm ebenso klar sein, dass der Kreditgeber seine Forderung nicht umgehend einfordern wird, denn der ganze Sinn eines "Schuldgeschäftes" ist es ja grade Leistung und Gegenleistung zeitlich zu trennen - das ist ja GENAU DAS, was beide wollen, der eine will erhöhten Gegenwartskonsum, der andere lieber höheren zukünftigen Konsum; sonst könnten sie ja den Leistungsaustausch auch gleich vornehmen. Da beide also wissen, was sie tun, gestalten sie die Konditionen so, dass es keiner weiteren "Ausgleichszahlungen" bedarf. Es sind also beide gleichermaßen "schuld" und deshalb zahlt keiner.

Wie du siehst, kann man den selben Zusammenhang aus drei verschiedenen Perspektiven betrachten und kommt je nach Betrachtungsweise zu unterschiedlichen Ergebnissen. Du hast dich nun darauf versteift, nur die Perspektive 2. einzunehmen, ich (und wohl der überwiegende Teil der Menschheit) neigen wohl eher der Perspektive 3. zu. Ich denke, dein Ansatz ist etwas "einseitig". Vielleicht "geht es nicht voran", weil du dich strikt weigerst auch die andere Seite zu betrachten.

Oder um es in "Freikarten" auszudrücken: Wenn ich eine Freikarte emittiere, um mir jetzt eine Leistung abzuholen, dann kann ich doch nicht ernsthaft dem anderen einen Vorwurf daraus machen, dass er irgendwann eine Gegenleistung einfordern wird und dies nicht genau jetzt ist. Wenn es mich stört, dass ich nicht weiss, wann diese Gegenleistung erbracht werden wird, dann muss ich es eben hinreichend konkretisieren.

Man kann die Fragestellung vielleicht noch weiter eindampfen: Beinhaltet jedes Leistungsversprechen grundsätzlich das Recht seine Einlösung zu einem beliebigen Zeitpunkt einzufordern oder nicht?

Wenn ja, dann 1. Zins als Kompensation für Freistellung von Bereitschaftsdienst
Wenn nein, dann 2. Kompensation für Bereitschaftsdienst bis zur Einlösung der Forderung
sonst 3. Keine Kompensation für niemand oder alternativ beides. Zum Beispiel in der Form: Zinsen auf der einen Seite und Bruttogeldvermögenssteuer auf der anderen

Diese grundlegende Fragestellung hat relativ wenig mit dem Geldsystem zu tun, sie gilt bei einer einzigen Währung genauso wie bei x parallelen Währungen. Die Frage des "Bereitschaftdienstes" kann man meiner Meinung nach nur durch zeitliche Konkretisierung lösen (Vertragskonditionen); die "Kompensationsvariante" führt nicht weiter, da ein Schuldverhältnis immer aus einer Vereinbarung resultiert, müssen sich die Beteiligten im Idealfall so einigen, dass es über den Vertrag hinaus keiner weiteren Kompensationen bedarf.

Vielleicht ist diese Diskussion fruchtbarer, wenn wir die Themen "Entwurf eines alternativen Geldsystems" und "Kosten der Geldvermögenshaltung" trennen - es mag Schnittmengen geben, aber man darf das erste Thema nicht nur auf das zweite beziehen, und mir scheint, dass du genau das tust.








Archiv bereitgestellt durch MHonArc 2.6.19.

Seitenanfang