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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] Rechtliche Fundamente der Geldordnung & saldenmechanisch fundierte Konjunkturtheorie

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

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Re: [AG-GOuFP] Rechtliche Fundamente der Geldordnung & saldenmechanisch fundierte Konjunkturtheorie


Chronologisch Thread 
  • From: Arne Pfeilsticker <Arne.Pfeilsticker AT piratenpartei-hessen.de>
  • To: moneymind <moneymind AT gmx.de>
  • Cc: "ag-geldordnung-und-finanzpolitik@lists piratenpartei. de" <ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de>, Nicolas Hofer <nicolas.hofer AT gmx.de>
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] Rechtliche Fundamente der Geldordnung & saldenmechanisch fundierte Konjunkturtheorie
  • Date: Mon, 14 May 2018 11:59:52 +0200

Hallo Wolfgang,
ich kam jetzt erst dazu mir dein Vortrag und Präsentation anzusehen. Im Kern
arbeiten wir auf der gleichen „Baustelle“, aber mit zum Teil
unterschiedlichen Sichtweisen auf die Steine, die wir versuchen zu einem
Ganzen zusammenzufügen.


> Am 17.04.2018 um 16:56 schrieb moneymind <moneymind AT gmx.de>:
>
> Hallo zusammen,
>
> vielleicht interessant für einige von Euch: der erste Vortrag unseres
> Seminars an der BI Norwegian Business School in Oslo ist online:
>
> https://www.youtube.com/watch?v=s_dVqEqsFPk&list=PLyRk2yIHSNKl68kve8CufAgNc5cCOvKiy
>
> 4 weitere (Nicolas Hofer, Thomas Weiss, Johannes Schmidt, Geoff Hodgson)
> werden wir in den nächsten Wochen nach und nach online stellen.
>
> Der erste Teil des Vortrags wird Euch im wesentlichen vertraut sein, auch
> durch Arnes unermüdliche Hinweise auf die Rechtsnatur von Kredit und Geld.
> Im Mittelpunkt steht hier die finanzielle Forderung (Buchung &
> Gegenbuchung) und die Herausarbeitung ihrer grundlegenden Rechtsnatur (bei
> Arne kommt u.E. der Blick auf die Desamtstruktur des westl.-europäischen
> Rechtssystems: Privatrecht, ÖffRecht, Verfassungsrecht, etwas zu kurz).
>
> Neu für Euch wird dort bestenfalls der dialektische _Konflikt_ zwischen von
> Staat (ÖffRecht) und Markt (Privatrecht) sein, die historisch zum Hin-und
> Herschwingen des Systems zwischen dem zentralistischen Staats- und dem
> dezentralisierten Marktpol (incl. demokratisierten Herrschaftsformen)
> geführt hat (wir befinden uns derzeit wieder in einem Rückschwingen des
> Pendels zur Staats/Zentralisierungs-Seite, inclusive einer "demokratischen
> Rezession" - seit 2005 geht die Zahl der Demokratien weltweit wieder zurück.

Was dir hier als Gegensatz erscheint, ist aus meiner Sicht nicht wirklich so
gegensätzlich:

Die Vertrags- bzw. Regelbildung im Privatrecht findet zum einen im
rechtlichen Kontext einer Vertragsart statt. Z.B. für Mietverträge besteht
ein anderer Vertragsspielraum als für Verträge beim Kauf von Möbel. Zum
anderen werden innerhalb dieses rechtlichen Rahmens die Verträge zwischen den
Vertragsparteien ausgehandelt; das ist die sog. Vertragsfreiheit. Im
öffentlichen Recht findet die Regelbildung auf gesellschaftlicher Ebene im
Rahmen der Gesetzgebung statt. Danach sollten sich alle - auch der Staat - an
die beschlossenen Gesetze halten.

Wenn aber die Verträge bzw. Gesetze beschlossen und verkündet sind, - dann
ist in beiden Fällen Schluss mit lustig: Der Gläubiger kann fordern und der
Schuldner muss leisten. - Gegebenenfalls kann der Gläubiger seine Forderungen
mit der Macht des Staates durchsetzen. Und genau das könnte man als Zwang
bezeichnen, aber dieser Zwang gilt für das private und öffentliche Recht
gleicher maßen.

Auch kann man die Vertragsfreiheit als „Freiheit“ bezeichnen, wenn man den
Kontext ausblendet. Insbesondere bei Arbeitsverträgen haben die Wenigsten die
Möglichkeit wirklich „frei“ zu handeln, weil sie auf ihr Arbeitseinkommen
angewiesen sind. Und selbst beim Kaufverträgen wird die Vertragsfreiheit
durch intensive Werbung oft zur Farce.

Für mich ist die sog. Vertragsfreiheit in hohem Maße ein ideologischer
Marketingbegriff, weil er eine Mischung aus Freiheit und die Macht des
Stärkeren ist und nicht aus Freiheit und Verantwortung besteht.

Es gibt nichts unfreieres als der sog. freie Markt, weil hier permanent die
wirtschaftlich Stärkeren die Schwächeren über den Tisch zu ziehen und an
rechtliche Ketten zu legen. Die fortschreitende Machtkonzentration in der
Wirtschaft sehe ich als eine Bestätigung. Und interessanter Weise schwindet
mit dieser Konzentration die Dezentralisierung und Unternehmen selbst ins
noch stärker als staatliche Institutionen zentralistische Gebilde.


>
> Die Teile II und III werden ggf. für Euch neue Aspekte eröffnen.
>
> In Teil II geht es um um die unterschiedliche Qualität staatlicher
> Institutionen weltweit und innerhalb Europas/der Eurozone:
> unpersönlich-bürokratisch ("rational") funktionierende vs. nepotistisch,
> klientelistisch, "korrupt" funktionierende neopatrimoniale und schwache
> Staaten.
>
> Teil III zeigt den grundlegenden _Konflikt_ zwischen dem "Prinzip Recht"
> (per staatl. Autorität per Gewaltmonopol durchgesetzt) und dem "Prinzip
> Verwandtschaft/Freundschaft" vs. "Fremde", nach dem Menschen "von Natur
> aus" handeln, wenn staatliche Institutionen nicht existent oder schwach
> sind (Stammesgesellschaften - da kommen wir historisch ja alle her - und
> weak states).
>
> Das Prinzip Recht beurteilt Menschen unpersönlich-bürokratisch nach ihrer
> Leistung, das Prinzip Verwandtschaft/Freundschaft danach, wer wen wie gut
> kennt und daher loyal mit wem handelt. Hier haben wir einige begriffliche
> Grundkonzepte und Anschlußfähigkeit zum Thema: historische und
> vergleichende "Entwicklung von Familienstrukturen" geschaffen - damit
> können wir dann Themen wie demographische Entwicklungen (von extrem hohen
> Kinderzahlen im 19. Jahrhundert zu extrem niedrigen heute),
> Familienzerfall, Geschlechtsrollenaufhebung etc. historisch vergleichend
> und rational angehen. Demographie war ursprünglich Teil der politischen
> Ökonomie, heute ist das nicht mehr der Fall, was die Klarheit des Blicks
> doch sehr trübt.
>
> Der zweite Vortrag von Nicolas Hofer, den wir bald online stellen werden,
> wird genauer auf buchhalterische Kategorien eingehen und -
> BWL-standardmäßig und mit Stützel - 2 Salden (Nettovermögen,
> Nettofinanzvermögen) und 3 Arten von Vermögensflüssen unterscheiden:
>
> - Zahlungsmittelflüsse (Einzahlungen/Auszahlungen)
> - Nettogeldvermögensflüsse (Einnahmen/Ausgaben)

m.E. nicht ganz korrekt: Einnahmen - Ausgaben ist der Zugang an Forderungen
(z.B. gestellte Rechnungen) bzw. Zugang an Verbindlichkeiten (z.B.
Eingangsrechnungen) in einer Periode. Der Saldo nennt sich Einnahmen- bzw.
Ausgabenüberschuss.

Eine Zahlung ist auch ein Geldvermögensfluss, aber eine Zahlung ist nicht
notwendigerweise eine Einnahme bzw. Ausgabe.

> - Nettovermögensflüsse (Erträge/Aufwendungen)

Der Saldo von Erträgen - Aufwendungen nennt ich in der Rechnungslegung Gewinn
bzw. Verlust.

Viele Grüße
Arne

>
> In Vortrag 3 wird Ex-AG-Mitglied Thomas Weiss mit Stützel (und auf
> saldenmechanischer Basis) klarstellen, daß es makroökonomisch auf der Ebene
> der Zahlungsmittelflüsse um Geld-/Liquiditäts- und Zinstheorie, auf der
> Ebene von Nettogeldvermögensflüssen um Leistungsbilanzen und
> Konjunkturtheorie und auf der Ebene von Nettovermögensflüssen um
> Gewinn/Verlustrechnung und BIP-Wachstum geht.
>
> Thomas wird Stützels exzellente Konjunkturtheorie vorstellen, die den
> Streit zwischen Keynesianern ("Nachfragesteuerungsfreaks") und
> Antikeynesianern ("Austeritätsaposteln") überflüssig macht und beide
> Positionen - als nicht allgemein, sondern nur jeweils für unterschiedliche
> historische Sondersituationen innerhalb eines Konjunkturzyklus gültige - in
> einer allgemeinen Konjunkturtheorie aufhebt.
>
> Über Kommentare, Fragen, Anmerkungen usw. freuen wir uns natürlich.
>
> Grüße
> moneymind
>
> --
> Wolfgang Theil
> Co-Founder ANEP Economics e.V.
> Weissdornweg 11
> D-72116 Mössingen
> Phone ++49 (0) 7473 370 601
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>
> --
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