ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik
Listenarchiv
Re: [AG-GOuFP] Rechtliche Fundamente der Geldordnung & saldenmechanisch fundierte Konjunkturtheorie
Chronologisch Thread
- From: Moneymind <moneymind AT gmx.de>
- To: AG Geldordnung Piraten <ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de>
- Subject: Re: [AG-GOuFP] Rechtliche Fundamente der Geldordnung & saldenmechanisch fundierte Konjunkturtheorie
- Date: Fri, 11 May 2018 08:54:14 +0200
Hallo Gerhard,
laß uns mal dranbleiben, ich denke, wir haben nur unnötige Mißverständnisse, die sich mit etwas begrifflicher Präzision rational ausräumen lassen. Zu Deinen Anmerkungen: Am 08.05.2018 um 14:11 schrieb
Gerhard Rinnberger:
Am 27.04.18 um 00:10 schrieb moneymind: 1) der Lohnabhängige erbringt eine Arbeitsleistung und erwirbt dadurch den vertraglich vereinbarten Lohnanspruch. 2) das Unternehmen überweist dem Arbeiter seinen Lohn 3 000 €, indem es sein Bankkonto mit Kto. Stand 0 um 3 000 € überzieht. Um einen Lohn zahlen zu können, muss dem Unternehmen aber vorher ein Kredit von 3000 € eingeräumt werden.Der Arbeitnehmer gibt dem Unternehmen quasi Lieferantenkredit: Lieferung der Arbeitsleistung vorab, Bezahlung später. Der Arbeitnehmer geht in Vorleistung. Wie, wenn Du bei einem Versandhandel auf Rechnung kaufst, oder wie bei Business-to-Business-Credit (wichtigste Finanzierungsquelle für kleine und mittlere Unternehmen, v.a. im Handel). Buchungen: Unternehmen aktiv...................................................passiv ........................................................+ Verbindlichkeit ggü. Bank 3 000 € Als Buchungssatz richtig. Die Unternehmensbilanz ist jedoch unvollständig. Auf der Aktivseite muss jetzt der Output als 'Lagerbestand' verbucht werden.Ja, das war eine ausschnitthafte Betrachtung. Für ein vollständiges Kreislaufmodell müßte man mit vollständigen Bilanzen arbeiten und nicht nur ausschnitthaft Stromgrößen darstellen. Auch mit dem Lagerbestand wäre die Bilanz noch unvollständig, da das Unternehmen ja auch Rohstoffe und Vorprodukte - nicht nur die Arbeitsleistung - auf Kredit gekauft hat (ob auf Lieferantenkredit oder vermittelt über ein Bankdarlehen, wobei die Bank dann als Intermediär fungiert, ist zweitrangig). Mein Punkt war der, daß der Kredit nicht von der Bank, sondern vom Arbeitnehmer kommt und die Bank (bzw. das Bankensystem als Ganzes) dabei lediglich als Intermediär und Verrechnungssystem fungiert. I Der Arbeitnehmer geht in Vorleistung wie ein Handwerker, der dir deine Heizung repariert und zwei Wochen später die Rechnung schickt, auf der er geleistete Arbeitsstunden mit einem Stundensatz berechnet. Wie der Arbeitnehmer kann der Handwerker seine Dienstleistung nicht als Aktivum verbuchen. Dienstleistungen werden im Moment ihres Erstellens vom Empfänger konsumiert. Dennoch entsteht dabei eine Forderung des Dienstleisters. Bank aktiv...................................................passiv + Forderung ggü. Unternehm. 3 000 € ..... + Verbindl. ggü. Lohnabh. 3 000 € Lohnabhängiger: aktiv...................................................passiv + Forderung ggü Bank 3 000 € Auch hier ist die Bilanz unvollständig. Auf der Passivseite hat der Lohnabhängige ein Eigenkapital in Höhe von 3 000 €. Das ist aber volkswirtschaftlich Einkommen! Ja, stimmt: korrekt wäre: Lohnabhängiger: aktiv...................................................passiv + Forderung ggü Bank 3 000 €...........................+ 3 000 EKWas aber tatsächlich fehlt, ist, was auch standarmäßig nicht gebucht wird. Könnte der Lohnabhängige die Arbeitsleistung, die er dem Unternehmer im Voraus erbringt, als Vermögensgegenstand (wie eine Ware, d.h. wie Eigentum) bilanzieren, sähe das so aus: Lohnabhängiger aktiv...................................................passivArbeitsleistung 3 000 € ............................................................... EK 3 000 € Das Nettovermögen des Lohnabhängigen bestünde in seiner noch nicht verausgabten Arbeitsleistung. Bekanntlich jedoch bilanzieren LA nicht und müssen es auch nicht. Auch Dienstleister aktivieren ihre nicht verausgabte Arbeitsleistung nicht - wann und in welcher Höhe sollten denn z.B. ein Friseur "noch nicht geleistete Haarschnitte" verbuchen? Jetzt verausgabt der Lohnabhängige seine Arbeitsleistung: Lohnabhängiger: aktiv...................................................passiv- Arbeitsleistung 3 000 € + Forderung ggü Unternehmer 3 000 € Für den Unternehmer: aktiv...................................................passiv+ Arbeitsleistung (in Fertigprodukten) 3 000 € ............................ + 3 000 € Verbindl. ggü. LA Nun zahlt der Unternehmer den Lohn aus, indem er sein Bankkonto überzieht: Unternehmer aktiv...................................................passiv..................................................................................................... - 3 000 € Verbindl. ggü. LA ..................................................................................................... + 3 000 € Verbindl. ggü. Bank Lohnabhängiger aktiv...................................................passiv- Forderung ggü. Unternehmer 3 000 € + Forderung ggü. Bank 3 000 € Der LA ist nun in einer Nettoforderungsposition gegenüber dem Rest der Welt, hat damit Ansprüche auf Sachvermögen & Dienstleistungen des Rests d. Welt im Wert von 3 000 €. Bank aktiv...................................................passiv+ Forderung ggü. Unternehmer 3 000 €.......................................+Verbindl. ggü. Lohnabhängiger 3 000 € Wie genau definierst Du "Einkommen" volkswirtschaftlich, bezogen auf die aggregierte Gesamtbilanz der Volkswirtschaft, in Begriffen der Veränderung von Sach-, Nettogeldvermögen und Nettovermögen? Wie definierst du es einzelwirtschaftlich in Bilanzkategorien? Das Unternehmen ist jetzt netto gegenüber dem Lohnabhängigen mit 3 000 € verschuldet. Nein, eben nicht. Vom Lohnabhängigen hat er ja im Gegenzug die erbrachte Leistung bekommen. Netto verschuldet ist er gegenüber der Bank, weil sein ursprünglich mit der Kreditzusage angelegtes Depot nun aufgebraucht ist. Natürlich, direkt ist das Unternehmen bei der Bank verschuldet. Die Bank schuldet dem Lohnabhängigen (Sichtguthaben) und fungiert daher als Intermediär in der Gläubiger-Schuldner-Kette Lohnabhängiger - Bank - Unternehmen. Siehe oben. Der Unternehmer ist netto ggü. dem Lohnabhängigen verschuldet. Die Bank als Intermediär und das Finanzsystem insgesamt sorgt allerdings dafür, daß die Nettoverschuldung des Unternehmers und die dem gegenüberstehende Nettoforderungsposition des LA zu Netto-Ansprüchen auf oder Netto-Verbindlichkeiten über Sachvermögen gegenüber dem Rest der Welt werden. Das Finanzsystem fungiert als multilaterales Verrechnungs-/Clearingsystem. Also nochmal: indem der Lohnabhängige eine Arbeitsleistung erbringt, erwirbt er einen Anspruch auf Sachvermögen/Dienstleistungen des Rests der Welt in Form einer in Geld denominierten Forderung. Er wird Nettogläubiger des Rests der Welt. Seine Forderungen sind gleich null, seine Verbindlichkeiten 2 000 €, ergibt ein negatives Nettogeldvermögen von 3 000 €. Ein großes Problem scheint bei Stützel zu sein, dass er sofort saldiert.Da muß ich nachfragen, weil ich nicht recht verstehe, was genau du meinst: daß er was genau sofort saldiert, und inwiefern ist das "ein großes Problem" für dich? Die Bank ist netto _nicht_ verschuldet (ihre Forderungen entsprechen ihren Verbindlichkeiten, ihr Nettogeldvermögen ist gleich Null). Und da liegt der Trugschluss. Die Verbindlichkeit gegenüber dem Lohnabhängigen bleibt natürlich weiterhin bestehen.Natürlich bleibt die bestehen. Genau deswegen ändert sich ja ihr NETTOgeldvermögen (Forderungen minus Verbindlichkeiten) nicht. Ihr Forderungsbestand hat um die Forderung ggü. dem Unternehmer zugenommen, ihr Bestand an Verbindlichkeiten um die gleich hohe Verbindlichkeit ggü. dem Lohnabhängigen. Weder ihr Nettogeldvermögen noch ihr Nettovermögen wurden durch diese Bilanzverlängerung verändert. Ich glaube, Du verstehst den Begriff "Nettogeldvermögen" noch nicht. Der bezeichnet einen Saldo: Zahlungsmittelbestand plus sonstige Forderungen minus Verbindlichkeiten eines Wi-Subjekts. Da heute praktisch alle Zahlungsmittel Forderungen darstellen, kann man vereinfacht sagen: Forderungen minus Verbindlichkeiten. Das ist ein Standard-BWL-Begriff, der auch für Makro-Kreislaufmodelle unverzichtbar ist. https://de.wikipedia.org/wiki/Geldverm%C3%B6gen Erst wenn man die Bank in einen separaten Verrechnungskreis auslagert, stimmt die Aussage, dass das Nettogeldvermögen gesamtwirtschaftlich unverändert geblieben ist.Da hast Du einen Denkfehler drin, der vermutlich darin liegt, daß Du Nettogeldvermögen nicht korrekt definierst. Was genau verstehst Du unter Nettogeldvermögen? Was meinst Du mit "die Bank in einen separaten Verrechnungskreis auslagern"? Bitte stelle das mit Bilanzen dar. Das Nettogeldvermögen einer geschlossenen Gesamtwirtschaft ist IMMER gleich Null (sofern ausschließlich Kreditzahlungsmittel genutzt werden). Das Problem liegt tatsächlich darin, dass Stützel noch gedanklich in einer Tauschökonomie gefangen ist.Nein, Du hast Stützel nur noch nicht verstanden. Stützels Modell zeigt gerade, wie sich Kredit- und Geldwirtschaft präzise modellieren läßt, und daß der Fall einer "Tauschwirtschaft" hier den möglichen, aber unwahrscheinlichen Sonderfall beschreibt, in dem sich bei allen Wirtschaftssubjekten Einnahmen und Ausgaben (Änderungen des Nettogeldvermögens) und Einzahlungen/Auszahlungen (Änderungen des Zahlungsmittelbestands) genau entsprechen (er nennt dies den "Gleichschritt"-Fall). In diesem Fall, den Walras völlig irreal einfach unterstellt, fungiert Geld tatsächlich nur noch als "Numéraire", da alle Wi-Subjekte ihre Forderungen und Verbindlichkeiten multilateral verrechnen können und allen ein Geldvermögens-Restsaldo von Null verbleibt. Es ist genau dieses Konzept des Gleichschritts vs. Abwesenheit von Gleichschritt, das spezifisch für Stützel ist und das es sonst so nirgends gibt. Geld ist immer nur ein Medium zur Ermöglichungen von Abweichungen vom Gleichschritt. Gleichschritt würde im obigen Beispiel: Unternehmen und Arbeiter - dann herrschen, wenn der Arbeiter innerhalb einer Periode den für sein als Lohn erhaltenes Guthaben (Forderung) wieder vollständig ausgeben würde, um beim Unternehmer Güter oder Dienstleistungen zu kaufen. Hielte der Lohnabhängige eine Forderung direkt gegen das Unternehmen, würde sich das so darstellen: Lohnabhängiger: aktiv.......................................................................................passiv + Waren - Forderung an Unternehmen (Aktivtausch) Unternehmen: aktiv.......................................................................................passiv - Waren........................................................................- Lohnverbindlichkeit ggü. Lohnabhängigem (Bilanzverkürzung) Hielte der LA seine Forderung vermittelt übers Bankensystem, würde es sich so darstellen: Lohnabhängiger: aktiv.......................................................................................passiv + Waren - Forderung an Bank (Aktivtausch: Leistungstransaktion, vermindert Nettogeldvermögen) Bankensystem: aktiv.......................................................................................passiv - Forderung an Unternehmen ........................................... - Verbindlichkeit ggü. Lohnabh. (Bilanzverkürzung; reine Finanztransaktion, läßt Nettogeldvermögen unverändert) Unternehmen: aktiv.......................................................................................passiv - Waren........................................................................- Verbindlichkeit ggü. Bank (Bilanzverkürzung; Leistungstransaktion, vermehrt Geldvermögen) Ich zitiere mal, um das etwas auszuführen und hoffe, daß dir das Appetit macht. Stützel schreibt über das Walras-Modell, das Gleichschritt unterstellt und damit unrealistisch eine "Güter-Tauschwirtschaft" beschreibt, in der Kredit und Geld keine Rolle spielen: „Es kann ... in solchem Modell von „Beständen“ an Forderungen, Zahlungsmitteln usw. völlig abstrahiert werden. Geld wird hier zum bloßen Numéraire (Walras).“ (Paradoxa ... , S. 69)
An diesem Widerspruch krankt die theoretische Nationalökonomie dieser Tradition bis zu heutigen Tage! Geld in jeder Form ist immer Medium zur Ermöglichung von Abweichungseffekten. Es ist also kein Wunder, daß von preistheoretischen Modellen, die von jeglichen Abweichungseffekten abstrahieren (Gleichschrittmodellen) aus kein Anschluß an die Theorie des Mediums zur Ermöglichung von Abweichungseffekten hergestellt werden kann. (...) In all dem zeigt sich das Erbe der verhängnisvollen Walrasianischen Problemverschlingungen. Die Geldtheorie hat natürlich von Ungleichschrittmodellen auszugehen. (...) “ (Paradoxa ..., S. 180) Genau das tut Stützel, und zwar präzise und schlüssig, indem er die Zweiteilung des Objekts der Geldtheorie einführt. Mit dem Gleichschritt- vs. Ungleichschritt-Konzept - ein Kernkonzept der Saldenmechanik - schlägt er das dritte Kapitel in der Entwicklung der Geld- und Kredittheorie auf.Wenn die wesentliche Unterscheidung, Banken als reine Treuhänder getrennt zu betrachten, nicht vorgenommen wird, funktioniert auch die Intermediation nicht.Was genau meinst Du mit "reine Treuhänder"? Bitte stelle dies genau dar. Die Finanz-Dinge lassen sich präzise und trivial klären, sobald man sie korrekt auf Bilanzen (die auch Sachvermögen beinhalten) und praktische Buchungsvorgänge zurückführt. Ich denke, wir haben nur im Grunde überflüssige Mißverständnisse, die sich durch präzise Klärungen rational ausräumen lassen, wenn wir dranbleiben. Letztlich sind die Zusammenhänge einfach, klar und trivial. gerhardGrüße, Wolfgang |
- Re: [AG-GOuFP] Rechtliche Fundamente der Geldordnung & saldenmechanisch fundierte Konjunkturtheorie, Gerhard Rinnberger, 02.05.2018
- <Mögliche Wiederholung(en)>
- Re: [AG-GOuFP] Rechtliche Fundamente der Geldordnung & saldenmechanisch fundierte Konjunkturtheorie, moneymind, 05.05.2018
- Re: [AG-GOuFP] Rechtliche Fundamente der Geldordnung & saldenmechanisch fundierte Konjunkturtheorie, Gerhard Rinnberger, 08.05.2018
- Re: [AG-GOuFP] Rechtliche Fundamente der Geldordnung & saldenmechanisch fundierte Konjunkturtheorie, Moneymind, 11.05.2018
- Re: [AG-GOuFP] Rechtliche Fundamente der Geldordnung & saldenmechanisch fundierte Konjunkturtheorie, moneymind, 11.05.2018
- Re: [AG-GOuFP] Johannes Schmidt zu Stützels Konjunkturtheorie, moneymind, 13.05.2018
- Re: [AG-GOuFP] Rechtliche Fundamente der Geldordnung & saldenmechanisch fundierte Konjunkturtheorie, Gerhard Rinnberger, 12.05.2018
- Re: [AG-GOuFP] "absoluter Tausch", was: rechtliche ..., moneymind, 13.05.2018
- Re: [AG-GOuFP] Saldenmechanik, moneymind, 13.05.2018
- Re: [AG-GOuFP] "absoluter Tausch", was: rechtliche ..., moneymind, 13.05.2018
- Re: [AG-GOuFP] Rechtliche Fundamente der Geldordnung & saldenmechanisch fundierte Konjunkturtheorie, moneymind, 13.05.2018
- Re: [AG-GOuFP] Rechtliche Fundamente der Geldordnung & saldenmechanisch fundierte Konjunkturtheorie, Arne Pfeilsticker, 14.05.2018
- Nachricht nicht verfügbar
- Nachricht nicht verfügbar
- Re: [AG-GOuFP] Rechtliche Fundamente der Geldordnung & saldenmechanisch fundierte Konjunkturtheorie, Moneymind, 15.05.2018
- Nachricht nicht verfügbar
- Nachricht nicht verfügbar
- Nachricht nicht verfügbar
- Nachricht nicht verfügbar
- Nachricht nicht verfügbar
- Re: [AG-GOuFP] Rechtliche Fundamente der Geldordnung & saldenmechanisch fundierte Konjunkturtheorie, Moneymind, 15.05.2018
Archiv bereitgestellt durch MHonArc 2.6.19.