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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] Wie entsteht Vermögen?

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

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Re: [AG-GOuFP] Wie entsteht Vermögen?


Chronologisch Thread 
  • From: Comenius <comenius2000 AT gmail.com>
  • To: Christoph Mayer <CU_Mayer AT Menschen-gerechte-Gesellschaft.de>
  • Cc: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] Wie entsteht Vermögen?
  • Date: Wed, 23 Sep 2015 08:32:37 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>

Am 22.09.2015 um 20:41 schrieb Christoph Mayer:
Am 22.09.2015 um 19:49 schrieb Amos Comenius <comenius2000 AT gmail.com>:

Ich versuche zu verstehen:
Du sagst, die Tatsache dass die Arbeitsleistenden kein Eigentum am
Betrieb haben, liegt daran, dass das Geld in den Banken oder bei der
Zentralbank produziert wird ??? Da fehlt mir jede Idee, was einen
solchen Zusammenhang wenigstens plausibel machen könnte.
Das ist der Punkt, wo’s meistens „aushakt“, weil diese Erkenntnis fast
nirgendwo annähernd durchgesickert ist.
Vielleicht schrittweise:

1. Wegen der Sparlücke, wegen Horten von Geld und wegen
Produktivitätswachstum muss die Geldmenge jährlich wachsen (oder die
Umlaufgeschwindigkeit, was aber unrealistisch ist).
2. Eine höhere Geldmenge ist durch Waren und Sachwerte gedeckt, weil mehr
hergestellt wird, es ist also in Ordnung die Geldmenge zu erhöhen.
3. Diese Deckung wird durch Wertschöpfung geschaffen. Gäbe es eine höhere
Geldmenge und keine Wertschöpfung, dann würde der Geldwert implizit sinken.
Beachten: Inflation ist damit nicht gemeint, denn die ist als Preis eines
bestimmten Warenkorbs definiert. Hier ist die Deckung des gesamten
Geldvermögens durch real Kaufbares gemeint.
Wie du praktisch feststellen willst, wieviel "real Kaufbares" es gibt, und ob das "gehortete" Geld auch neu gedruckt werden soll und einige weitere Ungereimtheiten sind mir zwar schleierhaft, aber sei's drum. Jedenfalls willst du, dass der Staat soviel frisches Geld druckt, dass es weder zur Deflation noch zur Geldentwertung kommt. Das ist doch erstmal - wir wollen ja konsensorientiert arbeiten - ein akzeptabler Vorschlag.
4. Würde neues Geld da entstehen, wo die Wertschöpfung entsteht, dann würde auch
Wohlstand und Eigentum da entstehen, wo die Wertschöpfung entsteht. Konkret kann
man das vereinfacht gesagt so machen, dass die Zentralbank so viel neues Geld an
Unternehmen, Selbstständige usw. herausgibt, wie in diesem Jahr an neuer
Wertschöpfung geschaffen wurde. Dieses Geld würde vom Unternehmen
realwirtschaftlich investiert werden und würde einen großen Teil der Kredite
ersetzen -> Genereller Mangel im System beseitigt, Schuldenaufbau gestoppt.
Gleichzeitig würden die Mitarbeiter für diesen Betrag Eigentum am Unternehmen
erwerben. Sprich: das Eigentum an dem neuen Geld wird denen gegeben, die es
erarbeitet haben.
Wer hätte gedacht, dass unser Christoph so ganz klammheimlich die Produktionsmittel in das Eigentum der arbeitenden Klassen überführen will? ;-) Aber im Ernst:

Der Vorschlag ist mir ja irgendwie sympatisch, wirft aber doch einige Fragen auf:
1. Was passiert, wenn alle Kredite durch Unternehmensbeteiligungen der Arbeitnehmer abgelöst sind? Die Wertschöpfung hört dann ja nicht auf. Muss der Unternehmer dann weitere Firmenanteile an den Staat verkaufen, der sie dann an die Arbeitsleistenden weiter gibt? Wird er das wollen?
2. Wird der Unternehmer das überhaupt wollen, dass er für frisches Geld immer Unternehmensbeteiligungen und damit Gewinnanteile abgeben muss? Wird er dann nicht doch lieber Zinsen zahlen und die Kontrolle über das Unternehmen behalten, bevor er sich ausgerechnet von seinen Arbeitnehmern in die unternehmerischen Entscheidungen reinreden lässt? Also entsteht
3. die Frage: Willst du den Unternehmern diese Beteiligungen aufzwingen? Falls nicht: Warum sollte es dann funktionieren?
So hat der Unternehmer einen unverminderten „Unternehmerlohn“, die Wirtschaft
reduziert ihre Schulden und die Mitarbeiter werden im Verlauf der Zeit immer
mehr zu Miteigentümern und Mitverdienern bei Unternehmenswert und
Ausschüttungen.
Damit wird der Konkurrenzkampf Arbeitslohn gegen Kapitallohn irgendwann
hinfällig und zu einem gemeinsamen Interesse.
Na ja, irgendwann würden die Anteile der Arbeitsleistenden die 50% übersteigen und die Unternehmer wären entmachtet. Wir hätten also ein völlig neues Wirtschaftssystem, was natürlich auch völlig neue Fragen aufwerfen würde.

Ein neues Geldsystem bräuchte man dafür aber eigentlich nicht. Die EZB könnte im bestehenden Geldsystem die Aufgabe übernehmen mit vorsichtig neu emittiertem Geld Unternehmensanteile für die Arbeitsleistenden zu kaufen, so dass die Unternehmer ihre Kredite ablösen könnten (Geldvernichtung), was wiederum Spielraum für weitere Geldschöpfung durch die Zentralbank gäbe.

Wie gesagt, ein sympatischer Gedanke. Aber jeder Politiker, der ihn ernsthaft umsetzen wollte, würde von den Herrschenden natürlich sofort als "Kommunist" erkannt und entsprechend bekämpft.

Ahoi,
Comenius
5. Einem Aufbau von ungedecktem Geldvermögen aus dem Ansparen dieses Geldes
würde man, wenn nötig durch Gebühr auf Geldvermögen oder Vermögenssteuer
entgegenwirken. Alternativ würde man einfach Inflation als implizite
Entwertung des Vermögens verwenden, das einen Anreiz bietet, das Geld lieber
für Konsum auszugeben oder um ein Haus zu bauen.
6. Ist die Handbremse Schuldgeld in der Wirtschaft gelöst, muss man jedoch
noch dafür sorgen, dass real knappes Gut teuer ist, z.B. Rohstoffe wie Erdöl.
Denn ein sinnvolles System soll zu mehr Wertschöpfung, nicht aber zu mehr
Ausbeutung der Natur führen.

Vielleicht steckt da ja wieder deine Annahme drin, dass die Unternehmer
den Arbeitern mehr zahlen würden, wenn sie nicht so viel Zinsen zahlen
müssten. Aber auch für diese These gibt es keinerlei Plausibilität.
Solches widerspräche der unternehmerischen Vernunft und jeder Erfahrung.
Solange die Arbeitenden nicht aufmucken, gehen die ersparten Zinsen
natürlich erstmal in den Gewinn.
Zinsen gehen in realwirtschaftlichen Unternehmen fast immer zu anderen
Wirtschaftsteilnehmern, einen erheblichen Teil der Gesamtschulden tragen
Unternehmen. Viel davon ist in anderen Zahlungen versteckt, z.B. Pacht, wobei
wir wieder bei Grund und Immobilien sind.

Ergo sind die Ursachen zwar mannigfaltig, jedoch ließe sich mit Regeländerungen im
Geldsystem viele Dinge im Kern korrigieren, ohne dass man Menschen etwas wegnehmen
muss (siehe Vermögenssteuer, Vermögensbegrenzung würde da zur „Kapitalflucht"
führen, wo dies möglich ist und würde sehr viele rigide Gesetze erfordern, die an
allen Ecken und Enden gegen internationale Verträge verstoßen würden).
Ja, das macht natürlich den Gedanken sehr charmant und reizvoll. Wenn da
nicht das kleine Problem wäre, dass es nicht fuktionieren kann. Schon
theoretisch nicht, s.o. und die praktische Umsetzung würde natürlich
auch auf den erbitterten Widerstand der Vermögenden treffen.
Denke ich nicht. Nämlich dann nicht, wenn man eben nichts wegnimmt sondern
bei den Arbeitsleistenden hinzugibt.
Tut man das, floriert die Wirtschaft mehr als in den Ländern, in denen große
Bevölkerungsschichten kein Geld für Konsum haben.
Wer will in einer so florierenden Wirtschaft nicht investiert sein?
Diejenigen, die auf Macht aus sind, werden natürlich Widerstand leisten,
keine Frage. Aber sie sind in der Minderheit. Da kommt es wieder darauf an,
wer die Meinungshoheit gewinnt, und da sind derzeit noch die von jenen
Kreisen bezahlten pseudowissenschaftlichen Thinktanks im Vorteil.

Denn im Ergebnis sollen die Kleinen mehr haben, was unweigerlich dazu führen
würde, dass die Vermögenden weniger bekommen.
Nicht wirklich. Denn in diesem System gibt es mehr Wertschöpfung, also mehr
zu verteilen. Wie schon Ludwig Erhard sagte, man muss die Priorität auf das
Backen des Kuchens legen, dann gibt es für jeden groß genuge Stücke zum
Verteilen. Und faktisch sind wir doch da schon längst, wir müssen wieder da
hin kommen, dass wir Arbeit da hin lenken, wo sie nicht zu sinnloser
Überproduktion führt, z.B. in Alten- und Krankenpflege.

Also wird auch deine
Geldsystemreform damit konfrontiert werden, dass sie auch dir ihre
"Folterinstrumente zeigen", heißen sie nun Kapitalflucht,
Freihandelsabkommen oder wie auch immer.
s.o., warum sollte jemand sein Kapital aus einem System abziehen, das keine
Wirtschaftskrise mehr kennt und stärker floriert, als jedes andere?
Parallel schafft sich das System implizit Kapital und ist immer weniger von
Fremdkapital abhängig. Das ist doch gerade die Crux, wenn man das
Schuldgeldsystem durch ein Kaufkraftsystem ersetzt.

Es entsteht Eigentum im Unternehmen und es braucht nicht um die Gunst
sogenannter Geldgeber zu buhlen.
Geldgeber ist sowieso ein falscher Begriff, denn Geldgeber ziehen immer mehr
Geld ab, als sie geben, sonst könnten sie ja in kürzester Zeit kein Geld mehr
geben!

Es sei denn, sie sehen, dass die von dir versprochenen Wirkungen
zugunsten der Arbeitenden gar nicht eintreten können. Dann würden sie
vielleicht sogar auf diesen Zug aufspringen, z.B. um eine drohende
Vermögenssteuer zu verhindern.
Wenn man für Inflation sorgt, kann man dadurch eine Vermögenssteuer ersetzen.
Und wer nicht am System teilnimmt, der bekommt auch keine Zahlungen. Nach dem
Krieg hat die Mehrheit verstanden, dass die Wirtschaft für reale
Wertschöpfung da ist und da ihr Fokus liegen muss.

Die Lohnfrage, die Einkommensverteilung ist und bleibt eine Machtfrage.
Dieser Realität müssen wir uns stellen.
Da stimme ich zu, für eine Systemänderung zugunsten der Arbeit muss auch das
entsprechende Bewusstsein geschaffen sein. Letzlich hätte jeder was davon,
aber das muss erst einmal verstanden werden.
Die Extreme sind in Südafrika deutlich: Einige Reiche, die in militärisch
geschützten Anwesen leben und mit gepanzerten Fahrzeugen zu ihrer Arbeit
fahren stehen einem Heer von Armen gegenüber, die langsam ihre Skrupel
verloren haben, sich kriminell ihren Anteil zu holen. Ist das schön für
jemand, der reich ist? Oder ist es schön, wenn jeder wie ein Zombie
dahinwandelt und es keine Kreativität, Kunst, fröhliche Menschen mehr gibt?
Auch das muss man allerdings erst einmal begreifen...

P.S. ein Modell für die Vermögensbegrenzung gibt es schon länger, auch das
habe ich schon 2011 vermittelt, nämlich von Harald Wozniewski. Im Gegensatz
zu dem, was ein Rudi hier vorschlägt ist dieses Modell wenigstens
einigermaßen praktikabel durchdacht und juristisch geprüft.
http://www.meudalismus.dr-wo.de/html/buch.htm Ich halte diese Lösung jedoch
trotzdem im Gesamten für wenig sinnvoll und auch für noch wesentlich schwerer
durchzusetzen als z.B. eine Vermögenssteuer.
Die letzte Aussage gilt auch für jede gravierende Änderung des
Geldsystems, die mit Nachteilen für die Vermögenden verbunden ist. Aber
das sei hier nur am Rande vermerkt.
Wie gesagt, das hängt von der angestrebten Maßnahme ab, ich würde das nicht
pauschal sagen.

Ahoi,
Comenius


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