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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] Ein basisinformativer Artikel, Geldmultiplikatormodell

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

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Re: [AG-GOuFP] Ein basisinformativer Artikel, Geldmultiplikatormodell


Chronologisch Thread 
  • From: Rudolf Müller <muellerrudolf AT on22.de>
  • To: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] Ein basisinformativer Artikel, Geldmultiplikatormodell
  • Date: Sun, 14 Dec 2014 20:20:52 +0100
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>

Hallo Marco,

zu Deinen Ausführungen habe ich noch einige Fragen, siehe weiter unten im Text.
Das Multiplikatormodell im Piratenwiki ist dort eingestellt, um den "Unsinn" dieses Modells zu verdeutlichen und die Argumente hierzu auch nachvollziehen zu können. Habe versucht, dies sachlich darzustellen.

Am 14.12.2014 um 09:46 schrieb Marco Schmidt:
Re: [AG-GOuFP] Ein basisinformativer Artikel, Geldmultiplikatormodell Hallo Rudi,

das Multiplikatormodell 
http://wiki.piratenpartei.de/AG_Geldordnung_und_Finanzpolitik/Multiplikatormodell wird deswegen so gerne herangezogen, da es den Verleihcharakter im Bankwesen stützt.
Die Randbedingungen werden einem schnell klar, wenn man das mal mit Bestands- und Stromgrößenrechnung analysiert:

Frei übersetzt geht das Spiel so: Jemand drückt Dir 1.000€ in die Hand und sagt: “Du und alle nachfolgenden Handelspartner müssen alles ausgeben, aber 10% “Reserve” gehen bei jeder Transaktion an die Bank.” Man könnte auch sagen, der Steuersatz bei jeder Transaktion liegt bei 10%. Dann mal los:
  • Schritt 1: 1.000€ werden ausgegeben, 900 davon kommen effektiv bei jemand anderem an, 100 bekommt die Bank – der Unsinn vom Einzahlen auf dem Konto und wieder ausleihen gehört halt zum Märchen dazu, ist aber so überflüssig wie ein Kropf… kürzt sich einfach heraus…
  • Schritt 2: 900€ werden erneut ausgegeben (entspart! :-) ), 810 bekommt jemand anderes, 90 die Bank
  • am Ende befinden sich auf der Bank insgesamt die ursprünglichen 1.000€ und, heller Wahnsinn, die Summe aller Transaktionen beträgt sage und schreibe 10.000€!


Erst werden 1.000€ ausbezahlt, transferiert, wieder einbezahlt, wieder minus MR ausbezahlt, transferiert, usw. Im Kern wird gespart und wieder entspart.
An welchen Stellen wird Deiner Meinung nach "gespart" und wo "entspart"?

Lässt man die unsinnigen Bargeldumläufe weg, bleiben nur wenige wichtige Zahlen übrig.  Die Bank verfügt nach dem kompletten Durchlauf der geometrischen Entwicklungsreihe über eine Kassenbestand von $1.000, hat einen Kredit über $9.000 vergeben und gleichzeitig Sparer zum Verzicht zur Nutzung ihrer Sparguthaben in Höhe von $10.000 bewegt. Die unendlich vielen Bargeld-/Kreditwechsel kann man ohne am Ergebnis etwas zu verändern auf eine einzige Kreditvergabe und zwei Sparvorgänge zurückführen. Die geometrische Reihenentwicklung mit praxisfernen Annahmen ist nichtssagend und schlicht überflüssig. Die Spalte "Spareinlage" wird weder vom Erfinder der multiplen Geldschöpfung, Chester Arthur Phillips, noch von den Verwendern seiner anzuzweifelnden Thesen beachtet und doch spielt sie eine entscheidende Rolle. Wer sich auf Phillips beruft, setzt damit automatisch die orthodoxe Kredittheorie als Fundamentstein.
Klar, dass die Orthodoxie das Entsparen als Kreditvergabe, nämlich in Form von Geldverleih, tituliert. Nach der MR des Ursprungskredits von 1.000€ darf auch niemand fragen, die werden einfach in den Skat gedrückt...
Nach der orthodoxen Theorie entsteht Geld (= Zentralbankgeld) exogen und führt durch den vielfachen Umlauf zu Geldguthaben. Die ersten $1.000 Bargeld sind einfach da. ;-)  (Aus dem Nichts???)
Was Du mit Entsparen meinst, versteh ich an dieser Stelle nicht. Meinst Du damit den Gedankengang, dass erst jemand Bargeld einzahlt, dann auf die Inanspruchnahme seines Kontoguthabens verzichtet = spart und erst danach die Bank das "eingelegte" Geld verleihen kann?
Hier wird einem auch klar, warum u.a. ein Helmut Creutz nur Bargeld als Geld bezeichnet (für den zählt nur die Geldbasis M0). Die komischen Guthaben auf den Konten werden ja "nur" geldwirksam ;-) Also durchschaut hat er das schon irgendwie, dass sich an den Beständen da gar nichts ändert.  
Und auf diesem Verleihgedanken fusst deren gesamtes Weltbild, obwohl dieses Modell NICHT erklärt, wie denn nun mehr Geld in den Kreislauf kommt.
Helmut Creutz hat in seinem Buch "Das Geldsyndrom" einige seiner Ansichten in einem Frage-Antwort Spiel "Geldschöpfung, Pro und Kontra" versteckt. Auf
http://www.um-bruch.net/uwiki/index.php/Helmut_Creutz:_Geldsch%C3%B6pfung,_Pro_und_Kontra
bin ich auf diese Thesen näher eingegangen.
Das müsste die ZB ja irgendwie pumpen. Nur kann sie das gar nicht... (ja, technisch möglich wäre es, aber aktuell durch Aufblähen der Reserven an ZBGeld kommt kein Cent mehr in die Wirtschaft)

Nochmal: hier werden effektiv Stromgrößen aufaddiert und so getan, als wäre das neue "Geldmenge".
Mit dem Sparguthaben entstehen fast gleichzeitig auch die Kredite in dem Beispiel. Werden insgesamt $9.000 an Krediten vergeben ändert sich auch die Bestandsgröße = Hauptposten der Bilanz "Forderungen an Kunden". Gleiches geschieht mit dem Hauptposten "Verbindlichkeiten gegenüber Kunden". Aus wie vielen Unterposten (=Personenkonten) der Hauptposten besteht, ist schlicht unwichtig. Einen Fehler kann ich in der Addition nicht erkennen. Da ich gerade versuche, einige Informationen zur Bankbuchführung niederzuschreiben, passt mein letzter Absatz zufällig ganz gut.
http://wiki.piratenpartei.de/AG_Geldordnung_und_Finanzpolitik/Rechtsgrundlage_Buchf%C3%BChrung#Kundenkontokorrent
In dem Abschnitt davor bin ich ein wenig auf Bestandsgrößen eingegangen.
Weiß jetzt gar nicht, ob die M1 zusätzlich noch mit einer Geldumlaufgeschwindigkeit versehen, wenn ja, wäre das bescheuert hoch drei.
M1 hat mit Umlaufgeschwindigkeit nichts zu tun.  Die Geldmengenaggregate sind reine Bestandsgrößen. Sie sind zudem lediglich willkürliche Festlegungen der BuBa/EZB um geldpolitischer Ziele zu definieren.
Warum die MR bei der Kreditvergabe keine Rolle spielen kann, zeigt das Beispiel UK. Die BoE gibt überhaupt keinen MR-Satz vor. Unendliche "Geldschöpfungs"-Kapazität!!
Jo !!
Beste Grüße
Rudi2

Grüße,
Marco 

am Sonntag, 14. Dezember 2014 um 01:36 schrieben Sie:


Am 13.12.2014 um 20:38 schrieb Exile (O.Herzig):
Für mich ist auch derzeit die Geldmenge "begrenzt" und zwar durch 1% Mindestreserve an Zentralbankgeld. 
Auf dem Auge der Mindestreserve bist Du offensichtlich etwas kurzsichtig. Gerade die 1 % Mindestreserve spielen bei der Geldschöpfungskapazität der Geschäftsbanken keine Rolle mehr. 

http://wiki.piratenpartei.de/AG_Geldordnung_und_Finanzpolitik/Mindestreserve

"Die Mindestreserve in ihrer heutigen Form mit einem Reservesatz von nur 1 % hat keine Auswirkungen auf die Kreditschöpfungsmöglichkeit der Geschäftsbanken mehr. Sie dient lediglich einer Reduzierung der erforderlichen Zentralbankmittel beim Zahlungsverkehr im Bankensystem und wirkt deshalb auch indirekt beruhigend auf das Auf und Ab der Zentralbankzinsen." 

Hierzu die Deutsche Bundesbank
http://www.bundesbank.de/Navigation/DE/Aufgaben/Geldpolitik/Mindestreserven/mindestreserven.html

"Die wichtigsten Funktionen des Mindestreservesystems sind die Stabilisierung der Geldmarktsätze und die Vergrößerung der strukturellen Liquiditätsknappheit im Bankensystem (Quelle: Die Geldpolitik der EZB. Europäische Zentralbank, Frankfurt 2004)."


Welche Faktoren haben nun einen Einfluss auf die Höhe der von einer Geschäftsbank schöpfbaren Kreditmenge? 
  • Forderung einer Mindestreserve durch die Zentralbank (nur noch theoretisch)
  • Kassenbestand zur Aufrechterhaltung des baren Zahlungsverkehrs 
  • Überschussreserven zur Durchführung von Überweisungen 
  • Anforderungen an das Eigenkapital der Bank gemäß KWG (Kreditwesengesetz KWG) § 10 Anforderungen an die Eigenmittelausstattung von Instituten, Institutsgruppen und Finanzholding-Gruppen (http://www.gesetze-im-internet.de/kredwg/__10.html) 
  • Anforderungen an die Liquidität der Banken gemäß KWG (Kreditwesengesetz KWG) § 11 Liquidität (http://www.gesetze-im-internet.de/kredwg/__11.html) 
Weitere Voraussetzungen sind: 
  • Genügend verschuldungsbereite Kreditnehmer (Schuldner) müssen gefunden werden 
  • Vertrauen in die Zahlungsfähigkeit des Kreditnehmers muss vorhanden sein oder 
  • der Kreditnehmer muss beleihungsfähige Sicherheiten bieten, d.h. Eigentum muss vorhanden sein und der Kreditnehmer muss bereit sein dieses zu verpfänden 
  • Um sich für Kredit-Auszahlungen Bargeld bei der Zentralbank zu beschaffen, benötigt die Bank "notenbankfähige Sicherheiten" 
Die Kreditschöpfungskapazität einer Bank auf die Mindestreserve zu beschränken, ist mE deshalb in mehrfacher Hinsicht nicht tragfähig.
Beste Grüße
Rudi2




    

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