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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] bargeldlose Zahlungen

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

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Re: [AG-GOuFP] bargeldlose Zahlungen


Chronologisch Thread 
  • From: Rudolf Müller <muellerrudolf AT on22.de>
  • To: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] bargeldlose Zahlungen
  • Date: Wed, 03 Sep 2014 09:35:04 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>

Hallo Patrik,  hallo Moneymind,

zum Geldbegriff existieren nun x-beliebig viele Erklärungen und Beschreibungen. Nachdem ich mich selbst mit der Begriffsdefinition lange beschäftigt und auch versucht habe den Sinn von Arnes Definition „Geld ist ein Anspruch auf Geld“ (dieser Aussage darf nichts hinzugefügt werden! Arne) zu ergründen, komme ich zu folgender Überlegung.

Beim Begriff Geld entsteht eine erste aber durchschlagende Verwirrung, wenn nicht in Warengeld und Kreditgeld unterschieden wird. Geld in Form von Gold- oder Silbermünzen ist ganz anders zu betrachten als auf Schuldanerkenntnissen basierendes „Geld“. Für beides wird jedoch der Begriff „Geld“ benutzt. Wenn diese Sichtweise auch für den Endanwender noch akzeptabel ist, so führt sie bei der Betrachtung des Geldsystems als Ganzes zu erheblichen Verwicklungen.

Unser heutiges Geld besteht doch eindeutig aus Kreditgeld, auch wenn sich hier oder da auch etwas Willkürgeld untergemischt wird. http://wiki.piratenpartei.de/AG_Geldordnung_und_Finanzpolitik/Geldarten
Ob es sich nun um Geschäftsbanken-Buchgeld, Zentralbank-Buchgeld oder aber Bargeld handelt, Grundlage ist immer ein Kredit. Folglich stellt auch das Bargeld „nur“ einen Schuldschein oder aber Gutschein dar, je nach Betrachtungsstandpunkt. In meinem Portemonnaie ist der 10€- Schein für mich ein Gutschein. Für die Zentralbank ist der 10€- Schein, welcher sich nicht mehr in der Zentralbank befindet, ein Schuldschein. Würde man das „Giralgeld“ nicht als „Geld“ ansehen sondern als Schulden oder Verbindlichkeiten der Banken mit Zahlungsmittelfunktion ansehen, so könnten mE viele Diskussionen um „Geld“ vereinfacht werden.

Dass Einbeziehen der rechtliche Festlegung, dass nur „Bargeld gesetzliches Zahlungsmittel“ ist, schafft zusätzliche Verwirrung. Es entstehen daraus die tollsten Theoriegebilde. Würde morgen kein Bargeld mehr existieren, vorausgesetzt jeder verfügte über eine Bankkarte, könnte das „Geldsystem“ ohne Probleme weiterlaufen und diese Theorien wären bestenfalls fürs Archiv. Die Fixierung auf das Bargeld als „einziges unbeschränktes gesetzliches Zahlungsmittel“, halte ich für eine überflüssige Erschwernis bei der Betrachtung des „Geldystems“.

Die Behauptung, dass zur Kreditvergabe zuerst „Geld“ vorhanden sein muss wird bei Betrachtung von „Geld“ als Schuldversprechen der Bank hinfällig. Theoretisch könnte die Bank beliebig viele Schuldversprechen abgeben. Durch gesetzliche aber auch bankbetriebliche Einschränkungen wird sie indes daran gehindert und nicht durch die Menge an „vorhandenem eingesammeltem Geld“

Soweit mal einige meiner Grundgedanken zum Geldbegriff.

Nicht zögern zu widersprechen!
Beste Grüße
Rudi2

Am 03.09.2014 07:09, schrieb Patrik Pekrul:
Es gab in dieser schon vor einigen Jahren in dieser AG ein Grillfest mit dem Vorschlag folgender Gelddefinition: Jede übertragbare Forderung auf Geld ist auch Geld.

Das gibt in einem Satz die ganze unten dargestellte Logik wieder. Solange etwas im Geschäftsverkehr allgemein als schuldbefreiend akzeptiert wird, IST es faktisch Geld.

Das können Muscheln ebenso sein, wie ABS. Wesentlich ist meiner Ansicht nach die Übertragbarkeit als zwingende Eigenschaft. Ein Schuldverhältnis zwischen zwei Parteien, das nicht übertragbar ist, kann nicht als Geld dienen.

Ende vom Lied: Giralgeld IST (richtiges, echtes, vollwertiges) Geld (und nicht "nur" eine Forderung auf Geld i.S.v. Banknoten), ebenso wie es eine wie auch immer geartete übertragbare allgemein akzeptierte Forderung auf Giralgeld wäre oder eine Forderung auf dieselbe.

Selbst die Bundesbank sagt, dass sich der Geldbegriff nicht scharf angrenzen lässt, sondern von der Betrachtung abhängt. (weshalb sie M3 genau so abgrenzt, dass es am besten geeignet scheint, ihre Glaubenssätze zu "belegen" ;-)

Patrik

Am 03.09.2014 um 00:54 schrieb "moneymind" <moneymind AT gmx.de>:

Hallo Marco,

Deine Diskussion mit den "Geldverstehern" ähnelt einer alten Debatte in der Geldtheorie zwischen currency- und banking-Theoretikern. Currency-Theoretiker wollen üblicherweise nur Zentralbankgeld als schuldbefreiendes Zahlungsmittel anerkennen und sehen nicht, daß schon einfache Wechsel alle Zahlungsmittelfunktionen erfüllen können. Sie sagen dann, bei einer Zahlung per Wechsel werde "lediglich eine Forderung weitergereicht". Mir ist diese Argumentation z.B. beim Monetärkeynesianismus (Hajo Riese) begegnet.

Wie sieht es tatsächlich aus?

Beispiel: A erfüllt seine Verbindlichkeit X gegenüber C, indem er diesem eine Forderung Y gegen den B überträgt. Die Verbindlichkeit X des A gegenüber dem C wird damit erfüllt und vernichtet (wie bei einer Zahlung mit "Bargeld", sei das nun Gerste, Gold, Zentralbankgeld oder was auch immer). Die Forderung Y des A gegenüber dem C wurde tatsächlich nur an den B weitergereicht und fungierte dabei als schuldbefreiendes (schuldvernichtendes) Kreditzahlungsmittel. Die currency-Theoretiker haben also zwar recht damit, daß eine Forderung (Y) weitergereicht wurde. Mit dem "lediglich" haben sie aber schon nicht mehr recht, weil sie übersehen, daß an dem Prozess ja zwei Forderungen beteiligt waren - neben der Forderung Y, die "nur weitergereicht" wurde, war auch noch die Forderung X beteiligt, die durch dieses "Weiterreichen" erfüllt und damit vernichtet wurde.

Currency-Theoretiker und z.B. auch Augusto Graziani, auf den Steve Keen sich positiv bezieht, schaffen da m.E. viel Verwirrung mit der Vorstellung, das "eigentliche Geld" könne nur ein forderungsloses "Token" darstellen, während Geschäftsbankengeld jeweils eine Verpflichtungsbeziehung ausdrücke und daher als Kredit zu bezeichnen sei.

Auch dieser Streit läßt sich m.E. recht einfach auflösen, wie Perry Mehrling in seinem wie ich finde absolut exzellenten Text "What is monetary economics about" (hier http://wiki.piratenpartei.de/AG_Geldordnung_und_Finanzpolitik/Quellen/sortiert_nach_person#Mehrling.2C_Perry verlinkt) zeigt:

/"Very often in monetary treatises this hierarchy is characterized as having two levels, money (means of payment) at the base and credit (promises to pay money) built on top.

That’s not a bad place to start provided one doesn’t stop there, because on closer examination almost every monetary system has a multiplicity of levels, and *what appears as money at one level often looks like credit from another*.

Just so, under a gold standard, national paper currency looks like money from a domestic standpoint, but it looks like a promise to pay gold from an international standpoint.

Similarly, *the debate about whether the bank deposit is a particular form of money or only a promise to pay money is a debate that cannot be resolved definitively because the answer depends on the problem at hand*. To a household, a deposit is payment. To a bank, a deposit is a promise to pay reserves, since net clearing must be settled in cash". /

Vielleicht hilft das ja auch Deinen "Geldverstehern" weiter.

Grüße!

thewisemansfear schrieb:

Die Seite
http://wiki.piratenpartei.de/AG_Geldordnung_und_Finanzpolitik/Bargeldlose_Zahlungen
deren Entstehung auf einer Diskussion mit Axel zum Clearingverfahren basiert, wurde zwischenzeitlich komplett überarbeitet. Mit dieser Seite, wie auch den Weiterführungen soll lediglich der Ist-Zustand ohne jegliche Erläuterungen und Wertungen dargestellt werden. Ziel ist eine allgemeinverständliche, neutrale Grundlagenbetrachtung. Würde mich freuen wenn Du Axel, oder auch andere Leser Zeit fänden, einen kritischen Blick auf die Überarbeitung zu werfen.
Beste Grüße
Rudi2
Tolle Sache! Kommt mir gerade wie gelegen das Thema, da es ein paar "Geldversteher" da draußen gibt, die einem weismachen wollen, dass bei jeglicher Art von Überweisung immer! Zentralbankgeld im Hintergrund fließen würde. Auf Intrabank-Überweisungen haben die bislang keine Antwort und klammern diesen Fall einfach aus :-)
Der Diskussionsfaden war so, dass nur mit Zentralbankgeld (gesetzliches Zahlungsmittel) schuldbefreiend bezahlt werden könne...
Zum Artikel würde ich vorschlagen, noch ein paar Grafiken zur besseren Verständlichkeit mit einzubauen. Gedacht hatte ich an die Dreiecksbeziehung zwischen Käufer, Verkäufer und Bank, so wie hier dargestellt: https://thewisemansfear.files.wordpress.com/2014/08/fin_system.jpg Ist ein Screenshot aus einem Vortrag von Steve Keen, würde ich ggf. nochmal neu machen.
Man könnte halt schön die einzelnen Fälle (innerhalb einer Bank, von Bank zu Bank und auch länderübergreifend) illustrieren und die Mehrstufigkeit des Banken- bzw. Geldsystems mit rausarbeiten.
Der BoE Absatz zeigt ja im Grunde genommen die Entwicklung der mehrstufigen Geld-Architektur. Als Saldenausgleichsstandard kann nur das höherwertige Geld der übergeordneten Instanz zum Einsatz kommen, zumindest wenn man keiner der beteiligten Parteien einen (unlauteren) Vorteil verschaffen will.
Grüße,
Marco
-- 
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https://service.piratenpartei.de/listinfo/ag-geldordnung-und-finanzpolitik

    
    



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