Hallo Marco,
habe Deiner Anregung entsprechend im Wikiabschnitt
http://wiki.piratenpartei.de/AG_Geldordnung_und_Finanzpolitik/Teilnehmer_am_Geldsystem
versucht, den Aufbau unseres Bankensystem in einer
allgemeinverständlichen Kurzfassung in wesentlichen Teilen
darzustellen.
Am 03.09.2014 10:03, schrieb Marco Schmidt:
Re: [AG-GOuFP] bargeldlose Zahlungen
Hallo
Rudi2,
>>Folglich stellt auch das Bargeld „nur“ einen
Schuldschein oder aber Gutschein dar, je nach
Betrachtungsstandpunkt.
Das hat Wolfgang mit dem Hinweis auf Perry Mehrling ja
bereits beschrieben. Es gibt mehr als eine Sicht aufs Geld. Kann
gar nicht glauben, dass der Text schon 14 Jahre alt ist...
Die Wahl des Betrachtungsstandpunktes zur Unterscheidung von
Schuldschein oder Gutschein wird von Mehrling so angedeutet, jedoch
nicht in dem von mir angesprochenen Zusammenhang. Mehrling sieht
eben nicht nur die Funktion eines Schuldschein der Bank sondern
erweitert den Schuldschein gleich zu einem "Versprechen, Bargeld zu
zahlen".
"Similarly, the debate about whether the bank deposit
is a particular form of money or only a
promise to pay money is a debate that cannot be resolved
definitively because the answer
depends on the problem at hand. To a household, a deposit is
payment. To a bank, a deposit is a
promise to pay reserves, since net clearing must be settled in
cash.3"
Bei den von mir verwendeten Begriffen Schuldschein oder Gutschein
ist noch noch keine Vereinbarung über den Inhalt, z.b. die
Währungseinheit enthalten. Das können Euro, US-Dollar, Sack Zement,
Bancor oder Mars$ sein.
>>Würde man das „Giralgeld“ nicht als „Geld“ ansehen
sondern als Schulden oder Verbindlichkeiten der Banken mit
Zahlungsmittelfunktion ansehen, so könnten mE viele
Diskussionen um „Geld“ vereinfacht werden.
Damit plädierst Du gerade wieder für eine einseitige
Betrachtung.
Unsauber von mir ausgedrückt. Aus Sicht der Bank sind es Schulden
oder Verbindlichkeiten gegenüber der Nichtbank. Damit wollte ich
indirekt klarstellen, dass die Guthaben oder Forderungen der Bank
gegenüber der Nichtbank nicht zu den Zahlungsmitteln zählen.
In jedem Satz gleich die beiden Betrachtungsweisen Banken
+Nichtbanken einzuflechten, macht das Ganze schwer lesbar.
Für den
Anwender an der Basis ist es aber faktisch Geld, siehe Patriks
Nachricht. Die Geldfunktionen wird auch durch eine Forderung auf
Geld/... erfüllt, das ist für den Endanwender im Normalfall
nicht relevant.
Wenn das Bargeld nur noch einen sehr geringen Anteil (3%) am
Zahlungsverkehrsvolumen inne hat erscheint es fraglich, ob es noch
angemessen ist zu behaupten, dass Geschäftsbanken-Buchgeld ein
Anspruch auf Bargeld sei. Die rechtliche Seite (nur Bargeld ist
gesetzliches Zahlungsmittel) und die Praxis driften hier ganz schön
auseinander.
Details hierzu im Beitrag "Geld und Geldversprechen"
http://www.um-bruch.net/uforum/index.php?topic=251.msg1720#msg1720
Beste Grüße
Rudi2
Das sind aber eher kleinere Anmerkungen, kein ernsthafter
Widerspruch.
Grüße,
Marco
am Mittwoch, 3. September 2014 um 09:35 schrieben Sie:
|
Hallo Patrik, hallo Moneymind,
zum Geldbegriff existieren nun x-beliebig viele
Erklärungen und Beschreibungen. Nachdem ich mich selbst
mit der Begriffsdefinition lange beschäftigt und auch
versucht habe den Sinn von Arnes Definition „Geld ist
ein Anspruch auf Geld“ (dieser Aussage darf nichts
hinzugefügt werden! Arne) zu ergründen, komme ich zu
folgender Überlegung.
Beim Begriff Geld entsteht eine erste aber
durchschlagende Verwirrung, wenn nicht in Warengeld und
Kreditgeld unterschieden wird. Geld in Form von Gold-
oder Silbermünzen ist ganz anders zu betrachten als auf
Schuldanerkenntnissen basierendes „Geld“. Für beides
wird jedoch der Begriff „Geld“ benutzt. Wenn diese
Sichtweise auch für den Endanwender noch akzeptabel ist,
so führt sie bei der Betrachtung des Geldsystems als
Ganzes zu erheblichen Verwicklungen.
Unser heutiges Geld besteht doch eindeutig aus
Kreditgeld, auch wenn sich hier oder da auch etwas
Willkürgeld untergemischt wird. http://wiki.piratenpartei.de/AG_Geldordnung_und_Finanzpolitik/Geldarten
Ob es sich nun um Geschäftsbanken-Buchgeld,
Zentralbank-Buchgeld oder aber Bargeld handelt,
Grundlage ist immer ein Kredit. Folglich stellt auch das
Bargeld „nur“ einen Schuldschein oder aber Gutschein
dar, je nach Betrachtungsstandpunkt. In meinem
Portemonnaie ist der 10€- Schein für mich ein Gutschein.
Für die Zentralbank ist der 10€- Schein, welcher sich
nicht mehr in der Zentralbank befindet, ein
Schuldschein. Würde man das „Giralgeld“ nicht als „Geld“
ansehen sondern als Schulden oder Verbindlichkeiten der
Banken mit Zahlungsmittelfunktion ansehen, so könnten mE
viele Diskussionen um „Geld“ vereinfacht werden.
Dass Einbeziehen der rechtliche Festlegung, dass nur
„Bargeld gesetzliches Zahlungsmittel“ ist, schafft
zusätzliche Verwirrung. Es entstehen daraus die tollsten
Theoriegebilde. Würde morgen kein Bargeld mehr
existieren, vorausgesetzt jeder verfügte über eine
Bankkarte, könnte das „Geldsystem“ ohne Probleme
weiterlaufen und diese Theorien wären bestenfalls fürs
Archiv. Die Fixierung auf das Bargeld als „einziges
unbeschränktes gesetzliches Zahlungsmittel“, halte ich
für eine überflüssige Erschwernis bei der Betrachtung
des „Geldystems“.
Die Behauptung, dass zur Kreditvergabe zuerst „Geld“
vorhanden sein muss wird bei Betrachtung von „Geld“ als
Schuldversprechen der Bank hinfällig. Theoretisch könnte
die Bank beliebig viele Schuldversprechen abgeben. Durch
gesetzliche aber auch bankbetriebliche Einschränkungen
wird sie indes daran gehindert und nicht durch die Menge
an „vorhandenem eingesammeltem Geld“
Soweit mal einige meiner Grundgedanken zum Geldbegriff.
Nicht zögern zu widersprechen!
Beste Grüße
Rudi2
Am 03.09.2014 07:09, schrieb Patrik Pekrul:
Es gab in dieser schon vor einigen Jahren in dieser
AG ein Grillfest mit dem Vorschlag folgender
Gelddefinition: Jede übertragbare Forderung auf Geld
ist auch Geld.
Das gibt in einem Satz die ganze unten dargestellte
Logik wieder. Solange etwas im Geschäftsverkehr
allgemein als schuldbefreiend akzeptiert wird, IST
es faktisch Geld.
Das können Muscheln ebenso sein, wie ABS. Wesentlich
ist meiner Ansicht nach die Übertragbarkeit als
zwingende Eigenschaft. Ein Schuldverhältnis zwischen
zwei Parteien, das nicht übertragbar ist, kann nicht
als Geld dienen.
Ende vom Lied: Giralgeld IST (richtiges, echtes,
vollwertiges) Geld (und nicht "nur" eine Forderung
auf Geld i.S.v. Banknoten), ebenso wie es eine wie
auch immer geartete übertragbare allgemein
akzeptierte Forderung auf Giralgeld wäre oder eine
Forderung auf dieselbe.
Selbst die Bundesbank sagt, dass sich der
Geldbegriff nicht scharf angrenzen lässt, sondern
von der Betrachtung abhängt. (weshalb sie M3 genau
so abgrenzt, dass es am besten geeignet scheint,
ihre Glaubenssätze zu "belegen" ;-)
Patrik
Am 03.09.2014 um 00:54 schrieb "moneymind" <moneymind AT gmx.de>:
Hallo Marco,
Deine Diskussion mit den "Geldverstehern" ähnelt einer
alten Debatte in der Geldtheorie zwischen currency- und
banking-Theoretikern. Currency-Theoretiker wollen
üblicherweise nur Zentralbankgeld als schuldbefreiendes
Zahlungsmittel anerkennen und sehen nicht, daß schon
einfache Wechsel alle Zahlungsmittelfunktionen erfüllen
können. Sie sagen dann, bei einer Zahlung per Wechsel
werde "lediglich eine Forderung weitergereicht". Mir ist
diese Argumentation z.B. beim Monetärkeynesianismus
(Hajo Riese) begegnet.
Wie sieht es tatsächlich aus?
Beispiel: A erfüllt seine Verbindlichkeit X gegenüber C,
indem er diesem eine Forderung Y gegen den B überträgt.
Die Verbindlichkeit X des A gegenüber dem C wird damit
erfüllt und vernichtet (wie bei einer Zahlung mit
"Bargeld", sei das nun Gerste, Gold, Zentralbankgeld
oder was auch immer). Die Forderung Y des A gegenüber
dem C wurde tatsächlich nur an den B weitergereicht und
fungierte dabei als schuldbefreiendes
(schuldvernichtendes) Kreditzahlungsmittel. Die
currency-Theoretiker haben also zwar recht damit, daß
eine Forderung (Y) weitergereicht wurde. Mit dem
"lediglich" haben sie aber schon nicht mehr recht, weil
sie übersehen, daß an dem Prozess ja zwei Forderungen
beteiligt waren - neben der Forderung Y, die "nur
weitergereicht" wurde, war auch noch die Forderung X
beteiligt, die durch dieses "Weiterreichen" erfüllt und
damit vernichtet wurde.
Currency-Theoretiker und z.B. auch Augusto Graziani, auf
den Steve Keen sich positiv bezieht, schaffen da m.E.
viel Verwirrung mit der Vorstellung, das "eigentliche
Geld" könne nur ein forderungsloses "Token" darstellen,
während Geschäftsbankengeld jeweils eine
Verpflichtungsbeziehung ausdrücke und daher als Kredit
zu bezeichnen sei.
Auch dieser Streit läßt sich m.E. recht einfach
auflösen, wie Perry Mehrling in seinem wie ich finde
absolut exzellenten Text "What is monetary economics
about" (hier http://wiki.piratenpartei.de/AG_Geldordnung_und_Finanzpolitik/Quellen/sortiert_nach_person#Mehrling.2C_Perry verlinkt)
zeigt:
/"Very often in monetary treatises this hierarchy is
characterized as having two levels, money (means of
payment) at the base and credit (promises to pay money)
built on top.
That’s not a bad place to start provided one doesn’t
stop there, because on closer examination almost every
monetary system has a multiplicity of levels, and *what
appears as money at one level often looks like credit
from another*.
Just so, under a gold standard, national paper currency
looks like money from a domestic standpoint, but it
looks like a promise to pay gold from an international
standpoint.
Similarly, *the debate about whether the bank deposit is
a particular form of money or only a promise to pay
money is a debate that cannot be resolved definitively
because the answer depends on the problem at hand*. To a
household, a deposit is payment. To a bank, a deposit is
a promise to pay reserves, since net clearing must be
settled in cash". /
Vielleicht hilft das ja auch Deinen "Geldverstehern"
weiter.
Grüße!
thewisemansfear schrieb:
Die Seite
http://wiki.piratenpartei.de/AG_Geldordnung_und_Finanzpolitik/Bargeldlose_Zahlungen
deren Entstehung auf einer Diskussion mit Axel zum
Clearingverfahren basiert, wurde zwischenzeitlich
komplett überarbeitet. Mit dieser Seite, wie auch den
Weiterführungen soll lediglich der Ist-Zustand ohne
jegliche Erläuterungen und Wertungen dargestellt werden.
Ziel ist eine allgemeinverständliche, neutrale
Grundlagenbetrachtung. Würde mich freuen wenn Du Axel,
oder auch andere Leser Zeit fänden, einen kritischen
Blick auf die Überarbeitung zu werfen.
Beste Grüße
Rudi2
Tolle Sache! Kommt mir gerade wie gelegen das Thema, da
es ein paar "Geldversteher" da draußen gibt, die einem
weismachen wollen, dass bei jeglicher Art von
Überweisung immer! Zentralbankgeld im Hintergrund
fließen würde. Auf Intrabank-Überweisungen haben die
bislang keine Antwort und klammern diesen Fall einfach
aus :-)
Der Diskussionsfaden war so, dass nur mit
Zentralbankgeld (gesetzliches Zahlungsmittel)
schuldbefreiend bezahlt werden könne...
Zum Artikel würde ich vorschlagen, noch ein paar
Grafiken zur besseren Verständlichkeit mit einzubauen.
Gedacht hatte ich an die Dreiecksbeziehung zwischen
Käufer, Verkäufer und Bank, so wie hier dargestellt: https://thewisemansfear.files.wordpress.com/2014/08/fin_system.jpg Ist
ein Screenshot aus einem Vortrag von Steve Keen, würde
ich ggf. nochmal neu machen.
Man könnte halt schön die einzelnen Fälle (innerhalb
einer Bank, von Bank zu Bank und auch
länderübergreifend) illustrieren und die Mehrstufigkeit
des Banken- bzw. Geldsystems mit rausarbeiten.
Der BoE Absatz zeigt ja im Grunde genommen die
Entwicklung der mehrstufigen Geld-Architektur. Als
Saldenausgleichsstandard kann nur das höherwertige Geld
der übergeordneten Instanz zum Einsatz kommen, zumindest
wenn man keiner der beteiligten Parteien einen
(unlauteren) Vorteil verschaffen will.
Grüße,
Marco
--
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