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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] Vollgeld (was: GBe an prozyklischem Staatshandeln interessiert... ?)

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

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Re: [AG-GOuFP] Vollgeld (was: GBe an prozyklischem Staatshandeln interessiert... ?)


Chronologisch Thread 
  • From: moneymind <moneymind AT gmx.de>
  • To: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] Vollgeld (was: GBe an prozyklischem Staatshandeln interessiert... ?)
  • Date: Tue, 11 Mar 2014 14:16:19 +0000
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>

Hi Axel,

Du schreibst:

In der Zeit von 1945 bis 1975 hatten wir zunächst ein exogen/endogenes Geldsystem.

Ja. Wobei ich hier mal fragen möchte, was genau Du mit "exogenem" Geld meinst. Zentralbankgeld, das durch Monetisierung von Staatsschulden entweder direkt durch die ZB oder auf dem Umweg über die GBen entsteht? Das wäre eine mögliche Definition - dann wäre endogenes Geld solches, das auf der Monetisierung privater Schulden basiert. Diese Unterscheidung zwischen "inside money" und "outside money" verwendet z.B. Randall Wray im "Modern Money Primer".

Oder meinst Du mit "exogenem" Geld generell den Anteil der (privaten und staatlichen) Schulden, den die ZB monetisiert hat, mit "endogenem" Geld denjenigen Anteil, den lediglich die GBen per Giralgeldschöpfung monetisiert haben, nicht aber die ZB?

Es war in den ersten 20 Jahren die Bargeldzeit und so ab 1965 kam das Giralgeld dazu, das rein endogene tritt seinen Siegeszug an.


Wie, vorher soll es kein Giralgeld gegeben haben?!? Wie kann es dann sein, daß Gestrich schon 1936 klar erkannt hat, daß Geschäftsbanken keine Spareinlagen brauchen, um Kredite vergeben zu können ("Neue Kreditpolitik", 1936; "Kredit und Sparen", 1944 - Volltexte hier: http://www.saldenmechanik.info/index.php/literatur ).

Die Wechsel in der Zeit 1945ff haben vorrübergehend zusätzliches Geld hineingebracht (einige nennen das „Geld aus dem Nichts“ oder „Banken schöpfen Geld“, dabei sind es die Wechseleinreicher die wahren Akteure.


Ja, und das waren Handelswechsel, die aus der Realwirtschaft kamen.

So ab 1965 mit dem Giralgeld sind dann die Wechsel durch Kredite auf Basis von Sicherheiten nach und nach abgelöst worden.

Meinst Du damit jetzt die Kredite der GBen an Nichtbanken, oder diejenigen der ZB an die GBen?

Passend dazu ist im ZB-Bereich ist Diskont/Lombard durch einen Leitzins ersetzt worden.
In dieser Zeit sich viele Werte entstanden, die beliehen werden konnten.

Welche "Werte" meinst Du zum Beispiel?

Umfangreiche Bedarfe waren zu decken, Marksättigung war weit entfernt.


Ist "Marktsättigung" für Dich ein realwirtschaftliches Phänomen, oder ein monetäres (Mangel an zahlungskräftiger Nachfrage)?

Das Geldsystem hatte imho einen Anteil an dem Zeitraum, die die Entwicklung benötigt hat und zwar der endogene Anteil, der in wenigen Jahrzehnten die notwendige Geldbereitstellung übernommen hat. Mit einem restriktiven exogenen Vollgeldsystem, wie es heute gefordert wird, hätte das um einiges länger gedauert.


Denke ich auch. Entscheidend an der privaten Geldschöpfung dieser Zeit war, daß sie v.a. an die Realwirtschaft ging, Investmentbanken aber gar keinen Zugang zur ZB hatten (Folge der Bankenregulierung nach der Weltwirtschaftskrise, Glass-Steagall-Act). Mir fällt auf, daß ihr die Weltwirtschaftskrise und die anschließenden wirtschaftspolitischen Weichenstellungen in Eure historischen Betrachtungen fast nie einbezieht.

Warum?!?!?

Finanzmärkte und Börsen gab es faktisch nicht bzw. haben ein unbedeutendes Dasein geführt.


Das ist entscheidend! Und warum gab es die nicht?!? Weil sie nach der Weltwirtschaftskrise, an deren Zustandekommen sie einen wesentlichen Anteil hatten, systematisch ruhiggestellt wurden. Das System fixer Wechselkurse von Bretton Woods hat den Devisenmarkt praktisch völlig geschlossen (vermutlich wichtigster Aspekt!). Der Glass-Steagall-Act hat u.a. Investmentbanken von denjenigen Banken abgetrennt, die Kredite an die Realwirtschaft vergeben. Nur letztere hatten Zugang zur ZB!!!

In D ging es erst 1982 los, da sind dann die Aktienpreise mit Luft aufgepustet worden.


Was heißt, "mit Luft aufgepustet"? Das ist eine vage Metapher. Aktien werden bewertet wie jeder andere Vermögenswert auch - wie Realvermögenswerte auch.

Auch hier hilft nun das sich schon fast vollständig ausentwickelte endogene Geldsystem mit. Man ist nicht mehr auf Sparer oder Einlagen angewiesen, man kann Pseudo-Sicherheiten in Form von Finanzprodukten als Sicherheiten einsetzen.

Wieso "pseudo"? Jedes Realunternehmen haftet mit seinem Gesamtvermögen, also auch mit Nettoguthaben gegenüber Dritten. Hier liegt nicht der entscheidende Unterschied zwischen den Prozessen, die sich bei Kreditvergabe an die Realwirtschaft und an die Finanzwirtschaft ergeben.

Die Finanzwirtschaft schafft sich ihr Geld selbst. Davon schwappt ein Teil in die Realwirtschaft.


Die Finanzkrise 2007 und 2008 war nur eine Krise der Aktiva von Banken, die Luft ohne Wert in vielen Vermögenswerten ist abgelassen worden = zu viele (überwiegend die großen) Privatbanken haben nun Eigenkapitalverluste zu buchen.

Was soll "Luft ohne Wert" sein? Wenn man hier bei den üblichen vagen Metaphern bleibt, verpaßt man das für eine Geldwirtschaft alles entscheidende. Jede Deflation in der Realwirtschaft ist eine "Krise der Aktiva" - nicht nur von Banken, sondern auch von Unternehmen. Warum? Weil Forderungen nominell fixiert sind, Sachvermögenswerte aber in Abhängigkeit von Ertragserwartungen und damit in Abhängigkeit vom Stand der Kreditexpansion oder -Kontraktion tagesaktuell bewertet werden.

Deflation heißt immer, Abwertung der haftenden Sicherheiten eines Wirtschaftssubjekts, und sobald deren Wert unter die Nettoschulden des Unternehmens sinkt, ist dessen Nettovermögen negativ - es droht Insolvenz. Das ist derselbe Prozess in JEDER Krise (umgekehrter Prozess in jeder inflationären Aufschwungphase).

Redet man da von "Aufpumpen", "Luft rauslassen", "Luft ohne Wert" usw. - allesamt vage, unpräzise Metaphern - verpaßt man dies. Es ist aber dieser Prozess, um den sich ALLE Kreditwirtschaft dreht - wurscht, ob

Die EK-Reservierungsregeln nach Basel haben dann die Krise begünstigt.


Ja, natürlich. Denn das EK ist ja keine fixe Größe, sondern immer Gegenstand der Bewertung, weil es aus der Summe von nominell fixierten Vermögenswerten (Nettoschulden bzw. Nettoguthaben) und nominell variablen Vermögenswerten (Sachvermögen etc.) eines Wirtschaftssubjekts bestehen, und letztere schwanken mit der "Konjunktur" (Kreditexpansion bzw. Kontraktion und darauf bezogene Erwartungen in Bezug auf zahlungsfähige "Nachfrage").

Die Ursache der Bankenkrise 2007/2008 liegt in den Aktiva und dort fast nur in den Finanzprodukten und den Krediten, die mit Finanzprodukten besichert sind.

Ja. Aber da der grundlegende Prozess in der Realwirtschaft derselbe ist, ist wieder die Frage: worin liegen die entscheidenden Unterschiede? Nicht in den kreditären Prozessen, die in beiden Fällen booms und crashes produzieren. Sondern darin, daß Kreditvergabe an die Realwirtschaft zu realer Produktion führt, zu realen Nutzen. Und die Bewertungsprozesse (d.h. die Auf- und Abwertungen der Sicherheiten) durch reale Produktionsprozesse gebremst ablaufen, sodaß sie durch antizyklischen ZB- und Staatsintervention wesentlich leichter "temperiert" werden können, als schnell entstehende und platzende Finanzmarktblasen.

Der wichtigste Unterschied aber besteht in der Art des Gewinnstrebens in Real- und Finanzwirtschaft. Ein Realunternehmer kann sich einen Extragewinn sichern, indem er etwas ANDERES macht als alle anderen - etwas innovatives, nach dem ein Bedarf da ist. Ein Spekulant verdient daran, daß er dasselbe macht wie andere, nämlich auf einen existierenden Trend durch Kauf aufspringt, diesen Trend verstärkt, indem er kauft und für diesen Wert Propaganda macht, damit ihn andere kaufen und sein Wert weiter steigt, und dann vor dem Crash rechtzeitig aussteigt.

D.h. Herdenverhalten und Propaganda sind die Strategien für ihn - für den Realunternehmer dagegen Innovation und bessere Befriedigung der Bedürfnisse anderer. Ich glaube, DA liegen entscheidende Unterschiede und Gründe dafür, warum die Zockerei (auf Kredit sowieso) unterbunden und die Realwirtschaft flexibel antizyklisch reguliert werden muß.

Ein restriktives exogenes Geldsystem wie es die Monetativa nach Huber ist, hätte die Entwicklung nicht aufgehalten, es hätte nur länger gedauert. Das Geldsystem hat keinen so großen Einfluß auf die Entwicklungen und Krisen, es hat imho nur einen Einfluß auf die Zeit, die es bis dahin benötigt.


Vor allem werden - soweit ich sehe - in Vollgeldsytemen überhaupt keine Gedanken an Währungsspekulation (war 1945-1971 durch das Bretton Woods-System komplett unmöglich!) und Finanzmärkte verschwendet. Oder sehe ich das falsch?

Überlagert wird der „Spass“ durch die Guthabenbildung, das Sparen. Sparvolumen gleich Schuldenvolumen. Die Schuldenkrise ist immer noch eine Guthabenkrise und wird durch übermäßiges Sparen verursacht.


Was genau heißt "Übermäßig"? Im Verhältnis wozu? Was genau soll das Maß sein? Die Rede von der "Guthabenkrise" ist nur eine Umkehrung der genauso verkürzten Rede von der "Schuldenkrise" (die auf einzelwirtschaftlichem Denken beruht).

http://www.nachdenkseiten.de/upload/pdf/120307_flassbeck_schulden_und_zukunft.pdf

Du kannst in diesem Text jedesmal das Wort "Schulden" durch "Guthaben" ersetzen.

Es geht m.E. weder um "übermäßige Schulden" noch "übermäßige Guthaben", sondern darum, wer bei wem Schulden hat und wofür (Schulden für Zockerei müssen dabei von vorneherein ein No-No sein); und darum, wie sich als Folge der generellen Kreditexpansion oder -Kontraktion Asset- und Warenpreise und Beschäftigungsstand entwickeln.

Wirschaftlich fehlt nichts mehr, es ist Marktsättigung erreicht, die Produktionskapazitäen sind alle vorhanden. Mit einer homogeneren Einkommensverteilung kann Marksättigung noch an die Bedarfsdeckung herangeführt werden. Dann ist das Ende des Wirtschaftswachstums erreicht. Nullwachstum als auch Schrumpfung wird dann einsetzen = jedes Jahr die gleiche Leistung oder etwas weniger und trotzdem werden sich Vermögen und Bestände erhöhen.


Da bin ich ganz anderer Meinung, und der Meinung, daß Du da wieder Güter-/Güterbedürfnis- und Vermögensebene durcheinanderbringst. Das wäre eine eigene Diskussion, aber m.E. ein absolut entscheidender Punkt. Man versteht Wirtschaft nur, wenn man das Verhältnis von Güter- und Vermögensebene korrekt auf den Begriff bringt. Die Vermögensebene enhält "kein Atom Naturstoff", ist ein reines "soziales Gedankending", erzeugt dadurch, daß die Menschen über ein (in ein übergreifendes öffentliches Herrschaftsrecht integriertes) ziviles Rechtssystem miteinander in Beziehung treten.

Entscheidend an Nominalforderungen ist dabei, daß sie nominal fixiert sind, während Sachvermögenswerte ständiger Bewertung unterliegen. DA liegt der Kern jeder realitätsgerechten Wert- und Konjunkturtheorie.

Vollgeld, Mindestreserve etc. sind nur Nebenschauplätze des Geschehens (und dabei durchaus mögliche Stellschrauben, über deren Einsatz man diskutieren kann). Aber fürs Verständnis des System absolut nicht wesentlich.

(denke ich).




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