ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik
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- From: Arne Pfeilsticker <Arne.Pfeilsticker AT piratenpartei-hessen.de>
- To: moneymind <moneymind AT gmx.de>
- Cc: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
- Subject: Re: [AG-GOuFP] "Geldsystem", Finanzsektor
- Date: Sun, 9 Mar 2014 00:40:31 +0100
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
- List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>
Am 06.03.2014 um 01:45 schrieb moneymind <moneymind AT gmx.de>:
Hallo Arne,
danke für Deine Antwort.
Du schreibst:* To big to fail.
* Too interconnected to fail
* Auflösung der Machtkonzentration des Bankensektors
* Keine Bankenruns
* Stabilisierung der Finanzmärkte
* Billigere und vielfältigere Finanzierung der Realwirtschaft
* Stop der Ausbeutung der Realwirtschaft durch den Finanzsektor
Ok - sehe ich alles auch als Teilprobleme an, die gelöst werden müssen. Der Finanzsektor muß m.E. stark reguliert werden, ähnlich wie das nach der Weltwirtschaftskrise und WK II gemacht wurde.
genau hier scheiden sich die Geister. Ich bin kein Freund von Regulierungen, weil dadurch die Wirtschaftsteilnehmer in einen Konflikt gestoßen werden. In extremen Situationen lautet der Konflikt: Entweder ich verstoße gegen die Regeln, oder ich verschwinde vom Markt oder erleide einen signifikanten Verlust.
Die Notwendigkeit viele Regeln aufstellen zu müssen ist für mich ein Zeichen, dass die Struktur des Systems nicht optimal ist.
Was wir brauchen sind m.E. Systeme, in denen das eigene Interesse im Gleichklang mit dem Gemeinwohl steht. Ich plädiere für Systemstrukturen, in denen das gewünschte Verhalten auf „natürliche“ Weise entsteht.
Beispiel:
Wenn man nicht möchte, dass Fahrzeuge auf dem Gehweg parken, dann kann man wie folgt vorgehen:
Regelungsansatz: Verbotsschilder aufstellen und die Einhaltung durch Politessen überwachen.
Strukturansatz: Durch bauliche Maßnahmen, wie z.B. hohe Bordsteine und/oder Poller, das Parken mehr oder weniger unmöglich machen.
In meinem Vorschlag Währungsinfrastruktur in öffentlicher Hand gibt es fast keine Regel und alle Teilnehmer sind gleichberechtigt.
Das gewünschte Verhalten wird durch bedingte Transparenz, automatischer Qualitätskontrolle und den sog. empfohlene, standardisierten und ausgewogenen Verträgen erreicht. http://wiki.piratenpartei.de/AG_Geldordnung_und_Finanzpolitik/GFO_2.0/EPMS#Empfohlene.2C_standardisierte_und_ausgewogene_Vertr.C3.A4ge
Es fehlen m.E. aber in Deiner Liste enorm wichtige Dinge, wie die Verteilungsfrage und die Frage von Arbeitsmärkten, Vollbeschäftigung, Konjunkturpolitik, die Frage des Verhältnisses von Markt und Staat nicht nur bei der Geldschöpfung, sondern auch bei der Fiskalpolitik, etc.
Beispielsweise habe ich auf der ThinkTwice-Konferenz auch ein Vorschlag zum Abbau der Arbeitslosigkeit gemacht, der gar nichts mit dem Währungssystem zu tun hat: http://thinktwice.pp-international.net/PPI/TT2014.nsf/session.xsp?action="openDocument&documentId=3E6BC55DD0F51DF7C1257C60007F2739
Auf den Vortragsfolien zur ThinkTwice Konferenz habe ich am Ende eine Gegenüberstellung der charakteristischen Eigenschaften vom derzeitigen System, Bitcoins und meinem Vorschlag (Cooperative Currency Infrastructure): http://wiki.piratenpartei.de/Datei:ThinkTwice_2014_Euro_-_Fundamental_reforms_instead_of_Fix_Packs.pdf
Ich schrieb:Du erwähnst da nur „die Finanzkrisen der letzten Jahre", erklärst aber nicht, wie diese aus
Deiner Sicht zustande kamen.
Du hast geantwortet:Dazu habe ich ein Paper geschrieben: Ursachen und Chancen der Finanzkrise. Es bezieht sich primär auf die Finanzkrise 2007/2008.
Es ist über die Seite bearbeitete Themen verfügbar: http://wiki.piratenpartei.de/AG_Geldordnung_und_Finanzpolitik/Aufbereitete_Themen#Finanzm.C3.A4rkte
Danke - sieht interessant aus. Sind diese papers auch auf Deiner Mitgliederprofil-Seite verlinkt, sodaß ich sie bei Bedarf dort schnell wieder finden kann?
Gute Anregung. Meistens war ich bisher zu faul dazu.
Ja, aber auch Gocht.
Beziehst Du Dich mit Deinen Vollgeld-Ideen auf Fisher und Huber?
Darüber hinaus habe ich schon als Student gekocht, dass durch die Einführung der EDV und damit verbundenen Einführung des Girokontos für Jedermann, Schritt für Schritt die Geldschöpfung und der damit verbundene Geldschöpfungsgewinn dem Staat durch die Banken entzogen wurde. - Und keine Schein hat’s interessiert.
Wau! - Den Finanzsektor als die "Mutter Theresa" der Volkswirtschaft zu betrachten - halte ich für etwas gewagt.
Ich glaube, da haben wir uns ziemlich mißverstanden, wohl weil wir unter dem Begriff "Geldsystem" verschiedene konkrete Dinge verstehen.
Ich meinte: die Prosperitätsphase nach WK II (45-75) lief ja auf der Basis eines zweistufigen Bankensystems ohne Vollgeldstruktur, also mit fraktionalem Reservebanking - allerdings auf der Basis eines völlig anderen internationalen Währungssystems als heute, unter dem Währungsspekulation schlicht unmöglich und damit die Devisenmärkte schon mal für Spekulanten geschlossen waren, strikt regulierten Finanzmärkten, und einer völlig anderen wirtschaftspolitischen Strategie, als sie heute gefahren wird.
Es fällt mir sehr auf, daß der Fokus hier sehr auf dem "Geldsystem" liegt, dagegen Wirtschaftspolitik, Arbeitsmarkt, Finanzmarktregulierung, internationales Währungssystem etc. so gut wie nie vorkommen.
Den Begriff Geldsystem verwende ich meistens synonym mit Währungssystem.Bist du sicher, dass es das Geldsystem war, das diesen Wohlstand gebracht hat? Diese These sollten wir mal intensiver diskutieren.
Können wir gerne machen. M.E. war es eine bestimmte Konstellation innerhalb des "modernen Geldsystems" (darunter verstehe ich jetzt mal grob eine "Zivilgesellschaft" mit Eigentums- und Vertragsrecht und fraktionalem Reservebanking und einer Klasse von Lohnabhängigen), geprägt durch eine bestimmte, international praktizierte wirtschaftspolitische Strategie. Also eine "Regulationsform" des Kapitalismus, wenn Du so willst.Und wenn wir über Wohlstand reden, dann stellt sich die Frage: Wohlstand für wen?
Klar. Ich meinte damit, ein relativ hohes Wohlstandsniveau für die Have-Nots, die Lohnabhängigen (die sich in dieser Zeit zum ersten Mal in der Geschichte auf breiter Basis z.B. ein Häusle hinstellen und ein Auto leisten konnten).
Dieser relative Wohlstand wird seit Mitte der 70er in der neuen, "finanzkapitalistischen" Regulationsform wieder abgebaut (und die Liberalisierung der Finanzmärkte spielte dafür eine wichtige Rolle).Ich möchte niemandem die Butter vom Brot kratzen, aber die globalen Fehlentwicklungen gehen zu einem erheblichen Teil auf das Konto des Geldsystems.
Da müßte ich genauer wissen, was Du mit "Geldsystem" meinst - und meine Frage wiederholen: wie kam Deiner Meinung nach die Prosperitätsphase nach WK II zustande (die ja kaum Finanzkrisen und Börsenexzesse kannte)?
Die Prosperitätsphase hat m.E. mehrere Väter und Mütter. Das Geldsystem hat damit zu tun. Siehe weiter unten, aber deine Frage selbst, ist m.E. eine eigene Diskussion.
sich dann aber in ein Casino-System mit steigender Arbeitslosigkeit und sich verschärfender Umverteilung von
unten nach oben entwickelt hat,Die verschärfte und globale Ungleichverteilung des Vermögens hat m.E. eine entscheidende Wurzel im Geldsystem und dem daraus resultierenden Finanzsektor.
Nochmals die Frage: wie erklärt sich dann die Prosperitätsphase 45-75? Hat sich Deiner Ansicht nach das Geldsystem seither entscheidend verändert oder ist es nach wie vor dasselbe?
Interessanter weise waren es die Computer und weniger die Regeländerungen, die zu dieser entscheidenden Änderung geführt haben.
Gib jemandem eine Gelddruckmaschine und er wird den ganzen Tag nichts anderes machen als Geld drucken und versuchen die Welt zu kaufen.
Und genau das passiert heutzutage mit den diversen Finanzmarktprodukten.
Unser heutiges Geldsystem hat seine Architektur aus dem 19. Jahrhundert. Selbst wenn wir heute intensiv Computer einsetzen, ist es im Kern ungefähr so, wie wenn man versucht einen Ochsenkarren zum fliegen zu bringen. Ich meine es ist einfacher, wenn man gleich Flugzeuge baut und genau das versuche ich mit meinem Vorschlag zu machen.
Du redest in Rätseln ...Die keynesianische Tradition einer "monetären Theorie
der Produktion" kommt einem solchen Verständnis weitaus näher als das
gegenwärtig in den Köpfen dominierende neoklassische Modell, indem
Geld tatsächlich "keine Rolle spielt“.Egal, ob Keynes oder Klassik, Modelle und Theorien, deren Axiome sich nicht auf Tatsachen beziehen, können nicht für sich in Anspruch nehmen, dass mit ihnen logische Schlüsse gezogen werden können.
Ja, da sind wir uns einig - deswegen meine ich ja, daß eine Fundierung der keynesianischen Einsichten (extrem wichtige makro-Einsichten) in die Funktionsweise "monetärer Produktion" eine Fundierung in einer richtigen Beschreibung der tatsächlichen kreditären und monetären Prozesse brauchen. Das denken auch viele Postkeynesianer - die modern monetary theorists z.B.
Es erstaunt mich auch, daß innerhalb der AG offensichtlich manche ein
supermonetaristisches Vollgeld, andere dagegen die Abschaffung von
Zentralbanken (wäre m.E. fatal) anstreben. Kann es sein, daß das
Verhältnis zwischen ZB und GBen sowie v.a. die Entstehung, Ziele
(Inflationsziel z.B.) und (gesamtwirtschaftlichen) Funktionen von ZBen
noch nicht wirklich diskutiert wurden?Diskutiert schon, aber von einem Konsens sind wir weit entfernt.
Aber ich denke solche Diskussionen müssen immer wieder aufgegriffen werden.
Ok.
Danke erstmal für die Hinweise, Arne - ich muß mich erst nach und nach reinfinden in Eure AG, und Euch bißchen besser kennenlernen.
Nichts für ungut. Ich dachte, dass eine Mumble-Diskussionsrunde genau hierfür hilfreich sein könnte.
Viele Grüße
Arne
Die "Vollgeld"-Perspektive ist für mich auch Neuland. In Diesem Sinne, vielen Dank für den Austausch und das Kennenlernen und auf viele fruchtbare Diskussionen in der Zukunft :-)
--
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- Re: [AG-GOuFP] Geschäftsbanken an Staatshandeln interessiert, um ZB-Zins zu senken?, Arne Pfeilsticker, 05.03.2014
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- Re: [AG-GOuFP] Geschäftsbanken an Staatshandeln interessiert, um ZB-Zins zu senken?, Axel Grimm, 11.03.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geschäftsbanken an Staatshandeln interessiert, um ZB-Zins zu senken?, Axel Grimm, 05.03.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geschäftsbanken an Staatshandeln interessiert, um ZB-Zins zu senken?, Axel Grimm, 05.03.2014
- [AG-GOuFP] "Geldsystem", Finanzsektor, moneymind, 06.03.2014
- Re: [AG-GOuFP] "Geldsystem", Finanzsektor, Arne Pfeilsticker, 09.03.2014
- Re: [AG-GOuFP] "Geldsystem", Finanzsektor, Ex-SystemPirat, 09.03.2014
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- Re: [AG-GOuFP] "Geldsystem", Finanzsektor, Ex-SystemPirat, 10.03.2014
- Re: [AG-GOuFP] "Geldsystem", Finanzsektor, Ex-SystemPirat, 09.03.2014
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- Re: [AG-GOuFP] Nachtrag, Ex-SystemPirat, 12.03.2014
- Re: [AG-GOuFP] Nachtrag, Exile (O.Herzig), 12.03.2014
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- Re: [AG-GOuFP] "Geldsystem", Finanzsektor, Arne Pfeilsticker, 09.03.2014
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