ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik
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- From: <CU_Mayer AT Menschen-gerechte-Gesellschaft.de>
- To: "'tobego'" <tobego AT web.de>, <AG-Geldordnung-und-Finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de>
- Subject: Re: [AG-GOuFP] Endogene und Exogene Geldsysteme
- Date: Sun, 12 Feb 2012 00:23:17 +0100
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
- List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>
- Organization: Evult
Ahoi,
zum Thema „Wie kann eine Kreditvergabe ohne Zins funktionieren?“:
Nicht die Zinshöhe ist entscheidend sondern die Alternativen der Geldanlage. Wenn Geld von sich aus an Wert verliert, wie jede andere Handelsware auch, dann lohnt sich die Investition auch dann, wenn sie nur den Wert des Geldes erhält.
Ein Ausschnitt zum Regelmechanismus in einem System mit umlaufgesichertem Geld (nur eines der erarbeiteten Modelle, es gibt noch andere):
Da ein wichtiger Motor für Renditestreben die Angst vor Verlust von Vermögen ist, wäre es auch wichtig, den Vermögenserhalt auch in einem zinslosen System aufrecht zu erhalten. Findet eine Geldentwertung durch Demurrage (fließendes Geld) oder auch Inflation statt, dann muss für Investoren ein Gelderhalt garantiert sein. Bei der Demurrage würde derselbe Betrag zurückbezahlt werden, der vorher einbezahlt wurde (weil es keine Inflation gibt).
Wenn man ein zinsloses Finanzsystem anstrebt, muss man neue Lösungen für den Zins-Regelungsmechanismus finden. Denn man muss ja verschiedenen Risiken Rechnung tragen. Dieser würde wie folgt erzeugt werden:
Der Kreditantrag wird von der Bank bewertet. Die Kriterien dazu bleiben wie bisher: Kreditwürdigkeit, Einkommen, vergangene Zahlungsmoral, Sicherheiten, Qualität des Geschäftsplans usw.
Der Kreditnehmer muss eine Versicherung über den entliehenen Betrag abschließen. Die Versicherungsgebühr würde der Kreditnehmer bezahlen müssen. Die Höhe des monatlichen Betrages würde auf der Bewertung der Bank basieren und vom Versicherungskonzern festgelegt werden. Die Bank hat das Recht, unseriöse Versicherungsverträge nicht anzuerkennen und in diesem Fall die Kreditvergabe zu verweigern. Umgekehrt werden auch Banken einem Rating unterzogen. Vergeben Banken leichtfertig Kredite, die dann zum Verlust führen, kann der Versicherungskonzern ein höheres Risiko ansetzen.
Da der Versicherungsbetrag die Höhe des Risikos widerspiegelt, wäre damit der Regelungsmechanismus ersetzt, den heute der Zins übernimmt. Risikogeschäfte müsste der Kreditnehmer nach wie vor mit einem Risikoaufschlag bezahlen. Nur gibt es eben kein exponentielles Schuldenwachstum durch Zinseszins mehr, sondern einen konstanten oder sinkenden Risikoversicherungsbeitrag. Schulden können also schlimmstenfalls monatlich um den Versicherungsbetrag steigen, nicht mehr.
Ebenso kann die Rückzahlungsdauer als Regelung verwendet werden. Das geht so: Je höher das Risiko, desto schneller muss der Kredit abbezahlt werden. So kann man dort z.B. eine Rückzahlung innerhalb von 4 Jahren fordern, was einer monatliche Rate von ca. 2% des geliehenen Betrags entspricht. Bei geringem Risiko (wie ein Wohnungskauf bei gesichertem Einkommen) könnte die Rückzahlung innerhalb von 20 Jahren angesetzt werden, was monatlich ca. 0,4% des geliehenen Betrags entspricht.
Auch auf diese Weise ist ein Regelungsmechanismus möglich, der die Verteilung und die Wettbewerbsfairness bei Kreditvergabe sinnvoll reguliert. Die „optimale Verteilung von Ressourcen“, die bisher behauptete unersetzbare Funktion des Zinses, wird also vollständig ersetzt. Ohne die negativen Nebenwirkungen durch exponentielles Vermögenswachstum.
deutsche Banken prüfen Kredite relativ gut, die Kreditausfallrate liegt bei ca. 2%. Das Prinzip einer Versicherung ist, dass alle einen kleinen Betrag zahlen und damit eine geringe Anzahl Schadensfälle abfangen. Das heißt hier, dass im Durchschnitt 2% (+Verwaltungsaufschlag) der Gesamtsumme als Versicherungsbeiträge bezahlt werden, also bei 100.000 Euro im Durchschnitt gesamt 2.000 Euro. Je nachdem, wie hoch das Risiko für den Kredit eingestuft wird, muss der Geldnehmer einen höheren Prozentsatz zahlen oder einen geringeren (wohlgemerkt nicht jährlich sondern über die Gesamtlaufzeit hinweg!).
Der Satz kann sogar noch kleiner sein, denn: Der Schuldner wird durch die Versicherung nicht vollständig entlastet sondern bleibt für seine Schuld haftbar (wobei es einen gewissen Prozentsatz Fälle mit Privatinsolvenz gibt), die Versicherung sichert jedoch den Geldgeber gegen Verlust oder Zahlungsverzögerung ab. Die Schuldner müssen also in vielen Fällen im Lauf der Zeit ihre Schuld begleichen, wodurch die Versicherungskosten niedriger liegen als bei 2%, damit auch die Versicherungsbeiträge.
In keinem Fall werden die Beiträge im Erfolgsfall zurückbezahlt, sonst wäre es ja keine Versicherung. Versicherungen stehen in gegenseitiger Konkurrenz und können nicht einfach beliebigen Profit aus so etwas schlagen. Wenn man das Thema Profit komplett ausschalten will, kann man das Modell „Social Business“ von Nobelpreisträger Mohammad Yunus verwenden. Unternehmen nach diesem Prinzip sind normale Wirtschaftsunternehmen, jedoch dürfen sie keine Gewinne ausschütten, müssen diese durch Preissenkungen oder Reinvestition an die Kunden weitergeben.
Zur Frage: „Was ist der Unterschied zwischen Gewinn aus unternehmerischer Tätigkeit und Zinsen? Eine Versicherung hat Kapital und wettet darauf, dass Du als Kreditnehmer nicht ausfällst, erwartet dafür eine risikogerechte Entlohnung -- das ist für mich Zins.“
Der Unterschied ist: Der Unternehmer leitet ein Unternehmen, erbringt die Leistung der Organisation, Analyse des Kurse und der Steuerung. Der Unternehmer trägt das Risiko seines Geschäftes, kann damit Gewinn erzielen, wenn er es richtig macht und kann auch Schiffbruch erleiden, wenn er suboptimal handelt. Jedenfalls bis zu einem Grad, in dem sein Einkommen noch in einem Bereich liegt, der noch durch Bedürfnisbefriedigung verwendet werden kann (das Höchstvermögen in Deutschland liegt um Faktor 200.000 über dem Durschschnittsvermögen von 91.500 Euro, wieviel müsste er wiegen, wenn er so viel mehr essen würde?) hat der Unternehmer sein Einkommen durch aktives Handeln/ Leistung und getragenes Risiko verdient.
Bei Aktienrenditen und –kursgewinnen trägt der Anleger das kleinste Risiko - er kann innerhalb von 5 Minuten verkaufen – das größte Risiko tragen die Mitarbeiter des Unternehmens und die von den Kunden bezahlte Leistung bringen ebenfalls die Mitarbeiter. Der Aktienbesitzer erbringt während seines Aktienbesitzes keinerlei Leistung. Das so erzielte Vermögenseinkommen macht 420 Mrd. Euro jährlich aus.
Bei Zinsen handelt es sich letztlich um Kreditverträge, der Kreditempfänger bekommt Geld für z.B. Investitionen und trägt das Risiko für seine Unternehmung. Scheitert er, dann bleibt er verschuldet und verpflichtet, das Geld zurückzuzahlen. In einigen Fällen klappt dies nicht. Das betrifft 2% der Kreditvergabegelder innerhalb der Kreditlaufzeit. Ich kenne zwar die durchschnittliche Kreditlaufzeit bis zum Kreditausfall nicht, sie ist aber sicher höher als 1 Jahr. Nehmen wir an, es sind 10 Jahre. Dann muss die Bank also einen durchschnittlichen Risikoaufschlag von 0,2% pro Jahr, bei 100.000 Euro Kredit also 200 Euro jährlich, gesamt 2.000 Euro berechnen. Dazu kommen 1,6% des Gesamtbetrages jährlich Verwaltungsaufwand und Inflationsausgleich der Bank (das entspricht dem Schnitt), also 1600 Euro jährlich, gesamt also 16000 Euro. Macht zusammen Kosten von 18.000 Euro innerhalb 10 Jahren, die dem Kreditgeber zugestanden werden sollten. Der risikobezogene Anteil beträgt also, bezogen auf die realen Kosten, im Schnitt ganze 11%. So groß ist also das Risiko des Kreditgebers nicht – und: er trägt nichts durch Eigenleistung bei (im Unterschied zum Unternehmer). (Vorsicht mit den Zahlen diesbezüglich, dass wir aufgrund der exzessiven Geldschöpfung heute eine Inflation haben, die klar über 1,6% liegt, diese Zahl kommt aus dem Schnitt der vergangenen Jahre.)
Zins bedeutet nicht eine jährlich gleichbleibende Rate von 1,8% sondern eine Rate von durchschnittlich ca. 5%, die wiederverzinst wird, also durch Zinseszins exponentiell wächst. Aus 100.000 Euro werden dadurch innerhalb 10 Jahren 162889 Euro. Die Differenz, 44.889 Euro ist der Gewinn des Kreditgebers, der nicht durch Risiko oder Inflation oder Verwaltungsaufwand erzeugt wird sondern durch die Machtverhältnisse auf dem Geldmarkt.
Das hört sich noch nicht so schlimm an, doch je länger die Laufzeit, desto krasser wird die Differenz. 100.000 Euro nach 10 Jahren: 162.889€, nach 20: 265.330, 30: 432.194, 40: 703.998, 50: 1.146.740 Euro
Dazu kommt, dass die Reichsten in Deutschland wesentlich höhere Renditen einstreichen, Du kannst mal die Renditen ausrechnen, die die Milliardäre minimal erzielt haben müssen, um in der Zeit ihres Vermögensaubaus auf das heutige Vermögen gekommen zu sein. Bei den Aldi-Brüdern sind das >22% (wenn sie nichts ausgegeben hätten). Umgerechnet ist das ein Stundenlohn von brutto ca. 500.000 Euro. Zeige mir einen Menschen, der diese Wertschöpfung durch seine eigene Leistung erzeugt.
Darüber hinaus wir Einkommen aus Vermögen wesentlich geringer besteuert als Einkommen aus Arbeit. Die Renditen werden sogar faktisch mit nahezu 0% versteuert, wenn sie aus Anlagen vor 2008 stammen.
Dann argumentieren ganz schlaue, dass der Zinseszinseffekt ja nicht gelte, weil die Empfänger der Zinsen und Renditen das Geld ja über Ausgaben wieder in die Wirtschaft bringen. Doch je reicher die Menschen, desto weniger geben sie anteilig für Konsum aus. Bei der Einkommenskategorie >5.000 Euro monatlich liegt die Konsumquote bei 50%, (http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Content/Statistiken/WirtschaftsrechnungenZeitbudgets/LaufendeWirtschaftsrechnungen/Tabellen/Content75/KonsumausgabenGebietsstaende,templateId=renderPrint.psml) bei den Superreichen bei ca. 1%. Das bedeutet: Sie bringen das Geld eben nicht zurück in die Wirtschaft, sondern sie sparen stattdessen immer mehr und mehr an. Nicht nur, dass sie einmal getätigte Anlagen laufen lassen, sie schließen immer neue Geldanalagen ab.
Fakt ist: 550 Mrd. Euro jährlich sind Vermögenseinkommen aus Zinsen, 420 Mrd. aus Renditen (Aktien & Co) + sonstige = 1.030 Mrd. Euro jährlich. Das wären 12.875 Euro jährlich pro Bürger (inkl. Rentner & Kinder). Praktisch haben die einkommensmäßig gesehen unteren 80% nahezu keinen Anteil daran (wieviel hat Du pro Jahr (als Informatiker gehörst Du vermutlich zu den Top 40%)? Deine Freunde?), die oberen 10% in Deutschland ca. 60% Anteil daran, in den USA haben die oberen 1% 60% Anteil daran.
Christoph
Von: ag-geldordnung-und-finanzpolitik-bounces AT lists.piratenpartei.de [mailto:ag-geldordnung-und-finanzpolitik-bounces AT lists.piratenpartei.de] Im Auftrag von tobego
Am 09.02.2012 22:12, schrieb Nicolai Haehnle:
Den Vorschlag gibt es schon ewig lang: du mußt nur Geldhaltung mit Kosten belasten. der Negativzins, Schwundgeld und co ist das gleiche in Grün - wie du es nennst oder ob du vorher oder nachher zahlst = zins |
- Re: [AG-GOuFP] Endogene und Exogene Geldsysteme, (fortgesetzt)
- Re: [AG-GOuFP] Endogene und Exogene Geldsysteme, Heinz-Ulrich Eisner, 12.02.2012
- Re: [AG-GOuFP] Endogene und Exogene Geldsysteme, tobego, 10.02.2012
- Re: [AG-GOuFP] Endogene und Exogene Geldsysteme, axel . grimm, 11.02.2012
- Re: [AG-GOuFP] Endogene und Exogene Geldsysteme, Heinz-Ulrich Eisner, 12.02.2012
- [AG-GOuFP] Endogene und Exogene Geldsysteme, tobego, 13.02.2012
- Re: [AG-GOuFP] Endogene und Exogene Geldsysteme, Heinz-Ulrich Eisner, 15.02.2012
- Re: [AG-GOuFP] Endogene und Exogene Geldsysteme, Enter-Mario, 16.02.2012
- [AG-GOuFP] Endogene und Exogene Geldsysteme, tobego, 13.02.2012
- Re: [AG-GOuFP] Endogene und Exogene Geldsysteme, MonikaHerz AT t-online.de, 13.02.2012
- [AG-GOuFP] Endogene und Exogene Geldsysteme, tobego, 13.02.2012
- Re: [AG-GOuFP] Endogene und Exogene Geldsysteme, CU_Mayer, 12.02.2012
- Re: [AG-GOuFP] Endogene und Exogene Geldsysteme, Piratos aka. Tobias, 12.02.2012
- Re: [AG-GOuFP] Endogene und Exogene Geldsysteme, CU_Mayer, 12.02.2012
- Re: [AG-GOuFP] Endogene und Exogene Geldsysteme, CU_Mayer, 12.02.2012
- Re: [AG-GOuFP] Endogene und Exogene Geldsysteme, Piratos aka. Tobias, 12.02.2012
- Re: [AG-GOuFP] Endogene und Exogene Geldsysteme, CU_Mayer, 12.02.2012
- Re: [AG-GOuFP] Endogene und Exogene Geldsysteme, tobego, 13.02.2012
- Re: [AG-GOuFP] Endogene und Exogene Geldsysteme, Nicolai Haehnle, 12.02.2012
- Re: [AG-GOuFP] Endogene und Exogene Geldsysteme, Ulrike Mös, 12.02.2012
- Re: [AG-GOuFP] Endogene und Exogene Geldsysteme, CU_Mayer, 12.02.2012
- Re: [AG-GOuFP] Endogene und Exogene Geldsysteme, Axel Grimm, 12.02.2012
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