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ag-meinungsfindungstool - Re: [Ag Meinungsfindungstool] Alltagshandeln als Grundlage für Ideen / Vorstellung

ag-meinungsfindungstool AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Ag-meinungsfindungstool mailing list

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Re: [Ag Meinungsfindungstool] Alltagshandeln als Grundlage für Ideen / Vorstellung


Chronologisch Thread 
  • From: Dinu Gherman <gherman AT darwin.in-berlin.de>
  • To: ag-meinungsfindungstool AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [Ag Meinungsfindungstool] Alltagshandeln als Grundlage für Ideen / Vorstellung
  • Date: Fri, 14 Dec 2012 15:33:24 +0100
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-meinungsfindungstool>
  • List-id: <ag-meinungsfindungstool.lists.piratenpartei.de>

Am 14.12.2012 um 12:37 schrieb Slash:

> Der Sinn des Diskussionssystems ist u.A. eine Versachlichung der
> Diskussion. Schlagabtausch impliziert ja rhetorische Tricks oder
> Polemik in der Diskussion; genau solchen Erscheinungen soll das
> Diskussionssystem in seiner Gesamtheit entgegenwirken.

"Versachlichung" ist ein schönes Stichwort. Ich habe mich gerade gefragt, bei
welchem vorhandenen Diskussionssystem ich das schon als gegeben vorgefunden
hätte? Mir wollte aber nichts einfallen. Bei Mailinglisten und Web-Foren ganz
sicher nicht, und schon gar nicht bei piratischen mit besonders hohem
Trollfaktor. Nicht einmal bei LQFB, das genau diese "Versachlichung"
erreichen wollte, aber nicht zuletzt durch Superdelegierte letztlich wieder
Köpfe und Emotionen gegeneinander und über Fakten stellt. Auch die üblichen
Talk-Shows machen seit jeher nichts anderes und bieten keinerlei
"Versachlichung", sondern Unterhaltung und meist schlechte noch dazu.

Meine Vermutung ist, dass "Versachlichung" mehr als nur nicht "sexy" klingt,
und wen wird das auch wundern? Heutige Betreiber klassischer
Meinungsbildungs- und Diskussionssysteme unserer Medienlandschaft haben kein
Interesse an "Versachlichung", weil es ihnen zum allergrößten Teil nur noch
um die "Quote" geht, und die braucht das Gegenteil von "Versachlichung".

Und die "Basis" findet "Versachlichung" auch nicht sexy, weil sie sich ja
dabei mit Inhalten beschäftigen müsste, was nicht nur nach Arbeit klingt,
sondern auch eine ist. Und damit man das von der "Basis" überhaupt verlangen
kann, muss es schon ein bischen spannend sein und am besten auch öfter mal
überkochen, sonst kommt da keine "Freude" auf. Das zeigt sich u.a. schon an
diversen "Spaßanträgen" auf einem BPT.

Und selbst Teilnehmer des etablierten Politikbetriebs haben nach einer
bestimmten Eingewöhnungszeit kein Interesse mehr an "Versachlichung", weil
sie eine Messbarkeit und Vergleichbarkeit auch ihrer eigenen Handlungen
impliziert, und das will ganz natürlich eigentlich niemand mit sich machen
lassen.

Das führt dann zu Problemen z.B. mit Transparenz auch an sonst eher
unerwarteten Stellen, etwa bei den Grünen in Baden-Württemberg, die seit 1,5
Jahren ein Informationsfreiheitsgesetz blockieren. Oder man betrachte, wie
sehr viele Politiker aller Parteien mit Anfragen auf abgeordnetenwatch.de
umgehen, siehe ein nicht leuchtendes Beispiel eines Parade-Piraten:
http://www.abgeordnetenwatch.de/christopher_lauer-652-47005.html

Ich glaube inzwischen, die Vorstellung eines Systems, das eine intrinsische
"Versachlichung", quasi von sich aus mit welchen Algorithmen auch immer
herstellen soll, ist bestenfalls naiv, weil es die Bedeutung "unsachlicher",
irrationaler, emotionaler Aspekte menschlichen Zusammenlebens leugnet und
ignoriert.

Dass man diese berücksichtigen muss, zeigen die Wahlkampagnen aller Parteien.
Wie man das in einem modernen kontinuierlichem "Diskussionssystem" (und
Entscheidungssytem) machen soll, dass unparteiisch und neutral ist, das wird
die Frage sein, die man lösen muss, wenn ein System breite Akzeptanz finden
und einen tatsächlichen Fortschritt für die Demokratie darstellen soll. Ich
persönlich glaube, es wird nicht ohne den "Faktor Mensch" und damit
irgendeine Form von Moderation und Konsensfindungsprozess gehen.

Gruß,

Dinu





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