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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] Geldschöpfung und Fristentransformation

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Re: [AG-GOuFP] Geldschöpfung und Fristentransformation


Chronologisch Thread 
  • From: Arne Pfeilsticker <Arne.Pfeilsticker AT piratenpartei-hessen.de>
  • To: Peter Baum <p.baum AT posteo.de>
  • Cc: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] Geldschöpfung und Fristentransformation
  • Date: Tue, 20 Jun 2017 00:21:59 +0200


Am 19.06.2017 um 09:20 schrieb Peter Baum <p.baum AT posteo.de>:

Hallo zusammen,

ich staune nur darüber, wie man wegen einer einfachen Angelegenheit eine so umfangreiche Diskussion führen kann. Dabei ist die Sache doch ziemlich verständlich, wenn man sich die durch Überweisungen von Kunden veranlassten Geldströme in die Bank rein und aus der Bank raus und ihre jeweilige Buchung in der Bankbilanz bewusst macht:
  1. Wenn Geld in die Bank rein auf ein Kundenkonto fließt, ist das zunächst immer Zentralbankgeld (also Reserven) - es kommt ja von einer anderen Bank - und wird in der Bankbilanz als Vermögen der Bank auf die Aktivseite gebucht. Gleichzeitig entsteht aber auch Giralgeld, welches als Verbindlichkeit gegenüber dem Kunden  auf die Passivseite gebucht wird  (Bilanzverlängerung).
  2. Wenn Geld von einem Kundenkonto aus der Bank raus zu einer anderen Bank fließt, reduziert sich in der Bankbilanz sowohl die Verbindlichkeit gegenüber dem Kunden auf der Passivseite als auch das Vermögen (Reserven) der Bank auf der Aktivseite (Bilanzverkürzung), weil ja der Überweisungsbetrag mit Reserven an die andere Bank bezahlt werden muss.
Wenn nun die Bank einen Kredit vergibt durch die oft zitierte und doch wohl unbestrittene Bilanzverlängerung, ist Giralgeld zunächst aus dem Nichts entstanden, und die Bank hat  erst dann ein Problem, wenn dieser Kredit aus der Bank raus fließt, daher muss sie für diesen Fall vorsorgen und hat dazu zwei Möglichkeiten:
  1. Sie leiht sich die benötigten Aktiva (Reserven)  im Bedarfsfall bei der Zentralbank oder einer Geschäftsbank. Dazu braucht sie zwar keine Fristentransformation = Liquiditätsplanung, muss aber Zinsen zahlen.
  2. Sie verzichtet weitgehend auf eine Kreditaufnahme bei anderen Banken sondern sorgt durch Fristentransformation=Liquiditätsplanung dafür, dass sie für den Geldstrom aus der Bank raus über genügend Aktiva verfügt.
Letzteres fällt ihr natürlich umso leichter, je mehr Kunden sie hat, weil dann auch viel Spargeld vorhanden ist, was  ja in der Bankbilanz sowohl auf der Passivseite als Verbindlichkeit (mit einer Frist) als auch auf der Aktivseite als Bankvermögen bzw. Reserven verbucht ist (siehe oben unter 1.). Dann gibt es genügend längerfristig festgelegtes Spargeld, was auf der Aktivseite nicht sofort benötigt wird und daher eine Zeit lang für den Geldstrom aus der Bank raus verwendet werden kann.

Arne nennt die Ansammlung möglichst vieler Aktiva durch möglichst viele Kunden "Verteidigung des Geldterritoriums", wenn ich ihn richtig verstehe.

Hallo Peter,
nur zur Klarstellung: die „Verteidigung des Geldterritoriums“ bedeutet, dass im Durchschnitt der Zahlungsverkehrssaldo mit anderen Banken ausgeglichen ist. Wenn die Bank mehr (weniger) Zahlungen erhält als sie selbst an andere Banken überweist, dann konnte die Bank ihr Geldterritorium auf Kosten anderer Banken vergrößern (bzw. zu  eigenen Lasten verkleinern).

Bei der Verteidigung geht es immer um die Passiv-Seite der Bilanz, weil bei den Verbindlichkeiten der Bank hat der Kunde das Sagen, weil er die dazugehörigen Forderung hält und z.B. entscheidet, dass eine Überweisung an eine andere Bank erfolgt.

Bei der Verteidigung des Geldterritoriums spielt natürlich auch die Bilanzsumme eine wichtige Rolle. Je mehr Kunden eine Bank hat und je größer die Bilanzsumme ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Zahlungen innerhalb der Bank gemacht werden.

Viele Grüße
Arne

Wenn nun die Bank Computer kauft, kann sie natürlich dem Händler den Kaufpreis auf dessen Girokonto einerseits bereitstellen - gleichzeitig bucht sie die Computer als Sachvermögen auf die Aktivseite - , wenn sie andererseits den Kaufpreis als Aktivum für den Fall einer Überweisung vom Konto des Händlers auf Konten einer anderen Bank aufbringen kann. Durch die Notwendigkeit, über genügend Reserven für den Geldstrom aus der Bank raus zu verfügen,  gibt es sowohl für die Kreditvergabe der Bank als auch für die  dem Konsum der Bank dienende Geldschöpfung eine gewisse obere Grenze.

Wenn z.B. die GLS Bank immer davon redet, dass sie das Geld ihrer Kunden für die Kreditvergabe benötigt, meint sie genau diesen Vorgang der Vorsorge von Aktiva für den Geldstrom aus der Bank raus. Natürlich stellt auch die GLS Bank Kredite im ersten Schritt durch Bilanzverlängerung bereit und schöpft so zunächst Giralgeld aus dem Nichts, dazu benötigt sie keine Kunden. Aber wenn dieses bereitgestellte, neu geschöpfte Geld  im zweiten Schritt die Bank verlässt, - und irgendwann ist das in der Regel der Fall, umso eher, je kleiner die Bank ist - werden Aktiva (Reserven) benötigt, und das sind im Geschäftsmodell der GLS Bank eben nicht Kredite bei anderen Banken sondern Kundengelder, die in der Bankbilanz  nicht nur als Verbindlichkeit auf der Passivseite sondern auch im Bankvermögen auf der Aktivseite gebucht sind.

Da das Management dieser beiden Geldströme, welches zum Kerngeschäft einer Geschäftsbank gehört, lauter Fristen für die Verbindlichkeiten gegenüber Kunden berücksichtigen muss, und da auch die Tilgungsgelder für ausgefertigte Kredite mit Tilgungsfristen verbunden sind, kann man dieses Management grob mit Fristentransformation oder Liquiditätsplanung bezeichnen. Dabei kommt es nicht auf die Wortwahl an sondern darauf, was sich in Wirklichkeit abspielt.


Peter Baum

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