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- From: Rudolf Müller <muellerrudolf AT on22.de>
- To: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
- Subject: Re: [AG-GOuFP] Geldschöpfung und Fristentransformation
- Date: Tue, 27 Jun 2017 08:22:58 +0200
Hallo Peter,
Hallo Rudi,aus Deinen Bemerkungen entnehme ich, dass wir die Bedeutung des Zentralbankgeldes sehr unterschiedlich sehen. Deine Sichtweise kann ich sehr gut nachvollziehen, da ich auch erhebliche Überlegungen und Zeit benötigt habe, das Zentralbankgeld nicht mehr als Mittelpunkt des Geldsystems zu sehen. Die Vorstellung, "bei Überweisungen müsse man sich immer das Zentralbankgeld im Hintergrund vorstellen" hat mich nachhaltig irritiert. Theoretische Modelle wie die "Wicksellsche Idealbank" und darauf aufbauende Mehrbankensysteme haben mich jedoch überzeugt, dass die Vormachtstellung des Zentralbankgeldes nur theoretisch existiert. Dass sie juristisch sehr wohl untermauert ist, ändert daran nichts. Um den Text hier nicht ausufern zu lassen bemühe ich mich um eine Kurzfassung, die bei Bedarf durch Lesen der unten angefügten weiterführenden Quellen ergänzt werden. Bank A möchte eine Überweisung an einen Kunden der Bank B durchführen. Bank B wird den Wunsch der Bank A aber nicht erfüllen, wenn diese ihm nicht gleichzeitig einen Vermögenswert mit übereignet. Bank B übernimmt ja gegenüber dem Überweisungsempfänger eine Schuld und möchte diese von Bank A kompensiert haben. Diese Kompensation kann auf vielfachem Wege erfolgen. Einen Weg stellt das unter Banken unbestrittene Zentralbankgeld dar. Jedoch kann die Bank A auch der Bank B eine anderen Vermögenswert übereignen, ohne dafür Zentralbankgeld zu benötigen. Die Einheit des Zentralbankgeldes, heute der Euro, bildet dabei nur eine "Verrechungseinheit". Bank A übereignet mit der Überweisung an Bank B dieser eine eigene Bankschuldverschreibung. Schon ist eine Überweisung ohne Zentralbankgeld erfolgt. Zentral ist, dass Bank A und Bank B sich darüber einigen, mit welchem Vermögenswert die Überweisung kompensiert wird. Stell Dir theoretisch vor, Zentralbankgeld steht für Überweisungen nicht zur Verfügung. Trotzdem können Überweisungen getätigt werden, indem die Kompensation durch andere, zwischen den zwei Banken vereinbarten Vermögenswerte, erfolgt. Dies kann auch ein Kredit der Bank B an die Bank A sein, es wird angeschrieben. Zentralbankgeld wird nur deshalb, besonders in Krisenzeiten, benutzt, weil es ein großes Vertrauen unter den Banken besitzt. Für den Zahlungsverkehr ist es aber nicht zwingend erforderlich. Wie zudem die tatsächlichen Zahlen zeigen, wird es auch nur zu einem Bruchteil der Überweisungen benötigt. Es ist zugegebenermaßen nicht leicht, dies zu akzeptieren. Deshalb noch ein anderes, unterstützendes Argument. Kein einziger Euro kommt heute ohne Verschuldung einer Geschäftsbank zu den Nichtbanken. Demnach steht am Anfang der "Geldentstehung" immer die Erhöhung der "täglich fälligen Verbindlichkeit gegenüber Kunden". Da die Nichtbanken keinen direkten Zugang zur Zentralbank haben, müssen sie sich immer zuerst an eine Geschäftsbank wenden, wenn sie Bargeld haben wollen. Voraussetzung, von der Geschäftsbank Bargeld zu erhalten, ist ein Bankguthaben. Dies richtet Dir im bestehenden Schuldgeldsystem die Bank nur ein, wenn Du der Bank einen Vermögenswert übereignest. Für die Bank ist neben Deiner Immobilie, die Du ihr verkaufst, auch Dein Kreditvertrag ein Vermögenswert. Bist Du jetzt im Besitz eines Bankguthabens, einer Schuld der Bank Dir gegenüber kannst Du von der Bank verlangen, dass diese Dir ein Schuldversprechen einer anderen Institution verschafft. Gesetzlich ist sie dazu verpflichtet, Dir Schuldscheine der Zentralbank zu beschaffen, wenn Du dies verlangst. Aber die Bank kann Dir auch ausländische Schuldschein z. B. Dollar oder Schweizer Franken beschaffen und Dein Bankguthaben entsprechend belasten. Besitzt Du noch ein Konto bei Bank B kannst Du die Bank veranlassen, Dir ein Schuldanerkenntnis der Bank B (= Bankguthaben bei Bank B) zu verschaffen. Am Anfang steht aber immer die "Giralgedentstehung". Zahlen alle Nichtbanken ihr Bargeld bei den Geschäftsbanken zurück, bestehen nur noch Schulden der Geschäftsbanken gegenüber den Nichtbanken, der Urzustand (abgesehen vom Kopfgeld bei der Währungsreform). Das Zentralbankgeld ist ein unter Banken, und in Form von Bargeld auch unter Nichtbanken, höchst vertrauenswürdiges Zahlungsmittel, aber nicht "das" ultimative Zahlungsmittel. Zahlungen können auch ohne Zentralbankgeld rechtswirksam erfolgen, durch Übertragung von Forderungen. Durch Verrechnung können ebenfalls Zahlungen rechtswirksam getätigt werden, ohne das Zentralbankgeld in Sichtweite wäre. Die grundlegende Auffassung zum "Zentralbankgeld" sollten wir klären, bevor wir uns mit den anderen Fragen in untenstehender Mail beschäftigen. Nimm Dir auch bitte die Zeit, die 6 aufgeführten Quellen durchzulesen und bei Bedarf Fragen zu stellen. Beste Grüße Rudi Müller Weiterführende Quellen: http://www.um-bruch.net/uwiki/index.php?title=Das_Geldr%C3%A4tsel:_Zentralbanksystem http://www.um-bruch.net/uwiki/index.php?title=Das_Geldr%C3%A4tsel:_Wicksellsche_Idealbank http://www.um-bruch.net/uwiki/index.php?title=Das_Geldr%C3%A4tsel:_Zweibankensystem http://www.um-bruch.net/uwiki/index.php?title=Das_Geldr%C3%A4tsel:_Gleichschritt http://www.um-bruch.net/uwiki/index.php?title=Das_Geldr%C3%A4tsel:_Mehrbankensystem http://www.um-bruch.net/uwiki/index.php?title=Es_werde_Geld Am 26.06.2017 um 21:16 schrieb Peter Baum: Dank für Deine Anmerkungen. Meine Bemerkungen dazu findest Du unten im Text. Am 26.06.2017 um 11:20 schrieb Rudolf
Müller:
Hallo Peter,
Hallo zusammen,zu Deinen Ausführungen einige Anmerkungen unten im Text. Am 19.06.2017 um 09:20 schrieb Peter Baum: ich staune nur darüber, wie man wegen einer einfachen Angelegenheit eine so umfangreiche Diskussion führen kann. Dabei ist die Sache doch ziemlich verständlich, wenn man sich die durch Überweisungen von Kunden veranlassten Geldströme in die Bank rein und aus der Bank raus und ihre jeweilige Buchung in der Bankbilanz bewusst macht:
Wenn eine Überweisung von einem Girokonto bei der Bank A auf ein Girokonto bei der Bank B erfolgt. dann erhält entweder die Bank B von der Bank A entsprechende Reserven durch Buchung auf Zentralbankkonten oder Konten bei Clearinghäusern, oder die Bank B bucht auf die Aktivseite ihrer Bilanz eine entsprechende Forderung an die Bank A. Durch die Buchung einer solchen Forderung ist aber nach meiner Auffassung noch kein Zentralbankgeld aus der Bank A raus und in die Bank B rein geflossen, dies geschieht erst dann, wenn die Forderung durch Buchungen auf Zentralbankkonten oder Konten bei Clearinghäusern erfüllt wird - oder siehst Du das anders? http://www.um-bruch.net/uwiki/index.php?title=Das_Geldr%C3%A4tsel:_Geldarten Auf der Aktivseite der Bank steht aber ein neuer Vermögenswert. Das Schuldversprechen des Kreditnehmers. Dies ist ebenso ein Vermögenswert wie z. B. eine Immobilie oder ein Barren Gold, welche ebenfalls mit neu geschaffenen Zahlungsversprechen der Bank bezahlt werden. Die Bank stellt Dir also kein neues Zahlungsmittel zur Verfügung, ohne gleichzeitig von Dir einen Vermögenswert zu erwerben. Bei diesem Vorgang kann ich das "Nichts" nicht erkennen. Na ja, "Geld aus dem Nichts" ist eine etwas laxe, aber übliche Formulierung für die Tatsache, dass schon im Moment dieser beiden Buchungen die Geldmenge M1 um eben den Kreditbetrag gewachsen ist. Sie ist immerhin der ernst gemeinte Titel eines Buches zum Thema Geldschöfung von Mathias Binswanger. , und die Bank hat erst dann ein Problem, wenn dieser Kredit aus der Bank raus fließt, daher muss sie für diesen Fall vorsorgen und hat dazu zwei Möglichkeiten:
Hier stimme ich Dir voll zu. In diesen Einzelheiten kenne ich mich nicht aus. Das Gleichheitszeichen ist wohl fehl am Platz. Was geschieht denn, wenn ein Kunde der Bank einen Teil seines Giroguthabens in einem längerfristigen Sparmodell bei seiner Bank festlegt? Wo ist da der Zufluss an Zahlungsmittel? Dann erhöht sich in der Tat nicht das Bankvermögen auf der Aktivseite. Aber der Zufluss ist vorher erfolgt, nämlich beim Aufbau des Giroguthabens, der ja in der Regel durch Überweisungen von außen erfolgt (z.B. durch Gehaltszahlungen). Arne nennt die Ansammlung möglichst vieler Aktiva durch möglichst viele Kunden "Verteidigung des Geldterritoriums", wenn ich ihn richtig verstehe. Wenn nun die Bank Computer kauft, kann sie natürlich dem Händler den Kaufpreis auf dessen Girokonto einerseits bereitstellen - gleichzeitig bucht sie die Computer als Sachvermögen auf die Aktivseite - , wenn sie andererseits den Kaufpreis als Aktivum für den Fall einer Überweisung vom Konto des Händlers auf Konten einer anderen Bank aufbringen kann. Durch die Notwendigkeit, über genügend Reserven für den Geldstrom aus der Bank raus zu verfügen, gibt es sowohl für die Kreditvergabe der Bank als auch für die dem Konsum der Bank dienende Geldschöpfung eine gewisse obere Grenze. Es geht nicht nur um "Reserven" = Zentralbankgeld sondern auch um sämtliche sonstigen kurzfristigen Forderungen. Die Schaffung von neuen Zahlungsmitteln ohne entsprechende Refinanzierung hat eine Grenze, die sich zwischen den Hauptzielen einer Bank, Profit, Zahlungsfähigkeit und Vertrauenswürdigkeit einpendelt. Hier existiert sicher keine Formel zur Berechnung sondern es handelt sich um praktische Erfahrungswerte, die in die Liquiditätsplanung einfließen. So fließt die Fristentransformation, als Vorgabe der Geschäftsleitung, bereits als Strukturbeitrag in die Bankkalkulation mit ein. Ein Vorgang, der weit vor der eigentlichen Krediterteilung liegt. Dem stimme ich zu. Wenn z.B. die GLS Bank immer davon redet, dass sie das Geld ihrer Kunden für die Kreditvergabe benötigt, meint sie genau diesen Vorgang der Vorsorge von Aktiva für den Geldstrom aus der Bank raus. Natürlich stellt auch die GLS Bank Kredite im ersten Schritt durch Bilanzverlängerung bereit und schöpft so zunächst Giralgeld aus dem Nichts, dazu benötigt sie keine Kunden. Aber wenn dieses bereitgestellte, neu geschöpfte Geld im zweiten Schritt die Bank verlässt, - und irgendwann ist das in der Regel der Fall, umso eher, je kleiner die Bank ist - werden Aktiva (Reserven) benötigt, und das sind im Geschäftsmodell der GLS Bank eben nicht Kredite bei anderen Banken sondern Kundengelder, die in der Bankbilanz nicht nur als Verbindlichkeit auf der Passivseite sondern auch im Bankvermögen auf der Aktivseite gebucht sind. S. o. Nicht nur Reserven, auch andere Liquiditätsquellen fließen hier ein. Wo sind die Reserven wenn der Kunde sein Giroguthaben für längere Zeit festlegt? Hier scheitert die Ding-Geld-Ebene bei der Erklärung. Liquidität heißt doch: momentane Verfügbarkeit über Zahlungsmittel bzw. die Fähigkeit, Verbindlichkeiten fristgerecht begleichen zu können. Das geschieht im Zahlungsverkehr zwischen den Geschäftsbanken doch letztlich durch Buchungen auf Zentralbankkonten oder Konten bei Clearingstellen, also mit Reserven. Da das Management dieser beiden Geldströme, welches zum Kerngeschäft einer Geschäftsbank gehört, lauter Fristen für die Verbindlichkeiten gegenüber Kunden berücksichtigen muss, und da auch die Tilgungsgelder für ausgefertigte Kredite mit Tilgungsfristen verbunden sind, kann man dieses Management grob mit Fristentransformation oder Liquiditätsplanung bezeichnen. Dabei kommt es nicht auf die Wortwahl an sondern darauf, was sich in Wirklichkeit abspielt. Die beiden Begriffe in dieser Weise gleichzusetzen wird der Bedeutung im realen Bankenbetrieb keineswegs gerecht. Auf der anderen Seite kann es ja auch sein, dass Dein Informationsbedarf mit Deiner vereinfachten Erklärung bereits gedeckt ist, auch wenn einige Fragen offen bleiben. Tiefergehende Untersuchungen und umfangreiche Diskussionen um das Bankgeschehen möglichst detailliert darzustellen kannst Du als überflüssig ansehen. Dies sei Dir unbenommen. Du erlaubst aber sicher, dass nicht alle Listenmitglieder das so sehen müssen? Das hast Du sehr nett formuliert. Tiefer gehende Untersuchungen finde ich wichtig, und sie sollten dann natürlich auch im Detail stimmig sein - und zum Betreff passen. Nach meinem Eindruck war jedoch die Diskussion unter dem Betreff " Geldschöpfung vs Fristentransformation" sehr ausufernd und teilweise mehr verwirrend als aufklärend, wobei Deine geduldigen Beiträge eher zur Klärung beigetragen haben. Mein Versuch einer vereinfachten Darstellung der Bankvorgänge als Folge einer Kreditvergabe durch das Bild der beiden Geldströme (rein und raus) ist notwendigerweise im Detail ungenau, im Übrigen aber doch wohl zutreffend. Beste Grüße Peter Baum -- ag-geldordnung-und-finanzpolitik mailinglist ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de The list homepage: https://lists.piratenpartei.de/sympa/info/ag-geldordnung-und-finanzpolitik -- ag-geldordnung-und-finanzpolitik mailinglist ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de The list homepage: https://lists.piratenpartei.de/sympa/info/ag-geldordnung-und-finanzpolitik
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- Re: [AG-GOuFP] Geldschöpfung vs Fristentransformation, (fortgesetzt)
- Re: [AG-GOuFP] Geldschöpfung vs Fristentransformation, Arne Pfeilsticker, 18.06.2017
- Re: [AG-GOuFP] Geldschöpfung vs Fristentransformation, Alexander Raiola, 18.06.2017
- Re: [AG-GOuFP] Geldschöpfung vs Fristentransformation, Alexander Raiola, 18.06.2017
- Re: [AG-GOuFP] Geldschöpfung vs Fristentransformation, Exile (O.Herzig), 18.06.2017
- Re: [AG-GOuFP] Geldschöpfung vs Fristentransformation, Rudolf Müller, 18.06.2017
- [AG-GOuFP] Geldschöpfung und Fristentransformation, Peter Baum, 19.06.2017
- Re: [AG-GOuFP] Geldschöpfung und Fristentransformation, Arne Pfeilsticker, 20.06.2017
- Re: [AG-GOuFP] Geldschöpfung und Fristentransformation, Rudolf Müller, 26.06.2017
- Re: [AG-GOuFP] Geldschöpfung und Fristentransformation, Peter Baum, 26.06.2017
- Re: [AG-GOuFP] Geldschöpfung und Fristentransformation, Alexander Raiola, 26.06.2017
- Re: [AG-GOuFP] Geldschöpfung und Fristentransformation, Rudolf Müller, 27.06.2017
- Re: [AG-GOuFP] Geldschöpfung und Fristentransformation, Arne Pfeilsticker, 28.06.2017
- Re: [AG-GOuFP] Geldschöpfung und Fristentransformation, Rudolf Müller, 29.06.2017
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- Re: [AG-GOuFP] Geldschöpfung vs Fristentransformation, Alexander Raiola, 18.06.2017
- Re: [AG-GOuFP] Geldschöpfung vs Fristentransformation, Stephan Schwarz, 18.06.2017
- Re: [AG-GOuFP] Geldschöpfung vs Fristentransformation, Rudolf Müller, 18.06.2017
- Re: [AG-GOuFP] Geldschöpfung vs Fristentransformation, Stephan Schwarz, 19.06.2017
- Re: [AG-GOuFP] Geldschöpfung vs Fristentransformation, Alexander Raiola, 19.06.2017
- Re: [AG-GOuFP] Geldschöpfung vs Fristentransformation, Rudolf Müller, 19.06.2017
- Re: [AG-GOuFP] Geldschöpfung vs Fristentransformation, Sebastian Alscher, 18.06.2017
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