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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] Geldschöpfung und Fristentransformation

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Re: [AG-GOuFP] Geldschöpfung und Fristentransformation


Chronologisch Thread 
  • From: Rudolf Müller <muellerrudolf AT on22.de>
  • To: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] Geldschöpfung und Fristentransformation
  • Date: Mon, 26 Jun 2017 11:20:28 +0200

Hallo Peter,

zu Deinen Ausführungen    einige Anmerkungen unten im Text.

Am 19.06.2017 um 09:20 schrieb Peter Baum:
Hallo zusammen,

ich staune nur darüber, wie man wegen einer einfachen Angelegenheit eine so umfangreiche Diskussion führen kann. Dabei ist die Sache doch ziemlich verständlich, wenn man sich die durch Überweisungen von Kunden veranlassten Geldströme in die Bank rein und aus der Bank raus und ihre jeweilige Buchung in der Bankbilanz bewusst macht:
  1. Wenn Geld in die Bank rein auf ein Kundenkonto fließt, ist das zunächst immer Zentralbankgeld (also Reserven) -
"Geld", das in eine Bank hinein fließt ist immer "Zentralbankgeld"? Wenn Banken sich untereinander Kredite geben sind die dabei entstehenden Forderungen kein "Geld"? Die Kredite der Banken an andere Banken betragen in Deutschland etwas über 2 Billionen €. Vergleicht man dazu die Verbindlichkeiten gegenüber der Bundesbank liegen diese im Bereich von einem Zehntel. Weil die Verbindlichkeiten der Banken untereinander in der Verrechungseinheit € notiert werden, sind sie damit noch lange kein Zentralbankgeld. 
  1. es kommt ja von einer anderen Bank - und wird in der Bankbilanz als Vermögen der Bank auf die Aktivseite gebucht. Gleichzeitig entsteht aber auch Giralgeld, welches als Verbindlichkeit gegenüber dem Kunden  auf die Passivseite gebucht wird  (Bilanzverlängerung).
  2. Wenn Geld von einem Kundenkonto aus der Bank raus zu einer anderen Bank fließt, reduziert sich in der Bankbilanz sowohl die Verbindlichkeit gegenüber dem Kunden auf der Passivseite als auch das Vermögen (Reserven) der Bank auf der Aktivseite (Bilanzverkürzung), weil ja der Überweisungsbetrag mit Reserven an die andere Bank bezahlt werden muss.
Nein, s. o.
Wenn nun die Bank einen Kredit vergibt durch die oft zitierte und doch wohl unbestrittene Bilanzverlängerung, ist Giralgeld zunächst aus dem Nichts entstanden Das Giralgeld ist nicht aus dem "Nichts" entstanden sondern durch einen Kreditvorgang, der zwei neue Schuldverhältnisse entstehen ließ. Wäre es aus dem Nichts entstanden handelte es sich um Willkürgeld.
http://www.um-bruch.net/uwiki/index.php?title=Das_Geldr%C3%A4tsel:_Geldarten
Auf der Aktivseite der Bank steht aber ein neuer Vermögenswert. Das Schuldversprechen des Kreditnehmers. Dies ist ebenso ein Vermögenswert wie z. B. eine Immobilie oder ein Barren Gold, welche ebenfalls mit neu geschaffenen Zahlungsversprechen der Bank bezahlt werden. Die Bank stellt Dir also kein neues Zahlungsmittel zur Verfügung, ohne gleichzeitig von Dir einen Vermögenswert zu erwerben. Bei diesem Vorgang kann ich das "Nichts" nicht erkennen.
, und die Bank hat  erst dann ein Problem, wenn dieser Kredit aus der Bank raus fließt, daher muss sie für diesen Fall vorsorgen und hat dazu zwei Möglichkeiten:
  1. Sie leiht sich die benötigten Aktiva (Reserven)  im Bedarfsfall bei der Zentralbank oder einer Geschäftsbank. Dazu braucht sie zwar keine Fristentransformation = Liquiditätsplanung, muss aber Zinsen zahlen.
  2. Sie verzichtet weitgehend auf eine Kreditaufnahme bei anderen Banken sondern sorgt durch Fristentransformation=Liquiditätsplanung dafür, dass sie für den Geldstrom aus der Bank raus über genügend Aktiva verfügt.
Fristentransformation und Liquiditätsplanung sind zwar eng miteinander verwoben, aber trotzdem nicht gleichzusetzen. Bei jeder Kreditgewährung betreibt die Bank im ersten Schritt Fristentransformation. Sie nimmt eine langfristige Forderung auf ihrer Vermögensseite hinzu und geht eine neues Schuldversprechen, welches täglich fällig ist, mit der Erhöhung des Bankguthabens des Kreditnehmers ein. Diese unterschiedlichen Fristen beinhalten die Fristentransformation. Die Liquiditätsplanung umfasst aber nicht nur den einzelnen Kredit sondern alle in die Bank hinein- und herausfließenden Zahlungsströme, gestaffelt nach Laufzeitbändern (siehe LiqV). Übersteigt die Fristentransformation einen unter Banken sich einstellenden Mittelwert, fließen Zahlungsmittel aus der Bank ab. Die Bank kann ihr "Geldterritorium" nicht mehr verteidigen. Die Gegenmittel sind ja bekannt. 
Letzteres fällt ihr natürlich umso leichter, je mehr Kunden sie hat, weil dann auch viel Spargeld vorhanden ist, was  ja in der Bankbilanz sowohl auf der Passivseite als Verbindlichkeit (mit einer Frist) als auch auf der Aktivseite als Bankvermögen bzw. Reserven verbucht ist (siehe oben unter 1.). Dann gibt es genügend längerfristig festgelegtes Spargeld, was auf der Aktivseite nicht sofort benötigt wird und daher eine Zeit lang für den Geldstrom aus der Bank raus verwendet werden kann.
Was geschieht denn, wenn ein Kunde der Bank einen Teil seines Giroguthabens in einem längerfristigen Sparmodell bei seiner Bank festlegt? Wo ist da der Zufluss an Zahlungsmittel?

Arne nennt die Ansammlung möglichst vieler Aktiva durch möglichst viele Kunden "Verteidigung des Geldterritoriums", wenn ich ihn richtig verstehe.

Wenn nun die Bank Computer kauft, kann sie natürlich dem Händler den Kaufpreis auf dessen Girokonto einerseits bereitstellen - gleichzeitig bucht sie die Computer als Sachvermögen auf die Aktivseite - , wenn sie andererseits den Kaufpreis als Aktivum für den Fall einer Überweisung vom Konto des Händlers auf Konten einer anderen Bank aufbringen kann. Durch die Notwendigkeit, über genügend Reserven für den Geldstrom aus der Bank raus zu verfügen,  gibt es sowohl für die Kreditvergabe der Bank als auch für die  dem Konsum der Bank dienende Geldschöpfung eine gewisse obere Grenze.
Es geht nicht nur um "Reserven" = Zentralbankgeld sondern auch um sämtliche sonstigen kurzfristigen Forderungen. Die Schaffung von neuen Zahlungsmitteln ohne entsprechende Refinanzierung hat eine Grenze, die sich zwischen den Hauptzielen einer Bank, Profit, Zahlungsfähigkeit und Vertrauenswürdigkeit einpendelt. Hier existiert sicher keine Formel zur Berechnung sondern es handelt sich um praktische Erfahrungswerte, die in die Liquiditätsplanung einfließen. So fließt die Fristentransformation, als Vorgabe der Geschäftsleitung, bereits als Strukturbeitrag in die Bankkalkulation mit ein. Ein Vorgang, der weit vor der eigentlichen Krediterteilung liegt. 

Wenn z.B. die GLS Bank immer davon redet, dass sie das Geld ihrer Kunden für die Kreditvergabe benötigt, meint sie genau diesen Vorgang der Vorsorge von Aktiva für den Geldstrom aus der Bank raus. Natürlich stellt auch die GLS Bank Kredite im ersten Schritt durch Bilanzverlängerung bereit und schöpft so zunächst Giralgeld aus dem Nichts, dazu benötigt sie keine Kunden. Aber wenn dieses bereitgestellte, neu geschöpfte Geld  im zweiten Schritt die Bank verlässt, - und irgendwann ist das in der Regel der Fall, umso eher, je kleiner die Bank ist - werden Aktiva (Reserven) benötigt, und das sind im Geschäftsmodell der GLS Bank eben nicht Kredite bei anderen Banken sondern Kundengelder, die in der Bankbilanz  nicht nur als Verbindlichkeit auf der Passivseite sondern auch im Bankvermögen auf der Aktivseite gebucht sind.
S. o. Nicht nur Reserven, auch andere Liquiditätsquellen fließen hier ein. Wo sind die Reserven wenn der Kunde sein Giroguthaben für längere Zeit festlegt? Hier scheitert die Ding-Geld-Ebene bei der Erklärung.

Da das Management dieser beiden Geldströme, welches zum Kerngeschäft einer Geschäftsbank gehört, lauter Fristen für die Verbindlichkeiten gegenüber Kunden berücksichtigen muss, und da auch die Tilgungsgelder für ausgefertigte Kredite mit Tilgungsfristen verbunden sind, kann man dieses Management grob mit Fristentransformation oder Liquiditätsplanung bezeichnen. Dabei kommt es nicht auf die Wortwahl an sondern darauf, was sich in Wirklichkeit abspielt.
Die beiden Begriffe in dieser Weise gleichzusetzen wird der Bedeutung im realen Bankenbetrieb keineswegs gerecht.

Auf der anderen Seite kann es ja auch sein, dass Dein Informationsbedarf mit Deiner vereinfachten Erklärung bereits gedeckt ist, auch wenn einige Fragen offen bleiben. Tiefergehende Untersuchungen und umfangreiche Diskussionen um das Bankgeschehen möglichst detailliert darzustellen kannst Du als überflüssig ansehen. Dies sei Dir unbenommen. Du erlaubst aber sicher, dass nicht alle Listenmitglieder das so sehen müssen?

Beste Grüße
Rudi Müller


Peter Baum

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