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Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik
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- From: moneymind <moneymind AT gmx.de>
- To: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
- Subject: Re: [AG-GOuFP] Teilnehmer am Geldsystem
- Date: Thu, 18 Sep 2014 21:12:37 +0000
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- List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>
Hi Thomas,
moneymind schrieb:
WARUM MACHT ER ES NICHT?Schwierige Frage. Ich habe ein paar lose Gedanken ohne letztendliche Schlussfolgerung:
Standardmäßig erzeugt die ZB Geld, indem sie im Gegenzug (Kauf oder Verpfändung) ein anderes Wertpapier erhält. Sie hat also ein rechtliches Mittel in der Hand, um jemanden da draußen zu zwingen, das Geld in genau gleicher Höhe wieder vorzulegen. Dieser Druck auf die Gegenseite, das Geld nicht zu versaufen/verbrennen, gibt dem Geld seine Werthaltigkeit (u.a.).
Dieser Druck ist letztlich die Androhung des Gerichtsvollziehers. Den Druck stellt der Staat (über das private Rechtssystem - BGB, Schuldrecht - bereit).
Passiert das gleiche mit dem Staat (d.h. kauft die ZB Staatsanleihen, etwa in unbegrenzter Höhe und zinslos, de facto "Geld drucken") heißt das, die ZB kann zwar fordern vom Staat das Geld zurückzuerhalten, aber der kann sich einfach weiterverschulden (Umschuldung, derzeitiger Normalfall).
Er kann sich aber im Prinzip auch einfach sofort entschulden (Steuern hoch). Der Staat als Akteur unterliegt nicht den Restriktionen des Privatrechts (BGB, Schuldrecht), weil er dieses Recht überhaupt erst herstellt und garantiert, ihm deswegen NICHT unterliegt. Öffentliches Recht (Herrschaftsrecht mit Über- und Unterordnungsverhältnissen) steht über dem Privatrecht (Recht der freien und Gleichen Bürger).
Das hat ein bisschen was von einem Ponzi-Schema.
Oder wahlweise vom Gegenteil davon - der Auspressung der Bürger (oder bestimmter Gruppen von Bürgern) durch Steuerforderungen. Der Staat hat im Prinzip freie Hand. Die Frage ist, welchen objektiven Restriktionen unterliegt er (z.B. im Verhältnis zu anderen Staaten)? Und dann, an welchen subjektiven Restriktionen bzw. Strategien orientieren die gegenwärtig Regierenden ihre diesbezüglichen Entscheidungen?
Die Antwort ist: an einer ökonomischen Ideologie.
Was wir brauchen, sind sinnvolle, in einer halbwegs korrekten gesamtwirtschaftlichen Theorie begründete gesamtwirtschaftliche Zielparameter für den Staat. Das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz mit dem "magischen Viereck" war ein Versuch, genau solche Kriterien zu entwerfen und Begründen. Sie sind einem gesellschaftlichen Machtwechsel zum Opfer gefallen: das Bündnis zwischen Finanz- und Realkapital hebelte es zugunsten monetaristischer und neo-neoklassischer Ideologie wieder aus bzw. verdrängte es.
In other words: es läuft alles auf Machtkämpfe hinaus, die über die Beeinflussung von Wahrnehmungen via ökonomische Ideologien gesteuert werden.
In der Privatwirtschaft kann man solche Ponzispiele überwachen, indem man sich die Bilanz ankuckt. Stehen da noch genug werthaltige Aktiva auf der linken Seite darf es weitergehen, ist das Eigenkapital weg (oder negativ), ist der feine Herr pleite und kann in den Knast gesperrt werden.
Was aber soll man beim Staat machen? Der Staat ist keine greifbare rechtliche Person, die Budgetentscheidungen treffen Politiker, die in vier Jahren wieder weg sind.
Der Staat ist ein Machtapparat, der nicht dem bürgerlichen Recht unterliegt, sondern es erst herstellt und garantiert.
Und vor allem: Kann der Staat sinnvollerweise eine Vermögensbilanz aufstellen?
Wird in der VGR doch gemacht, oder?
Was ist eine Straße wert? Was ein gutes Bildungssystem? Was das Recht Gesetze zu machen?
Ähnliche Bewertungsprobleme gibt es in jeder Unternehmensbilanz auch. Was beim Staat nicht wirklich bilanzierbar ist, sind seine Steuerforderungen, die auf die Aktivseite seiner Bilanz gehören würden. Die unterliegen ja praktisch seiner Willkür - solche Forderungen kennen Private nicht, dort entstehen Forderungen eben nur per Vertrag, d.h. per Konsens von formell gleichberechtigten "freien und gleichen Bürgern". Das Steuerrecht dagegen ist ein Herrschaftsrecht (ÖffRecht).
Eine Steuerforderung ist also eine völlig andere Art von Forderung als eine per Vertrag entstandene Forderung einer privaten Rechtsperson gegen eine andere private Rechtsperson.
Man kann die Position der MMT so verstehen, dass der Staat im Vergleich zu den Privaten so viele Rechte (bzw. da er eher neben als unter dem Recht steht, sollte man es als Macht bezeichnen) besitzt, dass seine Aktivseite unbegrenzt hoch ist - z.B. kann er unbegrenzt Steuern einziehen, wenn er will.
Prinzipiell ja. Daraus wird ja üblicherweise erklärt, warum Staatsschuldtitel als die sichersten Titel überhaupt gelten (und deswegen nur wenig Ertrag bringen - weil sie kaum Risiken bergen, der Staat also keine hohe Risikoprämie zahlen muß).
Derzeit fühlt es sich für mich so an, dass sich der Staat von neoliberalen Ideologen erzählen lässt, was er zu tun und zu lassen hat. Ein bisschen mehr seine Finanzmachtposition auszuspielen würde ihm nicht schaden.
Ja, sehe ich auch so. Vollbeschäftigung dagegen stärkt die Gewerkschaften, sodaß diese den Staat für ihre Zwecke funktionalisieren können.
Die Rolle für eine realistische Wirtschaftstheorie sähe ich darin, dies mitzureflektieren und auch auf eine gesellschaftliche Machtbalance zwischen den Interessengruppen hinzuarbeiten. Das aber würde unabhängige Wissenschaftler und Politiker voraussetzen.
Eine unrealistische Utopie?
Jedenfalls scheint mir, daß der Staat außerhalb der Wirtschaft und über dieser steht, letztlich einfach durch sein Macht- und Gewaltmonopol. Diese Macht will jede große gesellschaftliche Interessengruppe für ihre Zwecke funktionalisieren und hat daher ein Interesse daran, nicht eine richtige, sondern im Eigeninteresse verzerrende Wirtschaftstheorie zu entwickeln und zu propagieren.
Jede Wirtschaftstheorie mit dem Anspruch relativer Unabhängigkeit muß dies m.E. mitreflektieren (ob sie solche Einflusse ausschließen kann - schwer zu sagen).
- Re: [AG-GOuFP] Teilnehmer am Geldsystem, (fortgesetzt)
- Re: [AG-GOuFP] Teilnehmer am Geldsystem, Rudolf Müller, 18.09.2014
- Re: [AG-GOuFP] Teilnehmer am Geldsystem, Axel Grimm, 18.09.2014
- Re: [AG-GOuFP] Teilnehmer am Geldsystem, Rudolf Müller, 18.09.2014
- Re: [AG-GOuFP] Teilnehmer am Geldsystem, Axel Grimm, 18.09.2014
- Re: [AG-GOuFP] Teilnehmer am Geldsystem, moneymind, 18.09.2014
- Re: [AG-GOuFP] Teilnehmer am Geldsystem, Axel Grimm, 18.09.2014
- Re: [AG-GOuFP] Teilnehmer am Geldsystem, Rudi, 18.09.2014
- Re: [AG-GOuFP] Teilnehmer am Geldsystem, moneymind, 18.09.2014
- Re: [AG-GOuFP] Teilnehmer am Geldsystem, Axel Grimm, 18.09.2014
- [AG-GOuFP] Warum macht er es nicht? [war Teilnehmer am Geldsystem], Thomas Weiß, 18.09.2014
- Re: [AG-GOuFP] Teilnehmer am Geldsystem, Axel Grimm, 18.09.2014
- Re: [AG-GOuFP] Teilnehmer am Geldsystem, moneymind, 18.09.2014
- Re: [AG-GOuFP] Teilnehmer am Geldsystem, Axel Grimm, 18.09.2014
- Re: [AG-GOuFP] Teilnehmer am Geldsystem, moneymind, 18.09.2014
- Re: [AG-GOuFP] Teilnehmer am Geldsystem, Axel Grimm, 18.09.2014
- Re: [AG-GOuFP] Teilnehmer am Geldsystem, moneymind, 19.09.2014
- Re: [AG-GOuFP] Teilnehmer am Geldsystem, Axel Grimm, 19.09.2014
- Re: [AG-GOuFP] Teilnehmer am Geldsystem, Rudi, 18.09.2014
- Re: [AG-GOuFP] Teilnehmer am Geldsystem, moneymind, 18.09.2014
- Re: [AG-GOuFP] Teilnehmer am Geldsystem, Axel Grimm, 18.09.2014
- Re: [AG-GOuFP] Teilnehmer am Geldsystem, Rudolf Müller, 17.09.2014
- Re: [AG-GOuFP] Teilnehmer am Geldsystem, Axel Grimm, 17.09.2014
- Re: [AG-GOuFP] Teilnehmer am Geldsystem, Rudolf Müller, 18.09.2014
- Re: [AG-GOuFP] Teilnehmer am Geldsystem, Rudolf Müller, 18.09.2014
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