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Re: [AG-GOuFP] monetary economics = (noch) kein Allgemeinwissen, Blick in die Geschichte hilft
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- Subject: Re: [AG-GOuFP] monetary economics = (noch) kein Allgemeinwissen, Blick in die Geschichte hilft
- Date: Mon, 17 Feb 2014 09:48:46 +0100
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Am 15.02.2014 19:48, schrieb moneymind:
Ich denke, aus meinem Ursprungsbeitrag ist deutlich herauszulesen,
dass ich das thematische Wissen der AG gerade nicht als Geheimwissen,
sondern weitgehend als wissenschaftliches Allgemeingut betrachte, auch
wenn es vielleicht im wirtschaftspolitischen Alltagsgebrauch nicht
immer Berücksichtigung findet.
Und ich habe versucht, aus einer historischen Perspektive darzustellen,
daß dieses Wissen /weder/ Allgemeingut /noch/ Geheimwissen ist: daß es
Ich schreibe und meine "wissenschaftliches Allgemeingut". Dass das Allgemeingut einer Gesamtheit nicht auf ein Individuum übertragen werden kann/darf, scheint mir selbstverständlich. Trotzdem habe ich deshalb auch von interessierten Studenten, bzw. solchen, die eine VWL Professur anstreben gesprochen.
Generell hat sich mein (Ursprungs)Beitrag auf das Themenspektrum der AG bezogen und nicht auf irgendein begriffliches "Etikett" wie z.B. "monetary economics".
zwar prinzipiell (wenn auch oft bruchstückhaft) in in der
Theoriegeschichte entwickelt wurde, sich aber nie zu einem einheitlichen
Paradigma formieren konnte und aus politischen Gründen (seit den 70er
Jahren) aus den Köpfen und auch aus vielen (nicht allen) aktuellen
Lehrbüchern verdrängt wurde.
Deswegen hat es auch nicht jeder VWL-Student nach dem Vordiplom präsent.
Präsent könnte außerhalb des Zusammenhangs meiner Argumentation tatsächlich übertrieben wirken. Ich meinte eher: mit dem Gesamtkomplex der Thematik der AG so in Berührung gekommen, dass er die Relevanz einordnen und das Wissen bei entsprechender Neigung vertiefen kann.
Ich finde es unseriös, irgendwelche "Biertischäußerungen" von Studenten, die sich mit einem Gebiet im Moment nicht (vertieft) beschäftigen, dahingehend zu bewerten, dass ein Wissen generell nicht vorhanden sei oder vermittelt werde.
Seit 2007 ist aber das Interesse and monetären Produktionstheorien aber
verständlicherweise wieder gewachsen, sodaß heutige Vordiplomsstudenten
dazu vermutlich immerhin schon mehr wissen als Leute, deren Vordiplom
schon 5-6 oder mehr Jahre zurückliegt.
Aus meiner Sicht wäre erst einmal zu diskutieren, warum der Mainstream
ein Mainstream ist und was es für Konsequenzen hat, dass es einen
Mainstream gibt. Es ist nicht ausgeschlossen, dass das, was man
Mainstream nennt, eine gesellschaftliche Funktion erfüllt.
Ja, diese Frage halte ich auch für wichtig und denke, daß es darauf
klare historische und politische Antworten gibt. Patrik hat sie
ebenfalls gestellt, in meiner Antwort an ihn werde ich dazu auch noch
ein paar Gedanken posten.
Der Mainstream erfüllt aus meiner Sicht definitiv eine gesellschaftliche
und historische Funktion - einerseits dient er bestimmten
Interessengruppen, andererseits hat er m.E. eine wirtschaftspolitische
Legitimationsfunktion innerhalb der „langen Zyklen“ der kapitalistischen
Entwicklung.
Um das zu zeigen, will ich mal versuchen, die theoriegeschichtliche
Skizze meines letzten Postings in einen sozialgeschichtlichen
Zusammenhang einzuordnen:
(Mir) sehr einleuchtend beschreibt das Stephan Schulmeister in seinem
„lange-Zyklen-Modell“:
Video (Vortrag):
http://www.youtube.com/watch?v=A53BQUq6dtI
Text:
http://stephan.schulmeister.wifo.ac.at/fileadmin/homepage_schulmeister/files/Real-_Finanzkapitalismus_11_13.pdf
Homepage:
http://stephan.schulmeister.wifo.ac.at/index.php?id=5
Ich denke, für die Außenwirkung der AG könnte es fruchtbar sein,
„monetary economics“ mal genauer im Kontext des Interessenkampfs der
drei großen Gruppen Finanzkapital, Realkapital und Arbeit zu verorten –
und in den historischen Prozess der „langen Zyklen“ (aus der Sicht der
monetary economics natürlich „credit cycles“) einzuordnen (und dafür
ggf. auch Schulmeister mal zu einem mumble-Termin einzuladen).
Laut Schulmeister wird die lange Aufschwungphase (zuletzt 1945 – 1975)
dominiert von einem Bündnis zwischen Realkapital und Arbeit gegen das
Finanzkapital (das ruhiggestellt wird), ideologisch flankiert von den
monetary economics eines Keynes, die in der davorliegenden Krise aus
unmittelbarem Problemdruck heraus entwickelt wurden. Er nennt das die
realkapitalistische Aufschwungphase, in der schließlich die
Gewerkschaften zu mächtig wurden, sodaß die Realkapitalisten
(produzierenden Unternehmer) das Bündnis mit ihnen aufkündigten und
stattdessen mit dem Finanzkapital gegen diese paktierten.
Die darauf folgende „finanzkapitalistische“ Abschwungphase (ab etwa
Mitte der 70er) wird dominiert von einem Bündnis zwischen Realkapital
und Finanzkapital gegen die Arbeit, flankiert von der Ideologie des
Neoliberalismus (heute Mainstream), von der „monetary economics“ zuerst
quantitätstheoretisch „auf den Hund gebracht“ wurden (Friedmans
Monetarismus), um dann fast völlig aus dem allgemeinen Bewußtsein und
dem wissenschaftlichen Diskurs verdrängt zu werden, weil sich die
wirtschaftspolitischen Ziele des neuen Bündnisses besser mit dem
neoklassischen Modell rechtfertigen ließen.
Die AG und die Piraten werden sich ja im Interessenkampf dieser Gruppen,
den momentan die (Lohn-)Arbeit „verliert“ (Arm/Reich-Polarisierung,
Lohnsenkungen, Sozialabbau, Outsourcing in die prekäre
Kleinselbständigkeit, etc.), irgendwo positionieren müssen. Mein
Eindruck ist, daß der Selbstpositionierung der AG hier noch etwas
historisches Hintergrundwissen fehlt und man noch zu sehr rein auf der
(wichtigen) abstrakten Ebene des „Geldsystems“ denkt und diese
Interessenkämpfe – übrigens ganz wie der Mainstream (Neoklassik) auch –
eher ausblendet, wenn natürlich auch die Verteilungsfrage (zunehmende
Arim/Reich-Polarisierung - "neue soziale Frage") direkt auf diese
Zusammenhänge verweist.
Eigentlich wären die Verteilungs- und Geldsystemthemen, die hier
diskutiert werden, m.E. in der SPD (der traditionellen Arbeiterpartei)
„richtig aufgehoben“, aber die hat noch immer nicht den Zusammenbruch
des Sozialismus und das Scheitern des Keynesianismus Mitte der 70er
verarbeitet und dümpelt orientierungslos vor sich hin. Wenn auch nach
dem Ende der unsäglichen Ära Schröder nach der Finanzkrise 2007 und der
darauffolgenden Euro-Krise ein Kopfkratzen eingesetzt hat. Klarheit über
die Situation fehlt aber, und das liegt eben auch daran, daß die
analytischen Mittel (monetary economics) nicht in ausreichender Klarheit
und Differenziertheit bereitstehen.
Die theoretische Aufgabe besteht aus meiner Sicht daher darin, die
„monetary economics“ neu zu beleben, zu fundieren, und zu einem soliden
Paradigma auszubauen. Eine systematische Fundierung der politischen
Ökonomie in den realen Kredit- und Geldschöpfungsprozessen fehlt halt
bisher, das wird gerade erst systematisch erarbeitet: daran arbeiten
jetzt ja auch wieder mehr Leute, v.a. auch junge Nachwuchsökonomen, z.B.
im Rahmen der „Stock-Flow-Consistent Models“ oder der „modern monetary
theory“ etc., die alle aus einer keynesianischen Tradition stammen.
Wenn die AG meint, mit ihren bisher erarbeiteten Erkenntnissen „völlig
allein gegen alle“ zu stehen, kann das auch auf Unkenntnis von Teilen
der Theorietradition der „monetary economics“ beruhen (wie z.B.
Gestrichs „Kredit und Sparen“), aber die sind eben heutzutage nicht
immer leicht zu finden. Es ist schon so, daß das ein Feld ist, das eben
NICHT VWL-Vordiplom-Allgemeinwissen darstellt, sondern das erst jetzt
überhaupt von einer größeren Zahl von Leuten systematisch beackert wird
und sich erst neu vernetzen und konstituieren muß.
Das wiederum ist (aus meiner und Schulmeisters Sicht) Teil eines
Wendepunkts im längeren historischen Konjunkturzyklus des Kapitalismus,
der „Talsohle“ eben, in dem sich auch neue Interessenbündnisse der drei
großen Interessengruppen formieren dürften (Realkapital + Arbeit gegen
das Finanzkapital).
- Re: [AG-GOuFP] Mögliche Außenwirkung der AG, (fortgesetzt)
- Re: [AG-GOuFP] Mögliche Außenwirkung der AG, Ex-SystemPirat, 13.02.2014
- Re: [AG-GOuFP] Mögliche Außenwirkung der AG, moneymind, 13.02.2014
- Re: [AG-GOuFP] Mögliche Außenwirkung der AG, Thomas Weiß, 13.02.2014
- Re: [AG-GOuFP] Mögliche Außenwirkung der AG, Benedikt Weihmayr, 14.02.2014
- Re: [AG-GOuFP] Mögliche Außenwirkung der AG, Ex-SystemPirat, 14.02.2014
- Re: [AG-GOuFP] Mögliche Außenwirkung der AG, Patrik Pekrul, 14.02.2014
- Re: [AG-GOuFP] Mögliche Außenwirkung der AG, Axel Grimm, 15.02.2014
- Re: [AG-GOuFP] Mögliche Außenwirkung der AG, Ex-SystemPirat, 17.02.2014
- Re: [AG-GOuFP] monetary economics = (noch) kein Allgemeinwissen, Blick in die Geschichte hilft, moneymind, 15.02.2014
- Re: [AG-GOuFP] monetary economics = (noch) kein Allgemeinwissen, Blick in die Geschichte hilft, Rudi, 16.02.2014
- Re: [AG-GOuFP] monetary economics = (noch) kein Allgemeinwissen, Blick in die Geschichte hilft, Ex-SystemPirat, 17.02.2014
- Re: [AG-GOuFP] Mögliche Außenwirkung der AG, moneymind, 18.02.2014
- Re: [AG-GOuFP] monetary economics = (noch) kein Allgemeinwissen, Blick in die Geschichte hilft, Rudi, 18.02.2014
- Re: [AG-GOuFP] Mögliche Außenwirkung der AG, Patrik Pekrul, 14.02.2014
- Re: [AG-GOuFP] Wer macht und pushed ökonomische "Mainstream"-Paradigmen?, moneymind, 16.02.2014
- Re: [AG-GOuFP] Mögliche Außenwirkung der AG, Axel Grimm, 16.02.2014
- Re: [AG-GOuFP] Mögliche Außenwirkung der AG, Andreas Tittert, 16.02.2014
- Re: [AG-GOuFP] Mögliche Außenwirkung der AG, moneymind, 16.02.2014
- Re: [AG-GOuFP] Mögliche Außenwirkung der AG, Rudi, 16.02.2014
- Re: [AG-GOuFP] Mögliche Außenwirkung der AG, moneymind, 17.02.2014
- Re: [AG-GOuFP] Mögliche Außenwirkung der AG, Rudi, 16.02.2014
- Re: [AG-GOuFP] Mögliche Außenwirkung der AG, Axel Grimm, 16.02.2014
- Re: [AG-GOuFP] Wer macht und pushed ökonomische "Mainstream"-Paradigmen?, moneymind, 16.02.2014
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