ag-landwirtschaft AT lists.piratenpartei.de
Betreff: Mailingliste der AG Landwirtschaft
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- From: Detmar Kleensang <detmar AT gmx.de>
- To: ag-landwirtschaft AT lists.piratenpartei.de
- Subject: Re: [Ag-landwirtschaft] dörfliche Lebensweise
- Date: Wed, 29 Aug 2012 07:54:24 +0200
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-landwirtschaft>
- List-id: <ag-landwirtschaft.lists.piratenpartei.de>
Noch mal dazwischen (ich bin es aus dem Usenet einfach so gewohnt...)
Am 29.08.2012 um 06:25 schrieb Detlef Lindenthal:
> Das ganze verstehe ich trotzdem noch lange nicht.
> Sogar die Stewardessen von Lufthansa, obwohl sie zu völlig getrennten
> Flugzeugmannschaften mit völlig unterschiedlichen Arbeitszeiten gehören,
> schaffen es, mit einer einzigen Stimme gegenüber der Lufthansa zu
> verhandeln.
Haben die eine einsatzbereite Gewerkschaft?
> Nur unsere Milchbauern schaffen sowas nicht. Obwohl sie ortsverbunden
> aufgestellt sind, mit festen Telefonanschlüssen, klaren Abrechnungszahlen,
> übersichtlicher Planung.
> Wer unter den Milchanbietern hat a.) die Marktmacht und b.) den Willen,
> Zielpreise (um das Wort Preisabsprachen hier nicht zu verwenden) zu
> unterlaufen? Welche Milchbauern (oder muß man sagen: Milchsee-Inhaber) sind
> denn scharf darauf, in einem Kanniibalisierungswettbewerb noch niedriger
> anzubieten?
Einige! Mangels Gewinnen wird zur Einkommensabsicherung mehr produziert. So
auch von der Beratung gerne vorgegeben. Produktionszuwachs ist quasi nur aus
Krediten oder Quersubventionierung aus anderen Einnahmequellen möglich. Das
kann natürlich kein Dauerzustand sein. Aber solange die Kredite laufen sind
einige Kollegen gerne dazu bereit, auf nötige Gewinne zu verzichten, wenn
dadurch nur die Konkurrenz unter den eigenen Kollegen endlich mal wegbricht
und aufgibt. Verdrängungwettbewerb...
> Wieso schaffen Buchhandel und Apotheken eine Preisbindung (zum Schutze der
> flächendeckenden Kundenversorgung), aber die Bauern schaffen keine
> Preisbindung (zur flächendeckenden Betriebe-Versorgung)?
Haben die vielleicht einen Berufsverband, der sich für solche Dinge einsetzt?
Die Bauern haben soetwas nicht. Die große Interessensvertretung, die gerne
"mit einer Stimme" sprechen möchte, spricht sich gegen solche Preisbindungen
aus!
> Ist es denn vom Angebot her möglich, daß die deutschen Molkereien ihre
> tägliche Milch im Billigausland einkaufen, falls die deutschen Milchbauern
> nicht spuren?
Ja.
> Ist es eine unausweichliche Schaltungsschwäche sprichwörtlich dummer
> Bauern, daß sie sich vermittels "teile und herrsche" übern Tisch ziehen
> lassen?
Ja...
Es wird ihnen ja auch keine Schaltungsmöglichkeit zugestanden von den
potentiell immer stärkeren Vertragspartnern in der Wertschöpfungskette. Und
auch der eine Berufsverband handelt hier in keiner Weise, sondern blockiert
eher.
Die irrtümliche Methode ist immer noch: wenn es den Genossenschaften gut
geht, geht es automatisch auch den Genossen gut. Dies ist nur leider falsch.
> Wieso kann Aldi mal so und mal so bezahlen?
> Wenn ich bei meinen Taxifahrern Preise auszuhandeln versuche, verweisen die
> immer auf die Kilometer-Uhr und setzen ihre Preisvorstellung durch. Wieso
> haben die Molkereien eine andere Marktmacht?
Haben die Molkereien nicht. Und brauchen sie auch nicht! Sie können ganz egal
was bei Abschlüssen mit Aldi und Co. herauskommt die Preise an die Genossen
Milchbauern weitergeben. Durch entsprechende Vertragsbedingungen und durch
die Struktur haben die Bauern keine Handhabe dagegen. Einfluss auf die
Genossenschaftsmeierei haben sie keinen und wechseln können sie den Abnehmer
auch nicht mehr, da es kaum mehr Alternativen gibt. Friss oder stirb. Melke
weiter oder mach den Stall zu.
Die Molkereien haben weit mehr Marktmacht gegenüber den Milcherzeugern als
gegenüber dem Handel!
> Die Milchbauern haben doch schon mal gestreikt; durch welche Marktmacht
> wurde deren Streik unterlaufen?
> Erkläre mir das doch jemand einmal so, daß ich das verstehen kann.
Meiereien haben sich im EU-Ausland bedient. Bevor die Regale hier sich
zusehends leerten wurde fast ganz Polen leergefahren. Und auch aus anderen
Ländern, vornehmlich östliche EU, wurde viel herangefahren.
Letztlich unterlaufen wurde der Streik durch den Bauernverband, der eine
Preisanhebung mit Lidl-Chef Schwarz (befreundet?) ausgehandelt hatte. Die war
nur sehr kurzfristig, kurze Zeit später fiel der Preis wieder drastisch mit
Hinweis auf den Markt, was aber dennoch dazu geführt hatte, dass der Streik
beendet wurde. Die Bauern waren demotiviert und seit dem ist kaum mehr eine
Streikbereitschaft zu erkennen.
Darüber hinaus hat Müller etwa dafür gesorgt, dass gerichtlich festgestellt
wurde, dass die Bauern keine Molkereiwerke mehr bestreiken dürfen.
Weiters haben viele Meiereien eigene Preisglättungsmethoden entwickelt, in
denen Teile des Auszahlungspreises an die Bauern von der Molkerei einbehalten
werden, um sie in schlechten Zeiten wieder ausbezahlen zu können. So schlagen
Markteffekte kaum mehr auf die Bauern durch, was einer Streikbereitschaft bei
besonders schlechten Marktpreisen entgegenwirkt. Der Witz bei diesen
Satzungsänderungen: sie sind eigentlich rechtswidrig, nur eben so "total
bescheuert" formuliert, völlig an der Realität vorbei, dass sie eben doch
rechtswirksam sind. Dieser absonderliche Satzungspassus wurde vom
Genossenschaftsverband ausgearbeitet und rechtlich so geprüft, dass er durch
geht und wurde den Genossen als alternativlos verkauft, wenn sie "ihre
Meierei" nicht wirtschaftlich schwächen wollen...
Seit dem können Molkereien mit ihrem erwirtschafteten Geld machen, was sie
wollen. Und so viel und so wenig und zu welcher Zeit auch immer an die Bauern
auszahlen, wie es ihnen gerade passt. Auch dient dieses einbehaltene Geld zur
Eigenkapitalerhöhung auf dem Papier, was förderlich für die Kreditnahme bei
Banken und somit für Investitionen seitens der Molkereien ist. Ebenfalls
könnte man dadurch theoretisch auch eine Molkerei-Insolvens verschleppen!
> Dank im voraus,
> Detlef
Gruß, Detmar
- [Ag-landwirtschaft] dörfliche Lebensweise, Michael Schaber, 28.08.2012
- Re: [Ag-landwirtschaft] dörfliche Lebensweise, Kirsten Wosnitza, 28.08.2012
- Re: [Ag-landwirtschaft] dörfliche Lebensweise, Axel Heidkamp, 28.08.2012
- Re: [Ag-landwirtschaft] dörfliche Lebensweise, Detmar Kleensang, 28.08.2012
- Re: [Ag-landwirtschaft] dörfliche Lebensweise, Detlef Lindenthal, 28.08.2012
- Re: [Ag-landwirtschaft] dörfliche Lebensweise, Michael Schaber, 28.08.2012
- Re: [Ag-landwirtschaft] dörfliche Lebensweise, Axel Heidkamp, 28.08.2012
- Re: [Ag-landwirtschaft] dörfliche Lebensweise, Detmar Kleensang, 28.08.2012
- Re: [Ag-landwirtschaft] dörfliche Lebensweise, Pirat Wolfgang, 28.08.2012
- Re: [Ag-landwirtschaft] dörfliche Lebensweise, Detlef Lindenthal, 29.08.2012
- Re: [Ag-landwirtschaft] dörfliche Lebensweise, Detmar Kleensang, 29.08.2012
- Re: [Ag-landwirtschaft] dörfliche Lebensweise, Detlef Lindenthal, 29.08.2012
- Re: [Ag-landwirtschaft] dörfliche Lebensweise, Detmar Kleensang, 29.08.2012
- Re: [Ag-landwirtschaft] dörfliche Lebensweise, Pirat Wolfgang, 31.08.2012
- Re: [Ag-landwirtschaft] dörfliche Lebensweise, Detmar Kleensang, 29.08.2012
- Re: [Ag-landwirtschaft] dörfliche Lebensweise, Detlef Lindenthal, 29.08.2012
- Re: [Ag-landwirtschaft] dörfliche Lebensweise, Axel Heidkamp, 29.08.2012
- Re: [Ag-landwirtschaft] dörfliche Lebensweise, Detlef Lindenthal, 29.08.2012
- Re: [Ag-landwirtschaft] dörfliche Lebensweise, Pirat Wolfgang, 31.08.2012
- Re: [Ag-landwirtschaft] dörfliche Lebensweise, Axel Heidkamp, 28.08.2012
- Re: [Ag-landwirtschaft] dörfliche Lebensweise, Pirat Wolfgang, 31.08.2012
- Re: [Ag-landwirtschaft] dörfliche Lebensweise, Michael Schaber, 28.08.2012
- Re: [Ag-landwirtschaft] dörfliche Lebensweise, Detlef Lindenthal, 28.08.2012
- <Mögliche Wiederholung(en)>
- Re: [Ag-landwirtschaft] dörfliche Lebensweise, manfredo-willich, 28.08.2012
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