ag-landwirtschaft AT lists.piratenpartei.de
Betreff: Mailingliste der AG Landwirtschaft
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- From: Detmar Kleensang <detmar AT gmx.de>
- To: ag-landwirtschaft AT lists.piratenpartei.de
- Subject: Re: [Ag-landwirtschaft] dörfliche Lebensweise
- Date: Tue, 28 Aug 2012 20:31:21 +0200
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-landwirtschaft>
- List-id: <ag-landwirtschaft.lists.piratenpartei.de>
Genau das ist der Unterschied!
Bei Fleisch kann man noch in geringem Maße hin und her schieben. Um ein paar
Tage oder wenige Wochen vielleicht. Getreide kann man selber einlagern und
später verkaufen, wenn der Landwirt Lagerkapazitäten hat. Aber gerade bei
Milch hört der Spaß auf. Die muss spätestens nach drei Tagen abgeholt werden,
sonst ist sie hinüber. Bei der Milchproduktion kann der Erzeuger nur recht
langfristig die Menge planen, die Ware muss dann aber immer sehr kurzfristig
weg. Ein Ölförderturm lässt sich auch mal für ein paar Monate zuschrauben.
Was die Meierei-Oligopole angeht bin ich ganz bei Michael. Ob die jetzt enorm
viel Marktmacht gegenüber dem LEH (Aldi, Lidl und Co.) gewonnen haben, das
ist vielleicht noch fraglich. Aber definitiv haben sie Marktmacht gegenüber
den Erzeugern aufgebaut.
Das 70% der Milch genossenschaftlich verarbeitet wird nützt mittlerweile den
Genossen nichts mehr, da weitestgehend die Bereiche, in denen beim
Verarbeiter Geld verdient wird, in Aktiengesellschaften oder GmbH's
ausgegliedert wurden. Da gibt es keinen genossenschaftlichen Einfluss mehr.
Obwohl sich diese Meiereien immer noch als Genossenschaft propagieren! Das
ist letztlich aber nur noch Verbraucher-, Bauern- und Politikertäuschung.
Was die Marktmacht der Meiereien angeht haben die Erzeuger schon ihre
Erfahrungen gemacht. Es wurde ja mal gestreikt und Milch weggeschüttet. Um
das Angebot kurzfristig zu reduzieren und so höhere Preise zu ermöglichen.
Die Aktion hat beim ersten Mal 10 Tage gedauert. Nach einer Woche, als es den
Verarbeitern so richtig auffiel, das Milch fehlt, da haben die im großen Stil
aus anderen Ländern importiert. Teils auf recht fragwürdigen Wegen. Ich
glaube am 9. Tag war es soweit, dass die polnische Regierung gesagt hatte,
das könne so nicht weiter gehen, da deren eigene Bevölkerung keine Milch mehr
hatte. Wurde größtenteils nach Deutschland rangekarrt.
Meiereien bestreiken dürfen die Milcherzeuger ebenfalls nicht (mehr). Das hat
eine große süddeutsche Meierei gerichtlich erwirkt gegen die Bauern, die
deren Werkstore blockiert hatten, weil dieser jene die ersten drastischen
Preissenkungen einführte, um einen Deal mit Aldi hinzubekommen. Was jeder
andere Arbeitnehmer darf ist den Landwirten also nicht erlaubt. Was sollen
sie sonst tun?
Und für das ist ja auch das Dilemma am aktuellen Strukturwandel in der
Landwirtschaft. Für jeden kleinen Bauern, der seinen Betrieb schliesst,
wachsen ein paar Betriebe um das x-fache der Produktionsmenge des
Aufgabebetriebes. Es ist hinten und vorne kein Marktgleichgewicht mehr
vorhanden. Die Fachberatung fördert dies zum Teil sogar noch. Und so ist es
völliger Quatsch, wenn ein paar Landwirte sagen, wir drosseln marktkonform
die Produktion. Weil da immer ein paar Landwirte sind, die diese Chance
nutzen, um deren Produktionsmengen um ein vielfaches auszuschöpfen. Da spielt
Geld auch keine Rolle. Wachstum gibt es fast nur noch mit horrenden
Kreditsummen, Gewinnaussichten sind egal. Die wollen nur andere Kollegen aus
dem Markt drängen, in der reinen Hoffnung, dass es ihnen selber danach
vielleicht mal besser geht. Es ist purer Verdrängungswettbewerb! Und der wir
aktuell politisch gefördert! In dem nichts unternommen wird, dass der Markt
mal wieder funktionieren könnte. Denn für einen funktionierenden Markt
braucht es nunmal Regeln! Und die muss die Politik aufstellen!
Ich spreche jetzt mal mehr als Landwirt denn als Pirat: Was wir brauchen sind
klare Marktregeln, die die Verarbeitungsindustrie und vielleicht gar den
Handel in gewisse Schranken verweist und/oder den Erzeugern eine echte
Marktteilnahme ermöglicht. Dazu könnte man sich verschiedener Hebel bedienen.
Einige wären zum Beispiel:
-Bündelungsmöglichkeit der Erzeuger in nennenswertem Umfang, um den
Verarbeitern auf Augenhöhe begegnen zu können, auch europa-weit. Dies nicht
nur ermöglichen, sondern auch aktiv propagieren und unterstützen, denn große
Interessensvertretungen arbeiten schon jetzt munter gegen diese Möglichkeiten
an.
-Verbindliche Vertragsvorgaben zwischen Erzeuger und Abnehmer in der Form,
dass eine Seite nicht benachteiligt werden darf durch etwa sehr langfristige
Vertragsbindungen.
-Zum vorgenannten spielt explizit bei der Milch auf die 100%ige
Andienungspflicht der Erzeuger an ihren Vertragspartner Abnehmer eine Rolle.
Dies sicher den Meiereien Produktionsmengen, natürlich unabhängig vom Preis,
und der Erzeuger kann sich nicht mal zwischendurch einen anderen Abnehmer
suchen oder auch nur einen Teil seiner Produktion an einen zweiten veräußern.
Die Meierei hat so Planungssicherheit was die Menge angeht, der Erzeuger hat
aber keinerlei Planungssicherheit was den Preis angeht.
-Wenn die Landwirtschaft in ihrer Vielseitigkeit erhalten werden soll, dann
wäre auch eine Monitoringstelle sinnvoll, die die durchschnittlichen
Erzeugungskosten eines jeden Produktes in regelmäßigen Abständen neu bewertet
und diesen als Mittelmaß für einen Preiskorridor vorgibt, um den herum sich
der normale Markt bewegen muss. Scheren die Preise zu sehr aus müssten
Produktionsmengen gesteigert oder auch gedrosselt werden, damit wieder der
Durchschnittsbetrieb so eben seine Kosten decken kann. Dies wäre eine
marktwirtschaftliche Regelung, die zu einem funktionierenden Markt führen
könnte. Es mag durchaus noch andere Methoden geben. Wichtig ist nur, dass
sich die Betriebe auch weiterhin entwickeln können und das sie am
(geregelten) Markt agieren können, sowie sich selbst und ihren Angehörigen
und Angestellten auskömmliche Löhne zahlen können. Denn mit den bereits
gefallenen 2-4 Euro die Stunde, da ist doch die ganze Branche nicht
wettbewerbsfähig.
Gruß, Detmar
Am 28.08.2012 um 19:07 schrieb Axel Heidkamp:
> An alle,
>
> die die Landwirtschaft endlich an den Marktmechanismen uneingeschränkt
> teilhaben lassen wollen.
>
> Ein Grundproblem ist, die Landwirtschaft liefern kein haltbares Produkt.
> Der Milchhahn an der Kuh lässt sich nicht zudrehen und in drei Wochen holen
> wir nach was nicht geliefert wurde.
> Bei den Schweinen ist es ähnlich, eine bis zwei Wochen kann der Mäster
> schieben, dann muss er verkaufen oder zumindest liefern.
> Am besten klappt es beim Getreide, es ist zwar zu ernten wenn es die Reife
> und das Wetter verlangen, aber wer es sich leisten kann,
> legt es in den Speicher und kann am Markt teilhaben.
>
> Die restliche Industrie kann sein Band anhalten und mit Entlassungen den
> Politikern drohen, mit Kurzarbeit ausgleichen
> und wenn es wieder Brummt, wird im Dreischichtsystem wieder alles aufgeholt.
> Das Öl wird in der Erde nicht schlecht.
>
> -----Ursprüngliche Nachricht-----
> Von: ag-landwirtschaft-bounces AT lists.piratenpartei.de
> [mailto:ag-landwirtschaft-bounces AT lists.piratenpartei.de] Im Auftrag von
> Michael Schaber
> Gesendet: Dienstag, 28. August 2012 18:36
> An: ag-landwirtschaft AT lists.piratenpartei.de
> Betreff: Re: [Ag-landwirtschaft] dörfliche Lebensweise
>
> Wieso können die Mineralölkonzerne die Preise bestimmen, aber die
> Milchbauern können es nicht?
>
> Weil das ein Oligopol ist ... mit wenigen Marktanbietern ... siehe unsere
> Molkereien dürften auch ein Oligopol sein ... und daher auch die Marktmacht
> bei dem die Kartellbehörden Preisabsprachen verhindern sollen ... und das
> ist nicht so einfach wie wir es beim Benzin beobachten können.
>
> Mit einem Zusammenschluss der Molkereien haben diese wenigen Oligopolisten
> eine grössere Marktmacht gegenüber den wenigen mächtigen Vermarktern (Aldi,
> Lidl... etc.) erreicht.
>
> Ein Zusammenschluss der Landwirte müsste im grossen Erfolgen um hier
> einigermassen Erfolg zu haben .. eigentlich europäisch, ansonsten wird die
> Milch halt in Spanien eingekauft... aber das dürften dann auch wieder
> (verbotene?) Preisabsprachen sein ...
>
> Wenn wir hier Transparenz in die Abläufe einbringen dann dürfte das für die
> Preispolitik sehr interessant sein und den Olgopolen nicht gefallen ....
>
>
>
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> Ag-landwirtschaft mailing list
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- [Ag-landwirtschaft] dörfliche Lebensweise, Michael Schaber, 28.08.2012
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