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ag-landwirtschaft - Re: [Ag-landwirtschaft] Oligopole Produktionsketten

ag-landwirtschaft AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Mailingliste der AG Landwirtschaft

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Re: [Ag-landwirtschaft] Oligopole Produktionsketten


Chronologisch Thread 
  • From: Detmar Kleensang <detmar AT gmx.de>
  • To: ag-landwirtschaft AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [Ag-landwirtschaft] Oligopole Produktionsketten
  • Date: Wed, 29 Aug 2012 06:27:39 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-landwirtschaft>
  • List-id: <ag-landwirtschaft.lists.piratenpartei.de>

Moin Maik!

Solch ein Prinzip gibt es in der Landwirtschaft auch schon. Stichwort wäre
da: vertikale Integration

Das ist die Methode, mit der sich bsw. die Geflügelbranche zu dem entwickelt
hat, was wir heute schon haben. Und das stößt leider auf breite Ablehnung.
Weil es die Industrialisierung der Landwirtschaft enorm befördert hat. Der
Kunde kann zwar sehr günstig einkaufen und die Industrie verdient daran nicht
schlecht, das geht aber zu Lasten der Erzeuger, also der Landwirte, und zu
Lasten der Haltungsbedingungen der Tiere.

Die Methode hier ist ja: Großschlachtereien wie bsw. Wiesenhof haben sich
Futtermittelwerke einverlaibt. Die Urproduzenten werden mit Abnahmeverträgen
an das Schlachtunternehmen gebunden, es werden ihnen die Futtermittel aus
eigenem Werk aufgezwungen, es werden eigene Tierärzte beschäftigt usw. usf.
Im Gegenzug finanziert das Schlachtunternehmen die betriebliche Entwicklung
des Erzeugers, bindet diese also auch mit Krediten an sich. Dazu gibt es dann
ganz genau Produktionsvorgaben, was, wie viel, zu welchem Datum, mit welchem
Gewicht usw. usf. geliefert zu werden hat.
Das Problem ist, dass für Erzeuger da weitgehend das Prinzip "friss oder
stirb" gilt. Die Verträge werden einseitig von den Schlachtunternehmen
vorgegeben. Entweder man akzeptiert dies oder lässt es bleiben. Vorgerechnet
wird den Erzeugern natürlich, dass sie da wunder was verdienen können, was in
der Praxis allerdings selten zutrifft. Das Schlachtunternehmen hat absolute
Planungssicherheit über den gesamten Produktionszyklus, der Landwirt als
Erzeuger hat nur zu machen (ich spreche da von Schein-Selbstständigkeit) und
hat das gesamte Produktionsrisiko zu tragen.

In der Schweinehaltung läuft es schon seit längerem in die genau gleich
Richtung. Und auch bei der Milchviehhaltung sind deutliche Zeichen für diese
Methodik zu erkennen.
So geben die ersten Meiereiunternehmen schon Kredite an Landwirte für etwa
Kühltanks, wenn sie ihren Betrieb in der Form erweitern, dass sie so viel
produzieren, um einen ganzen Tanklaster voll zu bekommen. Nur: bei dem
Preisniveau, an dem die Landwirte keine Stellschrauben haben als nur ihre
eigene Produktion immer weiter zu verbilligen (mit welchen Folgen für die
Tiere etwa?) sind sie mit solchen Krediten dauerhaft an ein
Meiereiunternehmen gebunden und können den Abnehmer nicht mehr wechseln. Sie
sind um die einzige marktwirtschaftliche Handhabe gebracht. Sowas nenne ich
privatwirtschaftliche Planwirtschaft.

Und dann gab es da noch so eine merkwürdige Aussage bei einer
Industrie-Vortragsveranstaltung, die in etwa lautete: "Bei Geflügel hat das
doch schon wunderbar funktioniert und bei den Schweinen sind wir ja auch auf
dem richtigen Weg, nur bei Milch, da klappt das noch nicht so, da wird noch
zu viel verdient"...
Also zu viel verdient, um die Landwirte nicht vertikal integrieren und an
sich binden zu können. Um die Produktionsvorgaben nicht entsprechend rigide
durchsetzen zu können. Um nicht die Gewinnmarge rein bei den Verarbeitern zu
sichern. Denn genau da will uns die Industrie offenbar hin haben: das wir
Landwirte nur als Scheinselbstständige zu machen haben, was die wollen. Das
hat aber mit Marktwirtschaft nichts mehr zu tun. Mit freiem Unternehmertum
schon gar nicht. Dann sind wir nicht mehr besser als irgendwelche völlig
austauschbaren Leiharbeiter samt deren Lohnverhältnissen. Nur das
wirtschaftliche Risiko tragen wir Landwirte vollumfänglich und auch für die
Verarbeitungsindustrie gleich mit.

Nein, das wäre keine Methode, die ich gutheissen könnte. In Dänemark kann man
schon beobachten, wo solch ein System hinführt: Massiver Verlust an
landwirtschaftlichen Betrieben, massiver Verlust an Anerkennung in der
Bevölkerung, massiver Gewinn an Fremdkapitalbelastung.

Gruß, Detmar


Am 29.08.2012 um 00:04 schrieb Michael Schaber:

>
> Hallo Wolfgang,
>
> ok, da stimme ich Dir zu .. wenn wir schon beim Öl sind ...
>
> ... warum nicht diejenigen aufkaufen die vor oder nach einem in der
> Produktionskette sitzen?
>
>
> Was ist wenn die Ketten grosse Agrarbetriebe aufkaufen .. was wäre wenn
> ALDI seine Milch selbst produziert ausserhalb Deutschlands?
>
> .. oder wie Aktuell ... Lidl seine eigenen Back Shops eröffnet ... wann
> produzieren sie die Teiglinge selbst und auch gleich die Zutaten dazu?
>
> Vielleicht können diese "Riesenbetrieb" auch eine viel bessere Qualität
> produzieren, weil Ihnen eine bessere Ausstattung zur Verfügung steht.
> Produzieren preiswerter durch Economies of scale s .. z.B. preiswerteren
> Einkauf von Saatgut etc und damit Volkswirtschaftlich sogar sinnvoller.
>
> Können wir das verhindern? Wollen wir das verhindern? Ich fühle mich da
> irgendwie an die ehem. Steinkohlezechen in unserem Lande erinnert. Da kommt
> nachher noch die Forderung, Landwirte bleibt zu Hause .. da ist billiger
> als Euch Subventionen in den Rachen zu werfen???? Da kommt dann noch das
> BGE ins Spiel ...
>
> Im Endeffekt verstärken Subventionen weitere Konzentrationsbestrebungen und
> damit auch Marktmacht. Daher finde ich, dass Strukturmassnahmen auch an die
> Betriebsgrösse gekoppelt werden sollten.
>
> ... dann mal gute Nacht :-) Maik
>
>





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