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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] Wissenschaftliche Quellen zu Geld

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

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Re: [AG-GOuFP] Wissenschaftliche Quellen zu Geld


Chronologisch Thread 
  • From: Rudolf Müller <muellerrudolf AT on22.de>
  • To: k-nut <k-nut AT piratenpartei-hessen.de>, ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] Wissenschaftliche Quellen zu Geld
  • Date: Fri, 12 May 2017 10:24:15 +0200

Hallo k-nut,

ich kann Deine Irritation verstehen. Zu einigen Themenbereichen haben Wolfgang und ich unterschiedlich Auffassungen. Dies ist z.B. so bei der Interpretation, ob eine Bank einen Kauf mit der Buchung eines Guthabens auf dem Konto des Verkäufers bezahlt hat. Ich bin der Meinung JA. Wolfgang meint Nein, wenn ich ihn richtig verstanden habe. Da dies zu den Grundlagen des Geldsystems gehört finde ich es wichtig, hier Klarheit zu schaffen. Auf Irrtümern aufbauende Wahrheiten haben nur sehr selten die Eigenschaft selbst wahr zu werden. Bei der Klärung des tatsächlichen Sachverhaltes muss halt manchmal auch auf der Theorieebene ein wenig Aufklärung stattfinden, bevor man zu einer allgemeinverständlichen Schlussfolgerung gelangt. Ob Arnes Modell des "Geldterritoriums" die geeignetste Form der Übermittlung von grundsätzlichen Beziehungen zwischen Banken ist, kann man sicher streiten. Grundsätzlich zeigt dieses Modell die tatsächlichen Abhängigkeiten jedoch korrekt auf. Ich selbst benutze das Modell von Bank-A-€ und Bank-B-€, welches sich nur in der Darstellung von Arnes Modell unterscheidet, nicht jedoch im Grundsätzlichen.
 
Deine Aussage "Ich meine (?) die Begleichung der Forderung würde dann aus Eigenkapital und laufenden Kosten erfolgen." zeigt mir, dass Du Dich noch nicht sehr intensiv in die Grundlagen der Bankbuchhaltung eingearbeitet hast. Weshalb muss denn die Forderung an die Bank überhaupt beglichen werden? Die Bank hat auf ihrer Passivseite eine Position "Verbindlichkeiten an Kunden, täglich fällig", die in Summe nie beglichen wird. Diese Verbindlichkeiten machen etwa 20 % der Bilanzsumme aus und steigen im Laufe der Zeit stets an. Betrachtet man sie als einen Block kann man folgern, dass hier den deutschen Banken von ihren Kunden ein "ewiger Kredit" in Höhe von 1,7 Billionen €, ohne Rückzahlungstermin und z. Zt. auch ohne jegliche Zinsverpflichtungen eingeräumt wurde. Erst bei der Abwicklung oder Insolvenz einer Bank werden diese Verpflichtungen wirksam. 


Am 12.05.2017 um 09:29 schrieb k-nut:
Hi Leute,

manchmal frage ich mich nach Sinnhaftigkeit der ML-Kommunikation.

Wenn eine Bank eine Immobilie erwirbt hat sie in der zu verlängernden Bilanz auf der einen Seite die in ihrem Eigentum befindliche Immobilie und auf der anderen Seite die Forderungen  des Verkäufers.
Ja
Ich meine (?) die Begleichung der Forderung würde dann aus Eigenkapital und laufenden Kosten erfolgen.
s.o.

Ob eine Begleichung der Forderung im eigenen Geldterritorium geschieht oder nicht, ist erst einmal grundsätzlich egal.
Wenn es nicht im eigenen Geldterritorium passiert sind, eben mehr Akteure u.a. ggf die Zentralbank mit eingebunden.
Ja

Dies nur mal so von einem der versucht sich auf relevante Sichtweisen zu reduziern um den Überblick nicht zu verlieren.
Leider ist dieses Thema so komplex, dass nicht mit einigen wenigen, allgemeinverständlichen Aussagen sich jemand einen Überblick verschaffen kann. Die vielen unterschiedlichen Theorien tragen ja auch nicht zu einer besseren Übersicht bei, sondern verwirren stattdessen nur zusätzlich. Hier eine Basis zu finden ist eben mühsam und bedarf einer detaillierten Auseinandersetzung mit Theoriegrundlagen.

Ich hoffe, ich konnte Dir den Sinn unserer langatmig erscheinenden Auseinandersetzungen näher bringen.

Beste Grüße
Rudi Müller


Gruß
k-nut
Am 12.05.2017 um 08:54 schrieb Rudolf Müller:
Hallo Wolfgang,

noch ein Nachtrag zu meiner Mail vom 11.5.2017.
Ich vermute mal, dass Du Dich an meiner Aussage "Es kann (das Unternehmen) keinen Kredit vergeben und mit selbstgemachten Forderungen bezahlen." stößt. Deiner Ansicht nach hat die Bank, indem sie eine Forderung an sich selbst stellt und diese der Nichtbank als Zahlungsmittel zur Verfügung stellt, noch keineswegs bezahlt. Erst wenn sie dem Unternehmen Bargeld auszahlt, hat sie auch geleistet. Jedoch zählst Du auch eine Überweisung an eine andere Bank mittels  Zentralbankgeld zu einer Leistungserfüllung der kreditgebenden Bank. Sollte ich Dich falsch verstanden haben dann korrigiere mich bitte.

Meine Sichtweise:
Zwischen der Bank und dem Unternehmen wurde ein Vertrag geschlossen, in welchem sich der Unternehmer verpflichtete, eine Forderung an die Bank als Zahlungsmittel für diesen Vertrag zu akzeptieren. Das Unternehmen hat die eine Seite des Vertrages erfüllt, indem es beispielsweise eine Immobilie an die Bank übertragen hat und erhält als vertragsgemäße Zahlung den Kaufbetrag auf seinem Girokonto gutgeschrieben. Damit ist der Vertrag zwischen der Bank und dem Unternehmen abgewickelt. Der Unternehmer hat eine Zahlung erhalten. Gleiches gilt auch, wenn der Unternehmer sein Konto bei einer anderen Bank führt. Vertraglich wird dann bestenfalls festgehalten, dass mit dem Eingang der Überweisung auf dem Konto des Unternehmens bei Bank B die Zahlungsverpflichtung erfüllt wird. Bei einer internen Überweisung hat nach Deiner Meinung noch keine Leistungserbringung der Bank stattgefunden, bei der Überweisung an eine andere Bank schon. Diese Unterscheidung bringt für das Vertragsverhältnis zwischen der Bank und dem Unternehmen keinen Erkenntnisgewinn. In beiden Fällen hat die Bank ihre vertraglichen Verpflichtungen erfüllt. Es wird dabei nur das Vertragsverhältnis zwischen einem Mitglied des Bankensektors und einem Mitglied des Nichtbankensektors betrachtet.

Anders sieht es aus, betrachtet man die eingegangenen Schuldverhältnisse der Bank. Im Fall der internen Gutschrift auf das Girokonto des Unternehmens ist die Summe der Verpflichtungen der Bank gegenüber Kunden angestiegen. Damit hat die Bank ihre Liquiditätslage verschlechtert, falls die erworbene Aktiva keinen kurzfristig liquidierbaren Wert darstellt. Die gekaufte Immobilie kann nicht kurzfristig in Bargeld oder dem Bargeld nahestehendes Zentralbank-Buchgeld umgetauscht werden. Beim Kauf einer Aktie sieht das schon ganz anders aus.

Komplexer wird die interne Betrachtung im Bankensystem, wenn Bank A an den Kunden der Bank B zahlen muss. Besteht bei Überweisung zu dem Kunden der Bank B eine Korrespondenzbankbeziehung zur Bank B, so nimmt die überweisende Bank einen Kredit bei Bank B auf. Nun ist sie im Besitz von Bank B Zahlungsmittel und kann Bank B veranlassen, dieses Zahlungsmittel auf das Unternehmenskonto bei Bank B zu überweisen. Bei Bank A hat ein Passivtausch stattgefunden wohingegen bei Bank B eine Bilanzverlängerung erfolgte. Der genaue Ablauf ist in dem Beitrag
http://www.um-bruch.net/uwiki/index.php?title=Das_Geldr%C3%A4tsel:_Bilanzen_der_Gesch%C3%A4ftspartner
mit Abbildungen der einzelnen Schritte dargestellt. Bank A musste sich für den Immobilienkauf bei anderen Banken verschulden. Entweder direkt bei Bank B oder indirekt über die Zentralbank. Sie musste anstelle einer Verpflichtung gegenüber einem eigenen Kunden eine Verpflichtung gegenüber einer anderen Bank eingehen.

Was ich jetzt nicht erkennen kann Wolfgang ist, weshalb bei interner Gutschrift noch nicht geleistet wurde wohingegen bei einer Überweisung eine Leistungserbringung erfolgte.
Vielleicht habe ich Dich aber auch nur falsch verstanden.

Beste Grüße
Rudi Müller
 

Am 11.05.2017 um 23:46 schrieb Rudolf Müller:
Hallo Wolfgang,

in Deiner Mail vom 10.05.2017 10:19 hattest Du geschrieben:

Im übrigen kann jedes Unternehmen so vorgehen, nicht nur Banken. Kauft eine AG X ein Grundstück auf Kredit, kann der Käufer seine Forderung ggü AG X aus dem Kaufvertrag dafür verwenden, Aktien der AG X zu kaufen: Passivtausch. Auch hier senkt der Grundstückskauf die EK-Quote der AG, der Aktienverkauf stellt sie wieder her.

Anstelle "Käufer" sollte es wohl "Verkäufer" heißen. Die EK-Quote würde mE ebenfalls nach dem Aktienverkauf gegenüber dem Zustand vor dem Grundstückskauf ansteigen, wie dies bereits im Beispiel mit den Banken gezeigt. Hier sehe ich keinen grundsätzlichen Unterschied zwischen Banken und Unternehmen aus dem Nichtbankenbereich.

Zu diesem Thema habe ich noch einen Text von Prof. Richard Werner gefunden.

http://inflationsschutzbrief.de/geldschoepfung-banken-schoepfen-auch-eigenkapital-aus-dem-nichts/

Werners Ausführungen sollte man jedoch nach meiner Erfahrung mit einer gewissen Vorsicht genießen.
Seinen viel Aufsehen erregender Aufsatz:  "Geldschöpfung: Prof. Richard Werner widerlegt Mainstream-Theorien" habe ich näher untersucht und bin zu dem Ergebnis gekommen, das viele heiße Luft um nichts gemacht wurde. Einen Überblick über die Abläufe in einer Bank besitzt Werner offensichtlich nicht. Bereits bekannte Tatsachen werden publikumswirksam als neue Erkenntnisse dargestellt. Er glaubt mit einigen Auszügen aus der Bankbuchhaltung empirisch die Geldschöpfung aus dem Nichts nachweisen zu können. Dabei hat er aber lediglich einen einzelnen Kreditvorgang untersucht und dabei gleichzeitig schriftlich zugesichert, dass er die auf seinem Konto erzeugte Geldmenge nicht verwenden wird, sondern diese umgehend zurückzahlt. Sieh auch:
http://www.um-bruch.net/uforum/index.php?topic=16.msg1725#msg1725
Sein Aufsatz fand große Verbreitung ohne jegliche Kritik, besonders unter den Vollgeldlern.
 

Am 11.05.2017 um 18:38 schrieb moneymind:
Hallo Rudolf, hallo Stefan -

Hallo Wolfgang,

kann es sein, dass dir bei der unten stehenden Aussage ein Rechenfehler unterlaufen ist?

Schlimmer noch: ich hatte überhaupt nicht nachgerechnet! Danke für den Hinweis! Das muß ich mir in Ruhe genauer anschauen.

Was mich trotzdem von Euch beiden interessieren würde: wäre es nicht in meinem Beispiel, in dem eine Nichtbank (Unternehmen) ihr EK auf ähnliche Weise erhöht, dann auch so (Verbesserung der EK-Quote)?

Die These der Vollgeldler ist ja, daß Banken hier etwas können, das andere so nicht können.
Wenn die Vorgehensweise der Banken rechtlich zulässig ist, können Banken legal aus einem Kredit an einen Kunden mit anschließendem Aktienkauf ihr Eigenkapital erhöhen. Das Unternehmen AG X kann dies nicht. Es kann keinen Kredit vergeben und mit selbstgemachten Forderungen bezahlen. Dies kann nur eine Bank mit Einlagengeschäft. Durch den Aktienkauf wird eine täglich fällige Forderung in einen nicht rückzahlbaren Anteil an der Bank getauscht. In beiden Fällen wird am Ende ein Aktivwert mit Unternehmensanteilen bezahlt. 

Zum Thema noch ein Betrag aus dem Piraten-Wiki von Patrik:
http://wiki.piratenpartei.de/AG_Geldordnung_und_Finanzpolitik/ThemaEigenkapital


Grüße
Wolfgang



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