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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] Varoufakis: Schäuble's Plan for Europe (kommenden Do in der ZEIT, vorab am blog)

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

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Re: [AG-GOuFP] Varoufakis: Schäuble's Plan for Europe (kommenden Do in der ZEIT, vorab am blog)


Chronologisch Thread 
  • From: moneymind <moneymind AT gmx.de>
  • To: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] Varoufakis: Schäuble's Plan for Europe (kommenden Do in der ZEIT, vorab am blog)
  • Date: Thu, 23 Jul 2015 11:22:50 +0000
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>

Hallo Gerhard,

Bezogen auf deine Systematik wäre meine Geldtheorie wie folgt zu
charakterisieren:
*Herkunft:* Schuldrecht
Wir betreiben hier Ökonomie und keine Juristerei ;-). Mit dem Begriff
'Schuldrecht' soll doch zum Ausdruck gebracht werden, dass eine
funktionierende Rechtsordnung in einer Volkswirtschaft vorhanden ist,
die einen schuldrechtlichen Anspruch auch durchsetzen kann. Das ist doch
der Kern dessen, was Bruun mit 'authoritativ' bezeichnet.

Deine Trennung von Ökonomie und Juristerei und Dein Rückfall in juristische Vagheiten ("authoritativ")ist zwar der Normalfall, aber absolut fatal. Warum?

Weil Schuld- und Steuerrecht "Ökonmie" (Kreditwirtschaft) überhaupt erst schaffen und möglich machen.

Warum ist das essentiell? Weil wir in der Eurozone zwar eine einheitliche Währung haben, aber kein einheitlich zuverlässig funktionierendes privates Schuldrecht und staatliches Steuerrecht.

In Griechenland gibt es kein funktionierendes privates Schuldrecht, sondern eine auf informellem Tausch basierende Gesellschaft. Das bedeutet, private Schuldtitel können nicht als Basis der Geldschöpfung dienen. Hier liegt ein wesentlicher Grund dafür, daß

Die Eurozone wird nicht zum Funktionieren gebracht werden können, wenn Länder wie GR kein zuverlässiges privates Schuldrecht und öff. Steuerrecht haben. Doch genau dieser Zusammenhang wird von den herrschenden Sozialwissenschaften ausgeblendet (übersehen), und deswegen enthält auch KEINES der "Reformprogramme" - ob es nun das der Troika, das von Varoufakis, Tsipras, das von Flaßbeck oder von sonstjemandem ist.

Dies, weil der Zusammenhang von Juristerei und Ökonomie, der in der schuldrechtlichen und steuerrechtlichen Nominalforderung (in money of account denominiert) besteht, nicht systematisch als alles integrierendes Bindeglied zwischen Juristerei, BWL und VWL erkannt ist.

Arne ist einer der wenigen, die hier einen absolut entscheidenden Schritt weiter denken. Ohne diesen Schritt wird die Krise der Eurozone nicht nachhaltig zu lösen sein (es sei denn, es käme zu einer clearing union mit europäischer Verrechnungswährung bei nationaler Rückkehr zu eigenen Währungen, sodaß zur Verrechnugnswährung "Euro" wieder ein veränderlicher Wechselkurs bestünde - dann könnten Länder wie GR es mit den Rechtsverhältnissen halten, wie sie wollen; aber die Griechen wollen ja weniger "Korruption" - das dürfte ohne funktionsfähiges Privatrecht kaum zu machen sein).

/Diese systematische Synthese von Recht, BWL und VWL (über das Konzept der Nominalforderung = Ergebnis von a) Vertrag oder b) hoheitlicher Anordnung (Steuerforderung)) herzustellen, ist DIE große Aufgabe für eine Politische Ökonomie Europas, die Europa auf vernünftige rechtliche und ökonomische Grundlagen stellen kann. /

Im letzten Kapitel von Cencinis Macroeconomic Foundation entwirft der
Autor die Vision einer 'globalen Zahlungspyramide' einer einheitlichen
(homogenen) Weltwährung. Jenseits nationaler Währungen stellt die
Zusammenfassung der nationalen Abrechnungssysteme in einem regionalen
Abrechnungssystem die nächste Homogenisierungsstufe dar. In der EU sind
wir ja gerade dabei, ein solches Abrechnungssystem zu konstruieren. Der
fehlende Baustein hierfür ist lediglich ein Clearingmechanismus, wie es
Keynes in seinem Bancorkonzept als erster formuliert hat und aktuell von
Varoufakis als 'Umwälzmechanismus' ins Spiel gebracht wird.

Es fehlt auch das einheitlich verläßliche Fundament für Nominalforderungen (aus Kreditverträgen und Steuerforderungen). Das ist absolut entscheidend, wenn nationale Währungen und ein Wechselkurs zur Verrechnungswährung aufgegeben werden sollen, wie das in der Eurozone ja der Fall ist.

In Keynes' Bancor Plan GAB es nationale Währungen mit einem in festgelegten Bandbreiten anpaßbaren Wechselkurs zur gemeinsamen Verrechnungswährung - das ist ein WESENTLICHER Unterschied zum Euro!

*Wert von Geld*:
*Innerer Wert*: Der Nominalwert ist der Wert des Geldes, d.h. 10 Euro
sind genau 10 Euro wert, weil man mit 10 Euro genau eine Verbindlichkeit
von 10 Euro begleichen kann. Dieser Wert bleibt immer gleich!
*Äußerer Wert* oder Tauschwert: Der Wert des Geldes drückt sich im Preis
der Waren und Dienstleistungen aus. Dieser Wert ändert sich ständig.
Auf diese Weise führst du insgeheim wieder eine Dichotomisierung ein.
Während der *Innere Wert* seine Verwandschaft zur Auffassung in der
Modern Monetary Theory schwer leugnen kann, kommt im *Äußeren Wert* eine
Variabilität zur Geltung, die man letztendlich in den individuellen
Erwartungen der Wirtschaftssubjekte verorten kann.

Als wesentliches Merkmal von Geld vermisse ich bei Bruun die
Numeraire-Eigenschaft, also die Konstanz von Wert in der Zeit, die ich
als wesentliche Voraussetzung einer stabilen Finanzordnung ansehe.

Das ist ja gerade das Elegante an der Quantumanalyse, dass der
Kapitalbegriff endlich sauber definiert ist: Als Kapitalien gibt es
genau zwei Kategorien
1. Das Finanzerungskapital als schuldrechtliche Beziehung zwischen
Depotinhaber und Bank. Mit der Lohnzahlung wird die reale Größe Output
mit der monetären Größe Einkommen assoziiert.
2. Das Fixkapital, darunter sind alle physischen Objekte
zusammengefasst, die der Gesellschaft produktiv zur Verfügung stehen und
den gemeinsamen Kapitalstock einer Volkswirtschaft bilden. Hierunter
fallen insbesondere auch das institutional in Form von
Kapitalgesellschaften verfasste Fixkapital.

1. Forderungen sind nominal fixiert, lauten bis Fälligkeit auf einen vertraglich vereinbarten, festgeschriebenen und damit unveränderlichen Betrag. Natürlich kann der Marktpreis handelbarer Forderungen vom Nominalbetrag abweichen. Bei Fälligkeit schuldet der Schuldner aber den fixen Nominalbetrag und muß mit diesem rechnen.

2. Forderungslose Vermögenswerte sind Eigentumsrechte, Patente etc. - und die werden in Abhängigkeit von Erwartungen bewertet. D.h. sie sind nominal variabel.

Diese in der Bilanzierung triviale, von der VWL nicht systematisch in ihrer Bedeutung erkannte Unterscheidung ist der Schlüssel zum Verständnis von Booms/Busts, Konjunktur etc. (Bruun/Heyn-Johnsen haben das ja erkannt und reden daher von "almost-stock-flow-consistency": flows innerhalb einer Bilanz können nämlich einfach auch durch Neubewertungen von forderungslosen Vermögensbeständen bei unverändertem Netto-Finanzvermögen entstehen). Gesamtwirtschaftlich entstehen flows AUSSCHLIESSLICH durch a) Neubewertung bestehender forderungsloser Vermögensbestände und b) Neuproduktion oder Vernichtung forderungsloser Vermögensbestände (bei gleichbleibenden Werten/Preisen) sowie aus Kombinationen von a)+b), denn gesamtwirtschaftlich existiert kein Netto-Finanzvermögen (es ist immer gleich Null).

Diese beiden Kategorien müssen streng voneinander getrennt
werden,

Genau.

Gruß, Wolfgang




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