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Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik
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- From: Gerhard <listmember AT rinnberger.de>
- To: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
- Subject: Re: [AG-GOuFP] Unterschiedlichen Geldtheorien
- Date: Wed, 22 Jul 2015 10:19:49 +0200
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
- List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>
- Newsgroups: pirates.de.talk.politik.geldordnung-finanzpolitik.ag-bereich
- Organization: Newsserver der Piratenpartei Deutschland - Infos siehe: http://wiki.piratenpartei.de/Syncom/Newsserver
Am 17.07.15 um 14:14 schrieb Arne Pfeilsticker:
>
>
>> Am 15.07.2015 um 12:32 schrieb Gerhard <listmember AT rinnberger.de
>> <mailto:listmember AT rinnberger.de>>:
>>
>> In
>> <https://wiki.piratenpartei.de/AG_Geldordnung_und_Finanzpolitik/Geldtheorien_Systematik>
>>
> Hallo Gerhard,
>
> genau diese Herausforderung verfolge ich durch meine Geldtheorie, die
> ich unter folgendem Link beschrieben habe:
> http://wiki.piratenpartei.de/AG_Geldordnung_und_Finanzpolitik/Was_ist_Geld%3F
> <http://wiki.piratenpartei.de/AG_Geldordnung_und_Finanzpolitik/Was_ist_Geld?>
Hallo Arne, ich habe mir erst neulich wieder diesen Artikel zu Gemüte
geführt und dabei festgestellt, dass schon eine weitgehende
Übereinstimmung zu meiner bzw. quantumökonomischer Auffassung besteht.
Soweit ich die Diskussion mitbekommen habe, hast du durch eine rigorose
Analyse von Zahlungen das Maximale rausgeholt, was man aus
betriebswirtschaftlicher Perspektive unter einem Tauschparadigma
analysieren kann. Neu ist in der Quantumökonomie die Verknüpfung von
Finanzierung und Zeit mit dem Kapitalbegriff, doch dazu unten mehr.
> Bezogen auf deine Systematik wäre meine Geldtheorie wie folgt zu
> charakterisieren:
>
> *Herkunft:* Schuldrecht
Wir betreiben hier Ökonomie und keine Juristerei ;-). Mit dem Begriff
'Schuldrecht' soll doch zum Ausdruck gebracht werden, dass eine
funktionierende Rechtsordnung in einer Volkswirtschaft vorhanden ist,
die einen schuldrechtlichen Anspruch auch durchsetzen kann. Das ist doch
der Kern dessen, was Bruun mit 'authoritativ' bezeichnet.
> *Bevorzugte monetäre Funktionen:* Zahlungsmittel, Wertmaß,
> Wertaufbewahrungsmittel, Informations- und Kommunikationsmittel und
> Steuerungsmittel
>
> Anmerkung: Aus meiner Sicht hat Geld nicht eine, sondern mehrere
> Grundfunktionen, die erst im Zusammenspiel Geld ausmachen. Details
> siehe:
> http://wiki.piratenpartei.de/AG_Geldordnung_und_Finanzpolitik/Was_ist_Geld%3F/Geldfunktionen
> <http://wiki.piratenpartei.de/AG_Geldordnung_und_Finanzpolitik/Was_ist_Geld?/Geldfunktionen>
Ich fürchte, du packst da zuviel rein. Insbesondere die Eigenschaft als
Informationsmittel impliziert die neoklassische Annahme einer perfekten
Voraussicht aller Marktteilnehmer. Unter diesen allzu reduktionistischen
Voraussetzungen wird ein 'Marktpreis' konstruiert, bei dem alle
relevanten Informationen in eine zahlenmäßig bestimmte Größe
einfliessen. In der Praxis kannst du allerdings Informationsassymmetrien
beobachten, wie es etwa George Akerlof in: 'The Market for Lemons'
(1970) untersucht hat. Online unter:
https://en.wikipedia.org/w/index.php?title=The_Market_for_Lemons
> *Definition von Geld:*
>
> 1. Geld ist ein Anspruch auf Geld.
> 2. Ein Anspruch auf Geld gegen die Zentralbank ist Geld (Rekursionsanker)
>
>
> Anmerkung: Es handelt sich hier um eine rekursive Gelddefinition. Bei
> dem Begriff Anspruch handelt es sich um einen schuldrechtlichen
> Anspruch. Details
> siehe:
> http://wiki.piratenpartei.de/wiki/images/6/6f/Geld_ist_ein_Anspruch_auf_Geld.pdf
> und
> http://wiki.piratenpartei.de/AG_Geldordnung_und_Finanzpolitik/Was_ist_Geld%3F/Geldentwicklung#Giralgeld:_Geld_ist_ein_Anspruch_auf_Geld
> <http://wiki.piratenpartei.de/AG_Geldordnung_und_Finanzpolitik/Was_ist_Geld?/Geldentwicklung#Giralgeld:_Geld_ist_ein_Anspruch_auf_Geld>
>
Ich bin ja schon vor einiger Zeit auf diese rekursive Gelddefinition
eingegangen, in dem ich gezeigt habe, wie diese Rekursion in einem
institutionalisierten volkswirtschaftlichen Arrangement aufgelöst wird.
Ist vielleicht im Laufe der Zeit untergegangen; zur Erinnerung daher
hier nochmal im Wortlaut:
<zitat>
Ah, das habe ich noch übersehen. In der MCT bzw. Quantumökonomie wird
die vertikale Verkettung noch einmal aufgespalten:
Anspruch Publikum ggü. Geschäftsbank und Anspruch Geschäftsbank ggü.
Zentralbank. Im Zahlungsvorgang sind diese beiden Kreise durch die
Mediation der Zentralbanken miteinander verschränkt. Durch das Clearing
auf dem Interbankenmarkt werden die (Kredit-)gelder der Geschäftsbanken
in eine einheitliche Form (Zentralbankgeld) gebracht. Als Resultat
dieses Homogenisierungsprozesses haben wir eine einheitliche nationale
Währung. Dieser grundlegende Zusammenhang eines modernen Bankensystems
ist auch in dem bekannten Videovortrag von Piratos dokumentiert.
Im letzten Kapitel von Cencinis Macroeconomic Foundation entwirft der
Autor die Vision einer 'globalen Zahlungspyramide' einer einheitlichen
(homogenen) Weltwährung. Jenseits nationaler Währungen stellt die
Zusammenfassung der nationalen Abrechnungssysteme in einem regionalen
Abrechnungssystem die nächste Homogenisierungsstufe dar. In der EU sind
wir ja gerade dabei, ein solches Abrechnungssystem zu konstruieren. Der
fehlende Baustein hierfür ist lediglich ein Clearingmechanismus, wie es
Keynes in seinem Bancorkonzept als erster formuliert hat und aktuell von
Varoufakis als 'Umwälzmechanismus' ins Spiel gebracht wird. Die
Umsetzung einer eines solchen Mechanismuses wäre ein wesentlicher
Meilenstein auf dem Weg zu einer einheitlichen, globalen
Abrechnungsstruktur. Eine 'Neutralität des Geldes' wäre damit
durch die Vermittlung der beteiligten Institutionen in gewissem Sinne
wieder gegeben.
Für den computeraffinen Mitleser möchte ich auf die formale
Ähnlichkeit dieser Vision mit dem OSI-Schichtenmodell verweisen.
<kleiner Einschub>
Zu deiner Definition: Soweit ich mich erinnere, hast du in einer
früheren Version die wesentliche Merkmale einer Zahlung den Zeitpunkt,
den Betrag, Gläubiger ('Empfänger' der Zahlung) sowie Schuldner
('Sender' der Zahlung) ausgemacht.
Wir können eine Folge von *geplanten* Zahlungen auch ganz allgemein als
Finanzierung auffassen, womit auch dieser Begriff definiert wäre. Im
einfachsten Fall kann ein konkretes Finanzierungsprojekt mit einen
Betrag (Z_0), dem Auszahlungszeitpunkt t_0, dem Rückzahlungszeitpunkt
t_1 beschrieben und zu einer Einheit zusammengefasst werden und stellt
eine Kapitalgröße dar. Dieses Kapital formal geschrieben als { Z_0, t_0,
t_1) kann Gegenstand eines schuldrechtlichen Vertrages zweier Parteien sein.
Ein großes Problem, das ich bei den Finanzinstrumenten sehe, liegt in
der IAS-Definition, insbesondere den dazugehörigen Bewertungskriterien
(Stichwort: Fair-Value). Exakt definiert ist ein solcher Anspruch nur
zum Zeitpunkt
t_0 -> Z_0 vereinbarte Höhe des Darlehens
und
t_1 -> 0 wenn alle Zahlungen beglichen sind
(der Kontrakt ist finalisiert)
Zu jedem anderen Zeitpunkt dazwischen ist der Wert 'virtuell' in dem
Sinne, als er u.a. abhängig von den Erwartungen der
(Kapital-)marktteilnehmer ist. Gerade das Fair-Value-Kriterium eröffnet
Finanzinstituten imho 'kreativen' buchhalterischen Gestaltungsspielraum.
</kleiner Einschub>
Als Resume dieses Beitrags sollten die Begriffe 'Finalisierung' und
'Homogenisierung' als wesentliche Merkmale für das Verständnis des
Konzeptes Geld hängengeblieben sein.
</zitat>
Zur institutionellen Einordnung von Banken und anderen MFIs (monetary
financial institutions) habe ich an anderer Stelle geschrieben:
<zitat>
Am 07.03.15 um 09:47 schrieb David Finsterwalder:
> Steve Keen hat hierzu einen aktuellen Blogartikel in Bezug auf Augusto
> Graziani geschrieben:
>
>
http://www.forbes.com/sites/stevekeen/2015/02/28/what-is-money-and-how-is-it-created/
>
> Die Bank ist schlicht ein "Clearing House".
>
> Zitat:* "money has to be accepted as a means of final settlement of the
> transaction (otherwise it would be credit and not money)"*
Leider zitierst du unvollständig, denn dieser Blogbeitrag hat
weitreichendere Konsequenzen. Ich habe daher die entscheidende Passage
und die Kernfolgerung für alle übersetzt.
Nach Graziani sind drei Grundvoraussetzungen zu erfüllen, damit etwas
als 'Geld' bezeichnet werden kann:
1. Geld muss ein reines Zeichen sein, um als Zahlungsmittel zu
funktionieren (ansonsten wäre es ein Tausch und keine monetäre Transaktion)
2. Geld muss als endgültig schuldbefreiender Titel akzeptiert sein
(ansonsten wäre es ein Kredit)
3. Es darf keine Seignorage (=Geldschöfungsgewinn) bei irgendeinem an
einer Zahlung beteiligten Akteure entstehen.
Diese drei Bedingungen können nur dadurch erfüllt werden, dass Zahlungen
durch die Vermittlung eines Dritten (einem Treuhänder) abgewickelt
werden. Wir nennen diesen Dritten eine Bank.
Damit sind Banken institutionell von herkömmlichen Unternehmen zu
unterscheiden. Die Mainstreamökonomie tut das nicht. Wir können daher
festhalten: Geld ist die einseitige Schuldanerkenntnis durch eine Bank.
</zitat>
Zur Verdeutlichung: Was die Zahlung als monetäre Transaktion
konstituiert und substantiell vom Tausch unterscheidet, ist der Umstand
dass eben nicht zwei Güter von zwei Wirtschaftssubjekten bilateral
getauscht werden, sondern eine trilaterale Transaktion zwischen Käufer,
Verkäufer und Bank und nur einem Gut stattfindet: Im Gegenzug zum
Eigentumsübergang am Wirtschaftsgut wird das Zahlungsversprechen durch
die Bank vom Käufer auf den Verkäufer übertragen.
> *Werttheorie: *
> /Nichts/ hat einen Wert an und für sich. Es gibt nicht „den“ Wert,
> sondern unterschiedliche Werte, wie z.B. Tauschwert, Gebrauchswert oder
> persönlicher Wert. Jeder Wert entsteht im Kontext eines Beziehungs- und
> Leistungsgeflechtes und kann sich ändern, wenn sich dieser Kontext ändert.
>
> Hinsichtlich des Geldes kann man folgendes sagen:
> *
> *
> *Wert von Geld*:
>
> *Innerer Wert*: Der Nominalwert ist der Wert des Geldes, d.h. 10 Euro
> sind genau 10 Euro wert, weil man mit 10 Euro genau eine Verbindlichkeit
> von 10 Euro begleichen kann. Dieser Wert bleibt immer gleich!
>
> *Äußerer Wert* oder Tauschwert: Der Wert des Geldes drückt sich im Preis
> der Waren und Dienstleistungen aus. Dieser Wert ändert sich ständig.
Auf diese Weise führst du insgeheim wieder eine Dichotomisierung ein.
Während der *Innere Wert* seine Verwandschaft zur Auffassung in der
Modern Monetary Theory schwer leugnen kann, kommt im *Äußeren Wert* eine
Variabilität zur Geltung, die man letztendlich in den individuellen
Erwartungen der Wirtschaftssubjekte verorten kann.
Als wesentliches Merkmal von Geld vermisse ich bei Bruun die
Numeraire-Eigenschaft, also die Konstanz von Wert in der Zeit, die ich
als wesentliche Voraussetzung einer stabilen Finanzordnung ansehe.
Das ist ja gerade das Elegante an der Quantumanalyse, dass der
Kapitalbegriff endlich sauber definiert ist: Als Kapitalien gibt es
genau zwei Kategorien
1. Das Finanzerungskapital als schuldrechtliche Beziehung zwischen
Depotinhaber und Bank. Mit der Lohnzahlung wird die reale Größe Output
mit der monetären Größe Einkommen assoziiert.
2. Das Fixkapital, darunter sind alle physischen Objekte
zusammengefasst, die der Gesellschaft produktiv zur Verfügung stehen und
den gemeinsamen Kapitalstock einer Volkswirtschaft bilden. Hierunter
fallen insbesondere auch das institutional in Form von
Kapitalgesellschaften verfasste Fixkapital.
Durch diese Unterscheidung werden dem Kapital Grenzen genau dort
gesetzt, wo sie ökonomisch gerechtfertigt sind: Am Übergang Ware->Geld
bzw. Geld->Ware, wie es K. Marx formuliert hat.
Diese beiden Kategorien müssen streng voneinander getrennt werden, da
sonst die Anomalien entstehen, die wir gerade beobachten können.
Bei institutionalisiertem Fixkapital (Aktien) ist dann auch ein
objektiver Wert herleitber:
Ausgabekurs x Anzahl der Aktien + Summe thesaurierter Gewinne
Für in Fonds gebundenes Aktienkapital wäre dann der nach Aktienanteil
gewichtete Wert objektiv begründbar.
> *Volkswirtschaftlicher Wert:* Aufgrund der Funktionen des Geldes
> entstehen volkswirtschaftlich erhebliche Synergieeffekte. Geldschöpfung
> ist bis zu einem gewissen Ausmass Wertschöpfung. Aufgrund von Geld wird
Sei vorsichtig, wenn du den Begriff 'Geldschöpfung' in die Nähe von
'Wertschöpfung' bringst. Konzeptionell begibst du dich damit in die Nähe
der Warendenke der Nutzentheoretiker.
ivl1705
- Re: [AG-GOuFP] Problem bei Buchungen über Währungsgrenzen hinweg besteht!, (fortgesetzt)
- Re: [AG-GOuFP] Problem bei Buchungen über Währungsgrenzen hinweg besteht!, Rudi, 26.07.2015
- Re: [AG-GOuFP] Problem bei Buchungen über Währungsgrenzen hinweg besteht!, Gerhard, 27.07.2015
- Re: [AG-GOuFP] Varoufakis: Schäuble's Plan for Europe (kommenden Do in der ZEIT, vorab am blog), Gerhard, 26.07.2015
- Re: [AG-GOuFP] Varoufakis: Schäuble's Plan for Europe (kommenden Do in der ZEIT, vorab am blog), Kos, 29.07.2015
- [AG-GOuFP] Vision einer Internationalen Clearing Union Was: Varoufakis: Schäuble's Plan for Europe (kommenden Do in der ZEIT, vorab am blog), Gerhard, 31.07.2015
- [AG-GOuFP] Zur historischen Einordnung von J. Rueff Was: Varoufakis: Schäuble's Plan for Europe (kommenden Do in der ZEIT, vorab am blog), Gerhard, 31.07.2015
- Re: [AG-GOuFP] Varoufakis: Schäuble's Plan for Europe (kommenden Do in der ZEIT, vorab am blog), moneymind, 31.07.2015
- Re: [AG-GOuFP] Unterschiedlichen Geldtheorien, Gerhard, 22.07.2015
- Re: [AG-GOuFP] Varoufakis: Schäuble's Plan for Europe (kommenden Do in der ZEIT, vorab am blog), moneymind, 23.07.2015
- [AG-GOuFP] (nominal fixierte) Forderungen vs. forderungslose Vermögenswerte, Kos, 24.07.2015
- Re: [AG-GOuFP] (nominal fixierte) Forderungen vs. forderungslose Vermögenswerte, Rudi, 24.07.2015
- Re: [AG-GOuFP] Varoufakis: Schäuble's Plan for Europe (kommenden Do in der ZEIT, vorab am blog), Kos, 27.07.2015
- Re: [AG-GOuFP] Varoufakis: Schäuble's Plan for Europe (kommenden Do in der ZEIT, vorab am blog), moneymind, 23.07.2015
- Re: [AG-GOuFP] Varoufakis: Schäuble's Plan for Europe (kommenden Do in der ZEIT, vorab am blog), Gerhard, 27.07.2015
- Re: [AG-GOuFP] Unterschiedlichen Geldtheorien, Eckhard Rülke, 24.07.2015
- [AG-GOuFP] "Geld ist ein Anspruch auf Kreditschuldtilgung" +1 oT, Kos, 24.07.2015
- Re: [AG-GOuFP] Unterschiedlichen Geldtheorien, Arne Pfeilsticker, 27.07.2015
- Re: [AG-GOuFP] Varoufakis: Schäuble's Plan for Europe (kommenden Do in der ZEIT, vorab am blog), Kos, 27.07.2015
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