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Re: [AG-GOuFP] Varoufakis: Schäuble's Plan for Europe (kommenden Do in der ZEIT, vorab am blog)
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- From: Gerhard <listmember AT rinnberger.de>
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- Subject: Re: [AG-GOuFP] Varoufakis: Schäuble's Plan for Europe (kommenden Do in der ZEIT, vorab am blog)
- Date: Mon, 27 Jul 2015 15:51:12 +0200
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Am 23.07.15 um 13:22 schrieb moneymind:
> Hallo Gerhard,
>
>>> Bezogen auf deine Systematik wäre meine Geldtheorie wie folgt zu
>>> charakterisieren:
>>> *Herkunft:* Schuldrecht
>> Wir betreiben hier Ökonomie und keine Juristerei ;-). Mit dem Begriff
>> 'Schuldrecht' soll doch zum Ausdruck gebracht werden, dass eine
>> funktionierende Rechtsordnung in einer Volkswirtschaft vorhanden ist,
>> die einen schuldrechtlichen Anspruch auch durchsetzen kann. Das ist doch
>> der Kern dessen, was Bruun mit 'authoritativ' bezeichnet.
>
> Deine Trennung von Ökonomie und Juristerei und Dein Rückfall in
> juristische Vagheiten ("authoritativ")ist zwar der Normalfall, aber
> absolut fatal. Warum?
"authoritativ" ist erstmal nicht meine Wortschöpfung. Du bist ein sehr
präziser Mitleser, dem die Pauschalität in obiger Aussage sofort
aufgefallen ist. Ich poste hier in der AG-GOFP aus der Sicht eines
makroökonomisch fundierten, monetären Produktionsmodells. Aus diesem
Modell ergibt sich zwingend die politische Forderung nach einer Reform
des Bankenrechts, was zwangsläufig ein funktionierendes Schuldrecht
voraussetzt.
> Weil Schuld- und Steuerrecht "Ökonmie" (Kreditwirtschaft) überhaupt erst
> schaffen und möglich machen.
Eine Kausalität in der Richtung sehe ich nicht; was man bestenfalls
sagen kann sie bedingen einander.
> Warum ist das essentiell? Weil wir in der Eurozone zwar eine
> einheitliche Währung haben, aber kein einheitlich zuverlässig
> funktionierendes privates Schuldrecht und staatliches Steuerrecht.
Diese Kritik ist berechtigt aber so alt wie die Diskussion um eine
funktionierende Währungsunion. Die Kritik richtete sich auf
institutionelle und insbesondere fiskalische Fragen und ist immer noch
aktuell!
> In Griechenland gibt es kein funktionierendes privates Schuldrecht,
> sondern eine auf informellem Tausch basierende Gesellschaft. Das
> bedeutet, private Schuldtitel können nicht als Basis der Geldschöpfung
> dienen. Hier liegt ein wesentlicher Grund dafür, daß
>
> Die Eurozone wird nicht zum Funktionieren gebracht werden können, wenn
> Länder wie GR kein zuverlässiges privates Schuldrecht und öff.
> Steuerrecht haben. Doch genau dieser Zusammenhang wird von den
> herrschenden Sozialwissenschaften ausgeblendet (übersehen), und deswegen
> enthält auch KEINES der "Reformprogramme" - ob es nun das der Troika,
> das von Varoufakis, Tsipras, das von Flaßbeck oder von sonstjemandem ist.
Auch hierin Übereinstimmung. Was bislang als "Reform" verkauft wurde,
kann man bestenfalls als Stochern im Nebel bezeichnen, exemplarisch an
diesem Monitor-Beitrag festgemacht:
<http://www1.wdr.de/daserste/monitor/videos/videodoppelzuengigwasdeutschlandspolitikervongriechenlandfordern100.html>
> Dies, weil der Zusammenhang von Juristerei und Ökonomie, der in der
> schuldrechtlichen und steuerrechtlichen Nominalforderung (in money of
> account denominiert) besteht, nicht systematisch als alles
> integrierendes Bindeglied zwischen Juristerei, BWL und VWL erkannt ist.
>
> Arne ist einer der wenigen, die hier einen absolut entscheidenden
> Schritt weiter denken. Ohne diesen Schritt wird die Krise der Eurozone
> nicht nachhaltig zu lösen sein (es sei denn, es käme zu einer clearing
> union mit europäischer Verrechnungswährung bei nationaler Rückkehr zu
> eigenen Währungen, sodaß zur Verrechnugnswährung "Euro" wieder ein
> veränderlicher Wechselkurs bestünde - dann könnten Länder wie GR es mit
> den Rechtsverhältnissen halten, wie sie wollen; aber die Griechen wollen
> ja weniger "Korruption" - das dürfte ohne funktionsfähiges Privatrecht
> kaum zu machen sein).
Ein reformiertes Bankenrecht wäre unabdingbare Voraussetzung für eine
'clearing union'. Daneben müssen auch stabile Eigentumsverhältnisse in
einem Mitgliedsland gegeben sein. Der Übergang von bilateralem zu
multilateralem Clearing ist nur eine Teillösung um das Problem der
Währungsspekulation in den Griff zu kriegen.
> /Diese systematische Synthese von Recht, BWL und VWL (über das Konzept
> der Nominalforderung = Ergebnis von a) Vertrag oder b) hoheitlicher
> Anordnung (Steuerforderung)) herzustellen, ist DIE große Aufgabe für
> eine Politische Ökonomie Europas, die Europa auf vernünftige rechtliche
> und ökonomische Grundlagen stellen kann. /
>
>> Im letzten Kapitel von Cencinis Macroeconomic Foundation entwirft der
>> Autor die Vision einer 'globalen Zahlungspyramide' einer einheitlichen
>> (homogenen) Weltwährung. Jenseits nationaler Währungen stellt die
>> Zusammenfassung der nationalen Abrechnungssysteme in einem regionalen
>> Abrechnungssystem die nächste Homogenisierungsstufe dar. In der EU sind
>> wir ja gerade dabei, ein solches Abrechnungssystem zu konstruieren. Der
>> fehlende Baustein hierfür ist lediglich ein Clearingmechanismus, wie es
>> Keynes in seinem Bancorkonzept als erster formuliert hat und aktuell von
>> Varoufakis als 'Umwälzmechanismus' ins Spiel gebracht wird.
>
> Es fehlt auch das einheitlich verläßliche Fundament für
> Nominalforderungen (aus Kreditverträgen und Steuerforderungen). Das ist
> absolut entscheidend, wenn nationale Währungen und ein Wechselkurs zur
> Verrechnungswährung aufgegeben werden sollen, wie das in der Eurozone ja
> der Fall ist.
Was die monetäre Seite angeht, ist dieses Fundament mit dem
Quantummodell gegeben. Aus meiner Sicht stehen daher fiskalische und
institutionelle Fragen im Vordergrund.
> In Keynes' Bancor Plan GAB es nationale Währungen mit einem in
> festgelegten Bandbreiten anpaßbaren Wechselkurs zur gemeinsamen
> Verrechnungswährung - das ist ein WESENTLICHER Unterschied zum Euro!
>
>>> *Wert von Geld*:
[…]
>> Das ist ja gerade das Elegante an der Quantumanalyse, dass der
>> Kapitalbegriff endlich sauber definiert ist: Als Kapitalien gibt es
>> genau zwei Kategorien
>> 1. Das Finanzerungskapital als schuldrechtliche Beziehung zwischen
>> Depotinhaber und Bank. Mit der Lohnzahlung wird die reale Größe Output
>> mit der monetären Größe Einkommen assoziiert.
>> 2. Das Fixkapital, darunter sind alle physischen Objekte
>> zusammengefasst, die der Gesellschaft produktiv zur Verfügung stehen und
>> den gemeinsamen Kapitalstock einer Volkswirtschaft bilden. Hierunter
>> fallen insbesondere auch das institutional in Form von
>> Kapitalgesellschaften verfasste Fixkapital.
>
> 1. Forderungen sind nominal fixiert, lauten bis Fälligkeit auf einen
> vertraglich vereinbarten, festgeschriebenen und damit unveränderlichen
> Betrag. Natürlich kann der Marktpreis handelbarer Forderungen vom
> Nominalbetrag abweichen. Bei Fälligkeit schuldet der Schuldner aber den
> fixen Nominalbetrag und muß mit diesem rechnen.
>
> 2. Forderungslose Vermögenswerte sind Eigentumsrechte, Patente etc. -
> und die werden in Abhängigkeit von Erwartungen bewertet. D.h. sie sind
> nominal variabel.
Ich halte an dieser Stelle fest, dass offensichtlich Einigkeit darüber
besteht, dass die die Aktivum-Passivum Relationen einer Bilanz
unterschiedliche Qualitäten aufweisen.
> Diese in der Bilanzierung triviale, von der VWL nicht systematisch in
> ihrer Bedeutung erkannte Unterscheidung ist der Schlüssel zum
> Verständnis von Booms/Busts, Konjunktur etc. (Bruun/Heyn-Johnsen haben
> das ja erkannt und reden daher von "almost-stock-flow-consistency":
Eine Konjunkturtheorie ist tatsächlich ein Manko der Quantumökonomie.
Cencini spricht in 'Foundations' nur allgemein von 'bubbles'. Hier kommt
der Ansatz von Steve Keen mit einer rein dynamischen Modellierung in
Spiel. Als Ausgangspunkt kann das Modell in
<http://www.debtdeflation.com/blogs/wp-content/uploads/2014/09/Keen2014DebunkingEconomicsISIPE.pptx>
dienen. Die Modifikationen setzen am Harrod-Domar-Wachstumsmodell an, um
stock-flow-consistency zu erreichen. Im Ergebnis hat das Modell eine
zusätzliche Senke (das Fixkapital) in dem Wert im Zeitablauf
verschwindet, d.h. dämpfend auf das Wachstum wirkt. Diese kann jedoch
durch eine zusätzliche Quelle (der Nachfrage nach Amortisationsgütern am
Arbeitsmarkt) ausgeglichen werden. Diese zusätzliche Nachfrage wirkt
einer Umverteilung von unten nach oben schon mal entgegen.
Formal stellt dieses Modell ein gekoppeltes Differentialgleichungssystem
dar, das analytisch nicht mehr aufgelöst werden kann. Es kann jedoch das
Zeitverhalten simuliert werden. In der dynamischen Modellierung wird
dann nur noch zwischen stabilen Verhalten, Grenzzyklus und Chaos
unterschieden.
> flows innerhalb einer Bilanz können nämlich einfach auch durch
> Neubewertungen von forderungslosen Vermögensbeständen bei unverändertem
> Netto-Finanzvermögen entstehen). Gesamtwirtschaftlich entstehen flows
> AUSSCHLIESSLICH durch a) Neubewertung bestehender forderungsloser
> Vermögensbestände und b) Neuproduktion oder Vernichtung forderungsloser
> Vermögensbestände (bei gleichbleibenden Werten/Preisen) sowie aus
> Kombinationen von a)+b), denn gesamtwirtschaftlich existiert kein
> Netto-Finanzvermögen (es ist immer gleich Null).
Zur Erläuterung fasse ich hier nochmal den Begriff Fixkapital zusammen,
wie er bei Cencini verwendet wird. Im Unterschied zum
betriebswirtschaftlichen Vorgehen, welche den Verzehr im Laufe der
Zeit abschreibt, ist das makroökonomische Fixkapital in der Höhe des
Anschaffungswertes zu fixieren. Es stellt sozusagen das monetäre
Äquivalent des technologischen Produktionsniveaus einer Volkswirtschaft
zu einem beliebigen Zeitpunkt dar.
Ob die regelmäßige Neubewertung nach betriebswirtschaftlichen oder
steuerlichen Erwägungen vorzunehmen ist. lässt Cencini offen. Um den
tatsächlich auftretenden Verschleiss zu kompensieren, kann das
Unternehmen auch die von Cencini als Amortisationsgüter bezeichneten
Güter, wie Reparaturleistungen oder Ersatzteile nachfragen. Solange
diese erfolgen, besteht kein Anlass den Wert zu ändern, da das
technologische Produktionsniveau gleich bleibt.
Diese Güter gibt es aber, direkt oder indirekt, nur auf dem
*Arbeitsmarkt*. Dies stellt
1. eine stärkere Umverteilung hin zu Arbeitnehmereinkommen dar und
2. rückt realwirtschaftliche Erwägungen wieder in den Vordergrund.
Soweit meine Ergänzung zur Unterscheidung Modellbetrachtung und konkrete
Implementierung mit Ausblick auf meine Agenda.
ivl1705
- [AG-GOuFP] Vision einer Internationalen Clearing Union Was: Varoufakis: Schäuble's Plan for Europe (kommenden Do in der ZEIT, vorab am blog), (fortgesetzt)
- [AG-GOuFP] Vision einer Internationalen Clearing Union Was: Varoufakis: Schäuble's Plan for Europe (kommenden Do in der ZEIT, vorab am blog), Gerhard, 31.07.2015
- [AG-GOuFP] Zur historischen Einordnung von J. Rueff Was: Varoufakis: Schäuble's Plan for Europe (kommenden Do in der ZEIT, vorab am blog), Gerhard, 31.07.2015
- Re: [AG-GOuFP] Varoufakis: Schäuble's Plan for Europe (kommenden Do in der ZEIT, vorab am blog), moneymind, 31.07.2015
- Re: [AG-GOuFP] Varoufakis: Schäuble's Plan for Europe (kommenden Do in der ZEIT, vorab am blog), Axel Grimm, 30.07.2015
- [AG-GOuFP] Unterschiedlichen Geldtheorien, Arne Pfeilsticker, 17.07.2015
- Re: [AG-GOuFP] Unterschiedlichen Geldtheorien, Gerhard, 22.07.2015
- Re: [AG-GOuFP] Varoufakis: Schäuble's Plan for Europe (kommenden Do in der ZEIT, vorab am blog), moneymind, 23.07.2015
- [AG-GOuFP] (nominal fixierte) Forderungen vs. forderungslose Vermögenswerte, Kos, 24.07.2015
- Re: [AG-GOuFP] (nominal fixierte) Forderungen vs. forderungslose Vermögenswerte, Rudi, 24.07.2015
- Re: [AG-GOuFP] Varoufakis: Schäuble's Plan for Europe (kommenden Do in der ZEIT, vorab am blog), Kos, 27.07.2015
- Re: [AG-GOuFP] Varoufakis: Schäuble's Plan for Europe (kommenden Do in der ZEIT, vorab am blog), moneymind, 23.07.2015
- Re: [AG-GOuFP] Varoufakis: Schäuble's Plan for Europe (kommenden Do in der ZEIT, vorab am blog), Gerhard, 27.07.2015
- Re: [AG-GOuFP] Unterschiedlichen Geldtheorien, Gerhard, 22.07.2015
- Re: [AG-GOuFP] Unterschiedlichen Geldtheorien, Arne Pfeilsticker, 23.07.2015
- Re: [AG-GOuFP] Unterschiedlichen Geldtheorien, Eckhard Rülke, 24.07.2015
- [AG-GOuFP] "Geld ist ein Anspruch auf Kreditschuldtilgung" +1 oT, Kos, 24.07.2015
- Re: [AG-GOuFP] Unterschiedlichen Geldtheorien, Arne Pfeilsticker, 27.07.2015
- Re: [AG-GOuFP] Varoufakis: Schäuble's Plan for Europe (kommenden Do in der ZEIT, vorab am blog), Kos, 27.07.2015
- Re: [AG-GOuFP] Varoufakis: Schäuble's Plan for Europe (kommenden Do in der ZEIT, vorab am blog), Arne Pfeilsticker, 28.07.2015
- Re: [AG-GOuFP] Varoufakis: Schäuble's Plan for Europe (kommenden Do in der ZEIT, vorab am blog), Kos, 29.07.2015
- Re: [AG-GOuFP] Varoufakis: Schäuble's Plan for Europe (kommenden Do in der ZEIT, vorab am blog), moneymind, 31.07.2015
- Re: [AG-GOuFP] Varoufakis: Schäuble's Plan for Europe (kommenden Do in der ZEIT, vorab am blog), moneymind, 24.07.2015
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