Zum Inhalt springen.
Sympa Menü

ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] Varoufakis: Schäuble's Plan for Europe (kommenden Do in der ZEIT, vorab am blog)

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

Listenarchiv

Re: [AG-GOuFP] Varoufakis: Schäuble's Plan for Europe (kommenden Do in der ZEIT, vorab am blog)


Chronologisch Thread 
  • From: moneymind <moneymind AT gmx.de>
  • To: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] Varoufakis: Schäuble's Plan for Europe (kommenden Do in der ZEIT, vorab am blog)
  • Date: Fri, 24 Jul 2015 21:46:38 +0000
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>

Hallo Arne,

ich stimme Dir insgesamt völlig zu, und möchte nur eine Differenzierung einbringen.

Arne Pfeilsticker schrieb:
Am 22.07.2015 um 10:19 schrieb Gerhard <listmember[at]rinnberger.de http://mailto:listmember%5Bat%5Drinnberger.de>:

Arne Pfeilsticker schrieb:
Bezogen auf deine Systematik wäre meine Geldtheorie wie folgt zu
charakterisieren:

*Herkunft:* Schuldrecht
Wir betreiben hier Ökonomie und keine Juristerei ;-).

Hallo Gerhard,
ohne Juristerei kein Verständnis der Ökonomie. Unsere heutige Ökonomie bestehet zur Hälfte aus Juristerei.

+1

Gesetze bilden nicht nur die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft, sondern der gesamte Finanzsektor produziert und handelt mit juristischen Produkten.

Nicht nur der Finanzsektor. JEDER Bürger hat täglich mit "juristischen Produkten" zu tun - bei jedem Einkauf z.B.

Volkswirte vergessen gern, was Zivilrechtlern selbstverständlich ist: Vermögen besteht immer aus RECHTEN - und niemals aus Gütern (sondern aus den RECHTEN daran):
/
"Das Vermögen ist eine Summe, eine Zusammenfassung von _Rechten und Rechtsverhältnissen_, und zwar im Hinblick auf eine bestimmte Person, der sie zustehen. (...) Keine unmittelbaren Bestandteile des Vermögens sind die Objekte der zum Vermögen gehörenden Rechte; _das Vermögen besteht aus dem Eigentum an den Sachen, die dem Berechtigten gehören, nicht aus den Sachen selbst, aus den Forderungen, nicht aus den Leistungsgegenständen, die vermöge der Forderung verlangt werden können_." (Karl Larenz: Allgemeiner Teil des deutschen bürgerlichen Rechts, München 1967, S. 306)/

Mit dem Begriff
'Schuldrecht' soll doch zum Ausdruck gebracht werden, dass eine
funktionierende Rechtsordnung in einer Volkswirtschaft vorhanden ist,
die einen schuldrechtlichen Anspruch auch durchsetzen kann. Das ist doch
der Kern dessen, was Bruun mit 'authoritativ' bezeichnet.

Nein. Ich möchte damit zum Ausdruck bringen, dass Geld ein schuldrechtliches Produkt ist. Dieses Produkt ist ein abstrakter schuldrechtlicher Anspruch.

Da müßtest Du m.E. korrekterweise sagen: " ... daß /Kredit/geld ein schuldrechtliches Produkt ist." Zwar beruht unsere heutige Wirtschaft ausschließlich auf Kreditgeld (also auf Anspruchsketten, wie Du sie beschreibst). Das war aber nicht immer so. Im Goldstandard bildete Gold (als internationales Zahlungsmittel der Zentralbanken) die Spitze der Kredit-/Geldpyramide.

Es gab also auch forderungsloses "Warengeld" (das KEINEN schuldrechtlichen Anspruch, d.h. kein Gläubiger-Schuldner-Verhältnis repräsentiert hat). Deine Definition trifft also nur auf Kreditgeld zu, nicht auf Geld im allgemeinen.

Die Unterscheidung, die wir hier brauchen, ist wiederum die zwischen forderungslosen Vermögenswerten und Forderungen/Ansprüchen. Forderungen sind gesamtgesellschaftlich KEIN Nettovermögen, da sich Gläubiger- und Schuldnerseite in der konsolidierten Gesamtbilanz zu Null addieren. Also ist auch Kreditgeld (Ansprüche, die Zahlungsmittelfunktionen erfüllen können) gesamtwirtschaftlich KEIN Nettovermögen. Warengeld (wie Gold im Goldstandard) dagegen schon.

Ein schuldrechtlicher Anspruch ist eine Rechtsbeziehung zwischen zwei Rechtssubjekten. Das eine Ende dieser Rechtsbeziehung nennt sich Verbindlichkeit und das andere Ende nennt sich Forderung. Das Forderungsende ist das Geld. Und bezahlen bedeutet genau, dass ich dieses Forderungsende weiterreiche.

Und damit eine /zweite/ Forderung erfülle/vernichte: Ich, A, übertrage meine Forderung gegen den B an den C, um damit dessen Forderung gegen mich zu erfüllen: Zahlung als Gläubigerwechsel. Daher waren "Wechsel" auch die historisch ersten Kreditzahlungsmittel.

Oder, einfacherer Fall: ich, A, übertrage meine Forderung gegen den B an den B, um damit dessen Forderung gegen mich zu erfüllen. Hier werden beide Forderungen gegeneinander verrechnet und damit vernichtet (bilaterales Clearing).

Nach Graziani sind drei Grundvoraussetzungen zu erfüllen, damit etwas
als 'Geld' bezeichnet werden kann:

1. Geld muss ein reines Zeichen sein, um als Zahlungsmittel zu
funktionieren (ansonsten wäre es ein Tausch und keine monetäre Transaktion)
2. Geld muss als endgültig schuldbefreiender Titel akzeptiert sein
(ansonsten wäre es ein Kredit)
3. Es darf keine Seignorage (=Geldschöfungsgewinn) bei irgendeinem an
einer Zahlung beteiligten Akteure entstehen.

Einspruch. Hier wird m.E. Roß und Reiter vertauscht.

Geld ist kein Zeichen, sondern ein abstraktes subjektives Recht. Da aber abstrakte Dinge unsichtbar sind, müssen sie auf irgendeine Weise dokumentiert und nachgewiesen werden. Und hier kommen die Zeichen ins
Spiel.

Ganz genau. Beim Warengeld ist das abstrakte subjektive Recht ein Eigentumsrecht. Beim Kreditgeld ist das abstrakte subjektive Recht eine Forderung gegenüber einer verpflichteten Rechtsperson.

Die Banknote ist *nicht* das Geld, sondern der Nachweis oder das Zeichen, das auf das Geld an sich hinweist und wesentliche Merkmale dokumentiert, wie z.B. 10 und nicht 9 Euro.

Exakt.

Diese drei Bedingungen können nur dadurch erfüllt werden, dass Zahlungen
durch die Vermittlung eines Dritten (einem Treuhänder) abgewickelt
werden. Wir nennen diesen Dritten eine Bank.

Treuhänder sind nicht zwingend erforderlich.

So ist es. Siehe auch das obige Beispiel zu bilateralem Clearing. Beim vorhergehenden Beispiel (Abtretung einer Forderung zu Zahlungszwecken, also Gläubigerwechsel): ist da schon eine Bank beteiligt? Nein. Aber derjenige, der die Forderung abtritt, muß eine Funktion übernehmen, die auch eine Bank übernimmt: er muß demjenigen, dem er die Forderung abtritt, für den Fall, daß der Schuldner nicht leisten kann, ebenfalls haften. Banken sind historisch m.E. als multilaterale Clearingstellen für solche Wechsel entstanden (Messen im Hochmittelalter, ab 12. Jhdt.).

Gruß
Wolfgang




Archiv bereitgestellt durch MHonArc 2.6.19.

Seitenanfang