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Re: [AG-GOuFP] Varoufakis: Schäuble's Plan for Europe (kommenden Do in der ZEIT, vorab am blog)
Chronologisch Thread
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- Subject: Re: [AG-GOuFP] Varoufakis: Schäuble's Plan for Europe (kommenden Do in der ZEIT, vorab am blog)
- Date: Sat, 18 Jul 2015 11:05:29 +0000
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- List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>
Hallo Gerhard,
moneymind schrieb:
*Meine Frage an EUCH (als europäische Bürger):European Clearing Union (ECU)
Wie sieht EUER Plan aus? *
Das wesentliche Konzept dahinter hatte J. M. Keynes schon 1944 auf der
Bretton Woods Konferenz vorgestellt und wurde ja auch hier im Thread
schon erwähnt: Bancor
Danke. Zunächst mal:
Christoph Mayer hat dazu eine wiki-seite erstellt, ich habe die Ressourcen dazu noch ergänzt:
http://wiki.piratenpartei.de/AG_Geldordnung_und_Finanzpolitik/Bankor#Der_Keynes_Bancor_Plan_-_eine_L.C3.B6sung_f.C3.BCr_heute.3F
Meine Recherche hat gezeigt: kurz nach der Finanzkrise blitzte die Erinnerung an Keynes' Plan von 1944 im historischen Gedächtnis kurz auf. In die Zeit zwischen 2008 und 2009 fallen entsprechende Äußerungen des chinesischen Zentralbankchefs, des damaligen IWF-Direktors Strauss-Kahn, ein Arbeitspapier seitens der Weltbank, ein diesbezüglicher Vorschlag für die Eurozone von Axel Troost (MdB, DieLinke sowie Mitglied in der Memorandum-Gruppe, die jählich ein alternatives keynesianisch geprägtes Gutachten zum Jahresgutachten des Sachverständigenrats rausgibt).
2009 erschien auch ein Buch von Georg Zoche, das die Konferenz von Bretton Woods detailliert rekonstruiert und zeigt, wie die US-Delegation unter White den Keynes-Plan hinterrücks ausgehebelt hat, um stattdessen den Dollar zur internationalen Reservewährung zu machen.
Dito ein kürzerer Aufsatz von Amato/Fantacci ("Back to WHICH Bretton Woods?"). Alle Texte hab ich auf der oben verlinkten wikiseite verlinkt.
Ab 2010 verschwanden diese Ideen sang- und klanglos wieder in der Versenkung.
Soviel erstmal dazu.
Zu Deiner Lösung:
Ich stimme Dir voll und ganz zu, allerdings mit einem wichtigen Zusatz:
Eine Clearing Union - überhaupt eine Währungsunion - macht nur Sinn, wenn Privat- und Steuerrecht in ALLEN Ländern der Union zuverlässig funktionieren. Das ist in GR nicht der Fall. Zuverlässig vollstreckbare private Forderungen (Schuldrecht) und zuverlässig vollstreckbare hoheitliche Forderungen (Steuerrecht) können sinnvoll vom Bankensystem monetisiert werden. Sind sie NICHT durchsetzbar, ist ihre Erfüllung a priori unsicher, und Banken werden sie nur monetisieren, wenn Dritte dafür bürgen.
Genau das passiert im Fall Griechenlands, weswegen nicht nur alle gegenwärtig vorgeschlagenen Reformen, die einzelwirtschaftlich denkend auf SPAREN zielen, am Problem vorbeigehen und daran nichts ändern, sondern auch alle makroökonomisch argumentierenden Reformvorschläge.
Die Reformprogramme des Washington Consensus enthalten diese Forderung NICHT. Die Banken wissen, das Spiel mit untersicherten Krediten für ihre Zwecke auszunutzen und davon zu profitieren, wie H.J. Stadermann zeigt.
/"*Griechenland als Objekt einer Untersicherungsstrategie*
Goldman Sachs hat den Charme untersicherten Kredits für den Fall, dass öffentlicher Beistand noch zahlungskräftiger aber bereits hoch verschuldeter und von der Finanzierung abhängiger öffentlicher Haushalte, erzwungen werden kann, nicht entdeckt, sondern bestenfalls wiederentdeckt. Wilhelm Röpke hat bereits in der Weltwirtschaftskrise von 1929-1932, wie man weiter unten auf Seite 65 sehen kann, die gleichen Transaktionen beschrieben. Vieles spricht dafür, dass diese Methode, hohen Zinsertrag mit einer indirekten Sicherung zu koppeln, schon viel früher bekannt war und entsprechend auch Anwendung gefunden hat. Verfahren dieser Art galten aber niemals als zu dem Verhalten „ehrbarer Kaufleute“ passend und wurden, wenn sie vermehrt Einsatz gefunden hatten, meist auf lange Zeit durch verbietende Regulierungen unterdrückt. So geschah es auch nach der Überwindung der Weltwirtschaftskrise. Es sind derartige Geschäfte von da an zum Beispiel in Deutschland als die Allgemeinheit schädigende Strategien zur individuellen Bereicherung beurteilt und durch Gesetze, die die zu ihrer Umsetzung nötigen Verkehrsformen auf den Finanzmärkten regelten, unmöglich geworden. Sie kehrten erst durch die von der neoliberalen Theorie forcierten Deregulierungen ab den 80er Jahren als Möglichkeit wieder auf die Märkte zurück. Massiv eingesetzt wurden sie aber erst in den frühen 90er Jahren. Der dazu gehörende, nun „Sub Prime-Krise“ benannte und angeblich den Weltmarkt für Finanzen bedrohende Crash mit seinem „Rettungseinsatz“ im Jahre 2008 war wohl der erste großvolumige Probelauf zu dieser, an den Phönix erinnernden Auferstehung aus der inzwischen kalt gewordenen Asche der Weltwirtschaftskrise, wie man aus der weiteren Entwicklung schließen kann."/ (Quelle http://www.unser-geld.com/home/%C3%BCber-geldwirtschaft/euro-rettungsroutine/)
Mehr dazu von Stadermann:
Hoher Zins und Nullrisiko: Wie Risiken hochverzinslicher, untersicherter Forderungen auf die Allgemeinheit überwälzt werden http://www.unser-geld.com/app/download/8886699/Untersicherter+Kredit.pdf
HartzIV für Großbanken. http://www.unser-geld.com/app/download/8886545/Hartz+IV+f%C3%BCr+Gro%C3%9Fbanken.pdf
Daraus ergibt sich klar der Weg, der gegangen werden muß:
Am Anfang muß die Reform der der griechischen Rechtsinstitutionen stehen, die bisher allesamt vom Erbe des byzantinischen Reichs und interessierten Oligarchen ausgebremst wurden. Ohne diese Reform kann GR nicht in der Eurozone bleiben, völlig egal, ob es eine Clearing Union gibt oder nicht.
Dies geht zurück zum grundlegenden Konstruktionsfehler der Eurozone. Eine Währungsunion ohne vorherige Rechtsunion heißt putting the cart before the horse.
Schäuble sieht dies nicht. Er sieht zwar das Problem des Mißbrauchs der Eurozone durch GR, seine Lösungen lösen aber das Problem nicht, sondern verschärfen es. Varoufakis sieht dies nicht - auch seine Lösungen würden das Problem nur kurzfristig lösen, aber längerfristig könnte GR so weiter auf Kosten der jetzigen Gläubigerländer trittbrettfahren.
Darauf aufsetzen müssen dann Institutionen, die für MAKROÖKONOMISCH sinnvolle Steuerung der Eurozone sorgen, allem voran dem Ausgleich der Leistungsbilanzen von Ländern mit so unterschiedlicher Wettbewerbsfähigkeit.
Solche surplus recycling mechanisms (die sinnlos bleiben, solange keine Rechtsunion existiert) könnten auf unterschiedliche Weise institutionalisiert werden, bis hin zu einer demokratisch kontrollierten europäischen Fiskalunion (wir haben bisher weder Fiskalunion noch Demokratie - ein Parlament, das keine Regierung wählen und keine Gesetze verabschieden kann, ist ein Scheinparlament).
Eine Clearing Union hätte den Vorteil, keine politische Union zu benötigen, würde also in die herrschende Ideologie von der unabhängigen und allmächtigen Zentralbank passen. Sie müßte aber von allen beteiligten Nationen trotzdem beschlossen werden (EU-Kommission), und Widerstand ist hier natürlich wiederum vor allem von Deutschland als größtem Gläubigerland zu erwarten.
Wie die USA als damals größtes Gläubigerland den Keynes-Plan ausgehebelt haben, um sich ihre Machtposition zu erhalten, würde Deutschland dies vermutlich dieses Mal auch tun.
Wie also könnten diese Pläne GEGEN D durchgesetzt werden?
Bisher haben wir also 2 Kern-Reformpunkte:
1) Privat- und Steuerrechtsunion
2) Clearing Union
Dazu käme ein weiterer Punkt:
3) Umstellung des gesamten wirtschaftspolitischen Handlungsmodells derart, man das Gegeneinanderausspielen von Fiskal- und Geldpolitik beendet.
Das gegenwärtige Regime funktioniert so: ultrarestriktive Fiskalpolitik erzwingt ultralockere Geldpolitik, dies verschafft den Investmentbanken billiges Geld, mit dem an den Finanzmärkten gezockt (und von unten nach oben umverteilt) werden kann, wobei bei Bankenkrisen Systemzusammenbruch angedroht und die Politik in Haftung genommen wird.
Wir brauchen eine radikale Regulierung der Finanzmärkte, Kreditlenkung in die Realwirtschaft und Unterbinden der Kreditvergabe für Zockerei (über eine entsprechende Refinanzierungspolitik der ZBen), die Rückkehr der Fiskalpolitik zu den Zielsetzungen des magischen Vierecks anstatt einzelwirtschaftlich verkürzten Blicks auf den Staatshaushalt und bedingungsloser Konsolidierung.
Dafür braucht es aber nicht nur eine Revolution in den Köpfen gegen die herrschende Ideologie. Sondern auch eine neue politische Ökonomie, die nicht nur auf saldenmechanischer Basis makroökonomische Paradoxa erfaßt, sondern endlich auch das vom Staatlichen Gewaltmonopol durchgesetzte und garantierte RECHTSSYSTEM (Privat- und Steuerrecht) als das Fundament für das gesamte Kredit- und Geldsystem erkennt.
Zusammenfassend also:
*
1) Neue, integrierte Politische Ökonomie
2) Rechtsunion für die Eurozone (wichtigster Punkt, ohne den nichts geht)
3) Clearing Union
4) Demokratischer Bundesstaat Europa (mit Fiskalunion) *
Punkt 2 - der m.E. von ALLEN übersehene Kernpunkt - taucht bisher in KEINEM Reformprogramm auf. Natürlich auch nicht in den vom IWF seit Jahrzehnten ggü. Schuldnerländern immer wieder verordneten "Reformen" des Washington Consensus.
Das dient den Interessen der Wall Street (siehe Stadermann).
Alternativ: raus aus der Eurozone, raus aus der EU (kein demokratischer Bundesstaat, sondern nur völkerrechtlicher Staatenbund, unterwandert von Großfinanzlobby!), Rückkehr zu sinnvoller Wirtschaftspolitik (s.o.).
- Re: [AG-GOuFP] Varoufakis: Schäuble's Plan for Europe (kommenden Do in der ZEIT, vorab am blog), (fortgesetzt)
- Re: [AG-GOuFP] Varoufakis: Schäuble's Plan for Europe (kommenden Do in der ZEIT, vorab am blog), Gerhard, 27.07.2015
- Re: [AG-GOuFP] Unterschiedlichen Geldtheorien, Arne Pfeilsticker, 23.07.2015
- Re: [AG-GOuFP] Unterschiedlichen Geldtheorien, Eckhard Rülke, 24.07.2015
- [AG-GOuFP] "Geld ist ein Anspruch auf Kreditschuldtilgung" +1 oT, Kos, 24.07.2015
- Re: [AG-GOuFP] Unterschiedlichen Geldtheorien, Arne Pfeilsticker, 27.07.2015
- Re: [AG-GOuFP] Varoufakis: Schäuble's Plan for Europe (kommenden Do in der ZEIT, vorab am blog), Kos, 27.07.2015
- Re: [AG-GOuFP] Varoufakis: Schäuble's Plan for Europe (kommenden Do in der ZEIT, vorab am blog), Arne Pfeilsticker, 28.07.2015
- Re: [AG-GOuFP] Varoufakis: Schäuble's Plan for Europe (kommenden Do in der ZEIT, vorab am blog), Kos, 29.07.2015
- Re: [AG-GOuFP] Varoufakis: Schäuble's Plan for Europe (kommenden Do in der ZEIT, vorab am blog), moneymind, 31.07.2015
- Re: [AG-GOuFP] Varoufakis: Schäuble's Plan for Europe (kommenden Do in der ZEIT, vorab am blog), moneymind, 24.07.2015
- Re: [AG-GOuFP] Varoufakis: Schäuble's Plan for Europe (kommenden Do in der ZEIT, vorab am blog), Arne Pfeilsticker, 30.07.2015
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