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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

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Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht


Chronologisch Thread 
  • From: "Christoph Ulrich Mayer" <CU_Mayer AT Menschen-gerechte-Gesellschaft.de>
  • To: "'Patrik Pekrul'" <patrik.pekrul AT hotmail.de>, "'moneymind'" <moneymind AT gmx.de>
  • Cc: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht
  • Date: Sat, 6 Dec 2014 09:59:10 +0100
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>
  • Organization: Autor

Hallo,

ich lese noch sporadisch mit, hier mal ein Gastbeitrag dazu:

Solange das Dogma vorherrscht, Geld würde durch Schulden gedeckt und dieses
faktisch durch das Bilanzrecht manifestiert wird, entspricht jedes
Geldvermögen per se Schulden.

Die Gesamtschuld von 100% muss nun irgendwie verteilt werden.

Der Ursprung des BIP ist der Kauf bei Unternehmen jeglicher Art. Ebenso ist
der Ursprung der meisten Kredite bei Unternehmen, sie wollen zukünftige
Einnahmen durch Produkte und Dienstleistungen erzielen, müssen dafür aber
zunächst in Maschinen und Arbeitskräfte investieren.

Die durchschnittliche Verschuldung der Unternehmen kann nie gegen 100% gehen,
weil jedes, das >100% verschuldet ist dem Konkursverfahren zugeführt wird.
Als noch funktionsfähig hat sich erwiesen, wenn sie 80% ihres "Wertes"
Schulden tragen. (Da waren wir auch schon, seit der Finanzkrise versuchen
viele Unternehmen, ihren Eigenkapitalanteil zu erhöhen und sich von Krediten
unabhängiger zu machen. Das heißt, sie "sparen" Überschüsse an, etwas das
1930 in den USA zu fatalen Folgen führte. Heute in Europa führt es mehr zur
Verschuldung des Auslands, also ebenso fatal aber versteckter.)

Also müssen mindestens für 20% andere Schuldner ins Boot.
Kredit an Privatleute trägt einen Teil, größtenteils für Häuser und
Wohnungen, aber auch für Autos, Kreditkartenschuld und in den USA auch für
Studienvorfinanzierung. Mein letzter Stand war da 1,4 Billionen Euro. Auch
der Kredit an Privatleute hängt über die Arbeitsentgelte am BIP.

Bleibt dann noch der Staat und das Ausland. Verschuldet sich der Staat (heute
2,1 Bio?) nicht, dann gehen bei ausgeglichener Handelsbilanz nach und nach
alle Unternehmen in Konkurs. Oder Privatpersonen müssen sich noch stärker
verschulden (siehe USA).

Eine Entschuldung, das ist hier in der GoFp jedem klar, geht in einem
Schuldgeldsystem nur mit Reduktion der Geldvermögen. Das hießt, entweder man
geht dann in Wirtschaftsreduktion oder man verteilt das Geldvermögen so um,
dass die Wirtschaft wieder stabil funktionsfähig wird.


Der Schlüssel zur wirklichen Entschuldung wäre, den Anteil an Schuldfreiem
Geld zu erhöhen. Das geht, indem man entweder das Bilanzrecht der
Privatbanken ändert oder indem die Zentralbank anders bucht. Mein Vorschlag
ist eben, dass die ZB statt Schulden im Aktiva die Sachwerte der
Volkswirtschaft ins Aktiva bucht. So ist die Geldmenge kontrolliert, sie
wächst immer so wie die Wirtschaft. Und das Geld wäre per se schuldenfrei.
Parallel dazu gäbe es immer noch Kredite, also auch Schulden, jedoch nur
einen Bruchteil des heutigen Stands.


__________

Und da die Geldvermögen möglichst stark steigen sollen, überlegen die Banken
natürlich, wie sie maximale Schuldenberge erzeugen können und sie versuchen,
sich immer neue potentielle Schuldner zu erschließen.

Dazu wurde den Menschen eingeredet, sie sollen ihre abbezahlten Immobilien
refinanzieren, es wurden trickreiche Immobilienkredite vergeben, die nach
wenigen Jahren nicht mehr bezahlbar waren, das führte zur Immobilienblase und
dem Finanzcrash. Die Protagonisten aber haben ihre Verluste aus dem Platzen
an den Staat transferiert, die Kreditblase wurde von Privatleuten zum Staat
verschoben.
Die Kreditkarten sind ebenso ein System zum Schulden generieren, das bei
Konsumenten sehr gut wirkt. Die Kreditkartenblase in den USA war auch schon
2008 ein Thema.
Ganz schlimm ist inzwischen die Kreditsumme bei Studenten und Studierten. Die
Eltern haben zu wenig Vermögen und Einkommen, also wird über Schulden
finanziert. 47% der Studenten in den USA zahlen mindestens die Hälfte ihres
Einkommens an Rückzahlungen und Zinsen, hier einige Fakten mehr:
http://theeconomiccollapseblog.com/archives/24-reasons-why-millennials-are-screaming-mad-about-our-unfair-economy


Ergo: Heute geht es vor allem um Verteilung, nicht mehr um die Steigerung von
Wertschöpfung wie zu Ludwig Erhards Zeiten.
Das muss den Menschen da draußen endlich bewusst werden.


Eine Vermögenssteuer wird leider von vielen als unrealistisch angesehen:
Stephan Kaufmann zu Picketty: Seine These ist die: Der Markt führt zu
Ungleichheit, der Markt korrigiert sie nicht, also muss es der Staat tun. So
weit, so gut. Aber wie gut ist eine Forderung, bei der man sich sofort darauf
einigen kann, dass sie illusionär ist? Das allein reicht noch nicht als
Kritik, aber dass die Idee illusionär ist, denkt doch jeder.
Wieso? Das klingt doch ganz pragmatisch.
Stephan Kaufmann: Ja, es klingt so. Aber wer soll die Steuer durchsetzen? Sie
bleibt eine Hoffnung, weil sie nur international denkbar ist, mindestens die
großen Industriestaaten müssten sich einig sein. Jeder weiß aber, dass dieser
Einigkeit der globale Standortwettbewerb um Kapital dem im Wege steht. Jeder
Standort wirbt um die Kapitaleigner der Welt, um deren Kapital für das
Wirtschaftswachstum des eigenen Standorts zu funktionalisieren. Deswegen
versuchen alle, Investoren möglichst günstige Bedingungen zu bieten und damit
stehen alle Staaten in der Konkurrenz.
Jetzt kommt Piketty und sagt: Einigt euch doch! Das ist eine prekäre
Angelegenheit, denn es wäre eine Kooperation der Konkurrenten. Der Anreiz für
jeden Staat auszuscheren, ist viel zu groß, deswegen wird es dazu nicht
kommen. Fordern kann man das natürlich trotzdem, da kann man auch nichts
dagegen haben, finde ich. Nur: Durchsetzen lässt sich eine solche Forderung
nicht allein mit besseren Argumenten. Wer etwas gegen Ungleichheit hat, der
muss eben für seine Interessen kämpfen, der muss eine soziale
Auseinandersetzung führen.
(http://www.heise.de/tp/artikel/43/43477/1.html )

Deshalb sage ich eben: Lasst das über die Zentralbank regeln. Sie kann die
Schuldenverknüpfung im System auflösen und das so jährlich neu entstehende
Geldvermögen in der Bevölkerung verteilen.

Mein Vorschlag ist wie einigen bekannt ist, das Geld in Unternehmen zu
bringen - als Eigentum der Mitarbeiter. So erhalten die Mitarbeiter mehr und
mehr Eigentum an den Unternehmen. Damit wird auch das Sachvermögen mehr und
mehr fair verteilt. Die Früchte ihrer Arbeit geht mehr und mehr an die
Arbeitsleistenden statt an Fremdkapitlaleigner. Und mittelfristig kann so
eine Volkswirtschaft nicht mehr von Investoren erpresst werden, weil sie sich
aus sich selbst heraus finanziert statt erst 30% ihrer Einnahmen abzuführen
und dann als Kredit oder Anteilskauf wiederzubekommen.


-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: ag-geldordnung-und-finanzpolitik-bounces AT lists.piratenpartei.de
[mailto:ag-geldordnung-und-finanzpolitik-bounces AT lists.piratenpartei.de] Im
Auftrag von Patrik Pekrul
Gesendet: Freitag, 5. Dezember 2014 21:01
An: moneymind
Cc: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
Betreff: Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht


Am 05.12.2014 um 12:58 schrieb moneymind <moneymind AT gmx.de>:

> Hi Patrik,
>
> ich hätte von Dir gern noch eine Antwort auf folgende Frage:
>
>> In der Wirklichkeit liegt der Anteil der Eigenmittel bei nichtfinanziellen
>> Unternehmen in Deutschland bei ca. 28%, beim Großteil, nämlich den KMU
>> sogar noch niedriger, und die Quote ist auch nur wegen Basel II so hoch
>> (um nämlich überhaupt noch an Fremdkapital zu kommen).
>> Die Annahme, dass Unternehmen kein Fremdkapital aufnehmen oder suchen
>> würden, ist weltfremd.
>
> Ich hatte gesagt, der Unternehmenssektor sei Nettosparer, hätte also
> positives Netto-Finanzvermögen. D.h. Forderungen - Verbindlichkeiten < 0.
> Das bedeutet, der Summe des Fremdkapitals (Mittelherkunft) steht auf der
> Aktivseite eine höhere Summe von Finanztiteln gegenüber, plus Realkapital.
> Man könnte also sagen, das Fremdkapital (und mehr) wurde in Finanztiteln
> angelegt. ("Finanzkapitalismus" - Bilanzstruktur der Realunternehmen nähert
> sich denen der Banken an).

Das sehe ich nicht so:
https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/VolkswirtschaftlicheGesamtrechnungen/Vermoegensrechnung/VermoegensbilanzenPDF_5816103.pdf;jsessionid=E960840FE4720FD948B19FE455928DC4.cae3?__blob=publicationFile


In 2013 hatten die Nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften Aktiva in Höhe von
6,6 Bio.€, davon 2,9 Bio.€ Geldvermögen (44%). Das Fremdkapital hingegen
betrug 2,1 Bio.€ (32%) Im Jahre 1999 hatten die Nichtfinanziellen
Kapitalgesellschaften Aktiva in Höhe von 4,8 Bio.€, davon 2,2 Bio.€
Geldvermögen (46%). Das Fremdkapital betrug 1,5 Bio.€ (31%)

Ich kann da ehrlich gesagt keinen signifikanten Trend erkennen, und wenn
schon, dann geht er eher leicht Richtung weniger Nettosparerposition.

Die Aktiva der Finanziellen Kapitalgesellschaften bestehen zu fast 100% aus
Geldvermögen, von "annähern" kann man da wohl kaum sprechen.

Wahr ist allerdings, dass die Bilanzen der großen Konzerne erhebliche Anteile
an Geldvermögen aufweisen. Aber das ist noch nicht der eigentliche Witz.

Nachdem Banken sich die Bilanzen weitestgehend so zurechtlegen konnten, wie
sie wollten:
http://www.wiwo.de/finanzen/fair-value-bilanzierung-bilanzen-und-bilanzregeln-vertrauen-verspielt-seite-all/5527866-all.html

"Die Frage, wie nachhaltig die Bilanz eines Unternehmens sein kann, ist also
schon Jahrhunderte alt, wird aber immer wieder neu gestellt – vor allem dann,
wenn es in den Bilanzen kollektiv mächtig rappelt. Und die Antwort – gleich
vorab – ist immer dieselbe: Es kommt darauf an. Fakt ist, dass zur
Beurteilung eines Zahlenwerkes mehr gebraucht wird, als Bilanzkenntnisse.
Denn die heutigen Zahlenwerke – international nach dem Fair Value aufgestellt
– basieren zum allergrößten Teil auf Annahmen des Managements.

Studien zufolge gibt es generell für 95 Prozent (!) aller bilanzierten Werte,
für die ein Fair Value angesetzt werden soll, keinen Markt. Rund zwei Drittel
aller Bilanzpositionen insgesamt werden fiktiv ermittelt – je nach
Unternehmen wird mal mehr, mal weniger angesetzt. Insbesondere gilt das für
Geldhäuser. Bei der Deutschen Bank mit ihren 2200 Milliarden Euro Bilanzsumme
basieren demnach leicht 1000 Milliarden an bilanziertem Vermögen (und
Schulden) auf Annahmen, deren Wahrhaftigkeit sich erst über die Jahre
erweisen muss.
...
Wer die Bank-Gewinne der vergangenen Jahre zusammenzählt, stellt fest, dass
es sich um reine Fair-Value-Gewinne handeln muss. Verdient haben die Banken
binnen einer Dekade unter dem Strich – geschätzt: nichts. Das muss in der
Abrechnung der kommenden Jahre nicht so bleiben. Denn die Bilanzierung nach
dem Fair Value ist nicht Auslöser, sondern nur Begleiterscheinung der Krise –
ein Cocktail, den man auf einer Party zu viel getrunken hat, weil die Musik
so lange spielte. Der Fair Value wurde ein Instrument verantwortungsloser
Bilanzierung und trug damit selbstverständlich zur Steigerung der Banker- und
Vorstandsboni bei."

haben nun auch die anderen erhebliche "Gestaltungsspielräume":
http://www.wiwo.de/finanzen/boerse/bilanzen-unter-der-lupe-wie-dax-unternehmen-ihre-bilanzen-aufpumpen-seite-all/10657610-all.html

"Der Bilanzposten, der derzeit die größte Gefahr für das Vermögen der
Aktionäre an ihrem Unternehmen in sich birgt, heißt Goodwill, im Deutschen
auch Firmenwert genannt. „Hier gibt es ein enormes Abschreibungspotenzial,
das zu erheblichen Gewinneinbrüchen führen kann“, sagt Gerrit Brösel,
Professor für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Wirtschaftsprüfung, an
der Fernuniversität Hagen.

Ein Firmenwert oder eben Goodwill taucht immer dann in der Bilanz als eine
Vermögensposition auf, wenn Unternehmen bei Übernahmen zu viel Geld auf den
Tisch gelegt haben; wenn sie mehr bezahlten, als das im Nachgang der
Übernahme ermittelte Vermögen der neuen Tochter wirklich wert ist (siehe
Grafik). Skurril, aber wahr: Dann erlauben die Bilanzregeln, diese Prämie auf
die neu eingekaufte Tochter als Zusatzvermögen in die Bilanz zu buchen, eben
als sogenannten Goodwill oder Firmenwert. Noch hübscher für die Finanzchefs
der Unternehmen: Früher mussten sie dieses Zusatzvermögen, die
Übernahmeprämie also, regelmäßig abschreiben, über 10 bis 15 Jahre.
Investoren hatten also die Gewissheit, dass heiße Luft nach Übernahmen
sukzessive aus der Bilanz genommen wurde. Seit zehn Jahren jedoch dürfen die
Unternehmensvorstände nach einer dramatischen Änderung der Bilanzregeln mehr
oder weniger nach Lust und Laune abwerten oder nicht.

Keine Überraschung: Sie tun es seither so gut wie nicht mehr oder nur dann,
wenn sich überbewertetes Vermögen nicht mehr vertuschen lässt."

Insofern hast du schon recht, sowohl die Bilanzen der Banken als auch der
Unternehmen in der Realwirtschaft bestehen zunehmend aus heißer Lust.

> Im Vergleich dazu steht bei einem netto verschuldeten Unternehmenssektor
> dem Fremdkapital eine Summe Finanzvermögen gegenüber, die niedriger ist als
> das Fremdkapital. Dem Rest des Fremdkapitals steht Realkapital gegenüber.
> In diesem Fall könnte man sagen, daß die realen Produktionsmittel
> fremdfinanziert sind ("Realkapitalismus" - die Unternehmen finanzieren mit
> dem aufgenommenen Fremdkapital reale Produktion).
>
> Im obigen Fall nicht.
>
> Oder sehe ich das falsch? Würde mich über Aufklärung freuen.

Siehe oben. Unternehmensbilanzen sind heutzutage hauptsächlich hahnebüchener
Unsinn aus dem sich nur ableiten lässt, dass deren Ersteller eine Macke haben
;-)

Ich verstehe, was du meinst, aber die Welt ist leider nicht so einfach zu
beurteilen, weil die Datenbasis weitestgehend fiktiv ist. Wesentlich ist aber
die einfache Erkenntnis: Die Tatsache, dass Unternehmen weiterhin nach
Möglichkeiten zur Fremdfinanzierung suchen, zeigt doch deutlich, dass sie
diese nicht nur aus Eigenmitteln finanzieren (wollen).

--
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AG-Geldordnung-und-Finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
https://service.piratenpartei.de/listinfo/ag-geldordnung-und-finanzpolitik





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