ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik
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- From: Patrik Pekrul <patrik.pekrul AT hotmail.de>
- To: moneymind <moneymind AT gmx.de>
- Cc: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
- Subject: Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht
- Date: Fri, 5 Dec 2014 21:00:44 +0100
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
- List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>
Am 05.12.2014 um 12:58 schrieb moneymind <moneymind AT gmx.de>:
> Hi Patrik,
>
> ich hätte von Dir gern noch eine Antwort auf folgende Frage:
>
>> In der Wirklichkeit liegt der Anteil der Eigenmittel bei nichtfinanziellen
>> Unternehmen in Deutschland bei ca. 28%, beim Großteil, nämlich den KMU
>> sogar noch niedriger, und die Quote ist auch nur wegen Basel II so hoch
>> (um nämlich überhaupt noch an Fremdkapital zu kommen).
>> Die Annahme, dass Unternehmen kein Fremdkapital aufnehmen oder suchen
>> würden, ist weltfremd.
>
> Ich hatte gesagt, der Unternehmenssektor sei Nettosparer, hätte also
> positives Netto-Finanzvermögen. D.h. Forderungen - Verbindlichkeiten < 0.
> Das bedeutet, der Summe des Fremdkapitals (Mittelherkunft) steht auf der
> Aktivseite eine höhere Summe von Finanztiteln gegenüber, plus Realkapital.
> Man könnte also sagen, das Fremdkapital (und mehr) wurde in Finanztiteln
> angelegt. ("Finanzkapitalismus" - Bilanzstruktur der Realunternehmen nähert
> sich denen der Banken an).
Das sehe ich nicht so:
https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/VolkswirtschaftlicheGesamtrechnungen/Vermoegensrechnung/VermoegensbilanzenPDF_5816103.pdf;jsessionid=E960840FE4720FD948B19FE455928DC4.cae3?__blob=publicationFile
In 2013 hatten die Nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften Aktiva in Höhe von
6,6 Bio.€, davon 2,9 Bio.€ Geldvermögen (44%). Das Fremdkapital hingegen
betrug 2,1 Bio.€ (32%)
Im Jahre 1999 hatten die Nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften Aktiva in
Höhe von 4,8 Bio.€, davon 2,2 Bio.€ Geldvermögen (46%). Das Fremdkapital
betrug 1,5 Bio.€ (31%)
Ich kann da ehrlich gesagt keinen signifikanten Trend erkennen, und wenn
schon, dann geht er eher leicht Richtung weniger Nettosparerposition.
Die Aktiva der Finanziellen Kapitalgesellschaften bestehen zu fast 100% aus
Geldvermögen, von "annähern" kann man da wohl kaum sprechen.
Wahr ist allerdings, dass die Bilanzen der großen Konzerne erhebliche Anteile
an Geldvermögen aufweisen. Aber das ist noch nicht der eigentliche Witz.
Nachdem Banken sich die Bilanzen weitestgehend so zurechtlegen konnten, wie
sie wollten:
http://www.wiwo.de/finanzen/fair-value-bilanzierung-bilanzen-und-bilanzregeln-vertrauen-verspielt-seite-all/5527866-all.html
"Die Frage, wie nachhaltig die Bilanz eines Unternehmens sein kann, ist also
schon Jahrhunderte alt, wird aber immer wieder neu gestellt – vor allem dann,
wenn es in den Bilanzen kollektiv mächtig rappelt. Und die Antwort – gleich
vorab – ist immer dieselbe: Es kommt darauf an. Fakt ist, dass zur
Beurteilung eines Zahlenwerkes mehr gebraucht wird, als Bilanzkenntnisse.
Denn die heutigen Zahlenwerke – international nach dem Fair Value aufgestellt
– basieren zum allergrößten Teil auf Annahmen des Managements.
Studien zufolge gibt es generell für 95 Prozent (!) aller bilanzierten Werte,
für die ein Fair Value angesetzt werden soll, keinen Markt. Rund zwei Drittel
aller Bilanzpositionen insgesamt werden fiktiv ermittelt – je nach
Unternehmen wird mal mehr, mal weniger angesetzt. Insbesondere gilt das für
Geldhäuser. Bei der Deutschen Bank mit ihren 2200 Milliarden Euro Bilanzsumme
basieren demnach leicht 1000 Milliarden an bilanziertem Vermögen (und
Schulden) auf Annahmen, deren Wahrhaftigkeit sich erst über die Jahre
erweisen muss.
...
Wer die Bank-Gewinne der vergangenen Jahre zusammenzählt, stellt fest, dass
es sich um reine Fair-Value-Gewinne handeln muss. Verdient haben die Banken
binnen einer Dekade unter dem Strich – geschätzt: nichts. Das muss in der
Abrechnung der kommenden Jahre nicht so bleiben. Denn die Bilanzierung nach
dem Fair Value ist nicht Auslöser, sondern nur Begleiterscheinung der Krise –
ein Cocktail, den man auf einer Party zu viel getrunken hat, weil die Musik
so lange spielte. Der Fair Value wurde ein Instrument verantwortungsloser
Bilanzierung und trug damit selbstverständlich zur Steigerung der Banker- und
Vorstandsboni bei."
haben nun auch die anderen erhebliche "Gestaltungsspielräume":
http://www.wiwo.de/finanzen/boerse/bilanzen-unter-der-lupe-wie-dax-unternehmen-ihre-bilanzen-aufpumpen-seite-all/10657610-all.html
"Der Bilanzposten, der derzeit die größte Gefahr für das Vermögen der
Aktionäre an ihrem Unternehmen in sich birgt, heißt Goodwill, im Deutschen
auch Firmenwert genannt. „Hier gibt es ein enormes Abschreibungspotenzial,
das zu erheblichen Gewinneinbrüchen führen kann“, sagt Gerrit Brösel,
Professor für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Wirtschaftsprüfung, an
der Fernuniversität Hagen.
Ein Firmenwert oder eben Goodwill taucht immer dann in der Bilanz als eine
Vermögensposition auf, wenn Unternehmen bei Übernahmen zu viel Geld auf den
Tisch gelegt haben; wenn sie mehr bezahlten, als das im Nachgang der
Übernahme ermittelte Vermögen der neuen Tochter wirklich wert ist (siehe
Grafik). Skurril, aber wahr: Dann erlauben die Bilanzregeln, diese Prämie auf
die neu eingekaufte Tochter als Zusatzvermögen in die Bilanz zu buchen, eben
als sogenannten Goodwill oder Firmenwert. Noch hübscher für die Finanzchefs
der Unternehmen: Früher mussten sie dieses Zusatzvermögen, die
Übernahmeprämie also, regelmäßig abschreiben, über 10 bis 15 Jahre.
Investoren hatten also die Gewissheit, dass heiße Luft nach Übernahmen
sukzessive aus der Bilanz genommen wurde. Seit zehn Jahren jedoch dürfen die
Unternehmensvorstände nach einer dramatischen Änderung der Bilanzregeln mehr
oder weniger nach Lust und Laune abwerten oder nicht.
Keine Überraschung: Sie tun es seither so gut wie nicht mehr oder nur dann,
wenn sich überbewertetes Vermögen nicht mehr vertuschen lässt."
Insofern hast du schon recht, sowohl die Bilanzen der Banken als auch der
Unternehmen in der Realwirtschaft bestehen zunehmend aus heißer Lust.
> Im Vergleich dazu steht bei einem netto verschuldeten Unternehmenssektor
> dem Fremdkapital eine Summe Finanzvermögen gegenüber, die niedriger ist als
> das Fremdkapital. Dem Rest des Fremdkapitals steht Realkapital gegenüber.
> In diesem Fall könnte man sagen, daß die realen Produktionsmittel
> fremdfinanziert sind ("Realkapitalismus" - die Unternehmen finanzieren mit
> dem aufgenommenen Fremdkapital reale Produktion).
>
> Im obigen Fall nicht.
>
> Oder sehe ich das falsch? Würde mich über Aufklärung freuen.
Siehe oben. Unternehmensbilanzen sind heutzutage hauptsächlich hahnebüchener
Unsinn aus dem sich nur ableiten lässt, dass deren Ersteller eine Macke haben
;-)
Ich verstehe, was du meinst, aber die Welt ist leider nicht so einfach zu
beurteilen, weil die Datenbasis weitestgehend fiktiv ist. Wesentlich ist aber
die einfache Erkenntnis: Die Tatsache, dass Unternehmen weiterhin nach
Möglichkeiten zur Fremdfinanzierung suchen, zeigt doch deutlich, dass sie
diese nicht nur aus Eigenmitteln finanzieren (wollen).
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, Patrik Pekrul, 01.12.2014
- <Mögliche Wiederholung(en)>
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, Amos comenius, 01.12.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, Patrik Pekrul, 01.12.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, Amos Comenius, 02.12.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, Axel Grimm, 02.12.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, Patrik Pekrul, 01.12.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, moneymind, 03.12.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, Gerhard, 08.12.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, moneymind, 08.12.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, Gerhard, 08.12.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, Monika Herz, 04.12.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, moneymind, 05.12.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, Patrik Pekrul, 05.12.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, Christoph Ulrich Mayer, 06.12.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, Patrik Pekrul, 06.12.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, Christoph Mayer, 06.12.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, Gerhard, 08.12.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, Christoph Ulrich Mayer, 09.12.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, Gerhard, 10.12.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, Christoph Ulrich Mayer, 09.12.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, Patrik Pekrul, 06.12.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, Christoph Ulrich Mayer, 06.12.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, Amos comenius, 06.12.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, Christoph Mayer, 06.12.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, moneymind, 06.12.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, Christoph Mayer, 06.12.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, Amos comenius, 06.12.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, Christoph Ulrich Mayer, 06.12.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht, Patrik Pekrul, 05.12.2014
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