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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] Stephan_Schulmeister

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

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Re: [AG-GOuFP] Stephan_Schulmeister


Chronologisch Thread 
  • From: moneymind <moneymind AT gmx.de>
  • To: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] Stephan_Schulmeister
  • Date: Fri, 05 Dec 2014 18:08:41 +0000
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>

Hi Gerhard,

Schon der Ausdruck 'Saldenmechanik' ist für mich ein Indiz, dass Stützel noch in einem mechanistischen Weltbild des 19. Jhdts. gedacht hat.

Eine naheliegende Vermutung, die bei Stützel aber nicht zutrifft. Er wählt den Ausdruck "Saldenmechanik" (eine Metapher, in der buchhalterische Zusammenhänge und mechanische Wirkungen gleichgesetzt werden) absichtlich, aus folgendem Grund:

Er beschränkt sich bewußt und mit voller Absicht auf die Betrachtung rein logischer, buchhalterischer Zusammenhänge, die unabhängig von subjektiven Interpretationen der beteiligten Akteure oder der von außen beobachtenden Wirtschaftstheoretiker sind, weil sich damit ein rein logisches Fundament für makroökonomische Theorie legen läßt, das noch dazu keine Theorie darstellt, sondern einfach nur reale Buchungsvorgänge beschreibt.

Der Ausdruck "Mechanik" soll suggerieren, daß saldenmechanische Zusammenhänge streng und unabhängig von subjektiven Interpretationen gegeben sind.

Gerade mit seiner 3-schrittigen Beschreibungssystematik:

1) Partialsatz
2) Satz zur Größenmechanik
3) Globalsatz

hat er den Zusammenhang zwischen einzelwirtschaftlicher und gesamtwirtschaftlicher Betrachtung hervorragend systematisierend beschrieben.

Beispiel:

1) Partialsatz: jedes einzelne Wirtschaftssubjekt oder jede Gruppe von Wi-Subjekten (z.B. ein aggregierter Sektor einer geschlossenen Gesamtwirtschaft) kann ein positives Netto-Finanzvermögen (Forderungen minus Verbindlichkeiten) aufweisen.

2) Satz zur Größenmechanik: ein einzelnes Wirtschaftssubjekt oder eine Gruppe von Wi-Subjekten kann ein positives Netto-Finanzvermögen nur dann aufweisen, wenn die Komplementärgruppe (=aggregierter Rest der Wi-Subjekte) ein negatives Netto-Finanzvermögen (Netto-Schulden) in gleicher Höhe hinnimmt.

3) Globalsatz: es können niemals alle Wirtschaftssubjekte ein positives (oder negatives) Netto-Finanzvermögen erzielen. Denn: Die Summe aller Forderungen und Verbindlichkeiten ist immer gleich Null. In der aggregierten Bilanz der gesamten Volkswirtschaft existiert kein Netto-Finanzvermögen, sondern nur Realvermögen.

Oder anders, "die Volkswirtschaft kann nicht sparen" (im Sinne von "positives Netto-Finanzvermögen anhäufen"), genausowenig wie sie netto "verschuldet" sein kann. Volkswirtschaftlich kann (in einer geschlossenen Wirtschaft) ausschließlich in Realvermögen "gespart" werden.

Der Satz zur Größenmechanik berücksichtigt systematisch Lautenbachs Kernsatz, "bist Du Volkswirt, beachte stets des anderen Gegenbuchung".

Damit hat Stützel die "saldenmechanischen" (buchhalterischen) Zusammenhänge des Sparparadoxons ebenso wie des Leistungsbilanz-Paradoxons und einer ganzen Reihe weiterer "Kreislaufparadoxa" (Stützel) klar und systematisch beschrieben.

Eine gute Einführung in Stützels saldenmechanische Perspektive findest du im Aufsatz von Johannes Schmidt (2009): /Saldenmechanik: ein Ansatzpunkt für die Weiterentwicklung der makro- ökonomischen Theorie?/
https://economics.uni-hohenheim.de/fileadmin/einrichtungen/economics/Keynes/Paper_Johannes_Schmidt.pdf

Anwendungen auf die Diskussion ums "Sparen":
Johannes Schmidt: Sparen - Fluch oder Segen? Anmerkungen aus Sicht der Saldenmechanik.
http://wiki.piratenpartei.de/wiki/images/5/57/Sparen-fluch-oder-segen.pdf

C. Bruun ist in ihrer Dissertation (im Wiki unter Quellen velinkt) sowohl
auf circuitistischen Ansatz von Cencini als auch auf Stützel näher
eingegangen. Ich bin noch nicht dazugekommen, mir diese näher
anzuschauen, insbesondere wie die Gültigkeit der Quantitätsgleichung
begründet wird.


Ich denke, daß Kap. 1-4 dieser exzellenten, in einmaliger sprachlicher Klarheit verfaßten Diss bei Dir in vielen Punkten auf Zustimmung stoßen dürfte.

Gruß
Wolfgang




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