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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] Münzregal: Buchung der Münzen bei ZB

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

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Re: [AG-GOuFP] Münzregal: Buchung der Münzen bei ZB


Chronologisch Thread 
  • From: Patrik Pekrul <patrik.pekrul AT hotmail.de>
  • To: moneymind <moneymind AT gmx.de>
  • Cc: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] Münzregal: Buchung der Münzen bei ZB
  • Date: Fri, 3 Oct 2014 15:58:50 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>


Am 03.10.2014 um 12:40 schrieb moneymind <moneymind AT gmx.de>:

> Hallo Patrik,
>
>> Wäre es zuviel verlangt, wenn wir uns zum Zwecke einer Zielführenden
>> Definition des Geldbegriffes im Sinne der "Real World Economy" darauf
>> verständigen könnten, dass nur relevant ist, was PRAKTISCH stattfindet?
>
> Das rechtlich geltende findet nicht nur in den Köpfen, sondern auch
> praktisch statt. Wozu bräuchten wir sonst massig Juristen, juristische
> Institute an Universitäten, Gerichte usw. usf.?
>
> Beseitigst Du sie, dann beseitigst Du auch die Kreditwirtschaft. Beseitige
> sie aus der Theorie, dann beseitigst Du das Verständnis der
> Kreditwirtschaft. So machen die Ökonomen das ja leider.
>
>> Praktisch leistet dir Bank nur, wenn sie (üblicherweise) vertraglich dazu
>> verpflichtet, und die Leistung besteht eben in der Gutschrift.selbst.
>
> Es braucht beides, die abstrakte Rechtsbeziehung (ist symbolisch vermittelt
> - ein Netz von Bedeutungen, verflochten in juristische Institutionen etc. -
> s.o.)

... und den praktischen Nachweis, wolltest du wohl schreiben.

Dem habe ich ja nie widersprochen. Aber Arne behauptet eben, dass der "Raum
der abstrakten subjektiven Rechte" das eigentliche "Geld" sei, und das andere
eben nur "Nachweise"; dem widerspreche ich eben, weil du mit "abstrakten
subjektiven Rechten" allein nichts anfangen kannst, insbesondere kannst du
damit nicht bezahlen.

Arne weist sogar selbst nach, dass das Vorhandensein dieser Rechte, die sich
aus einem beiderseitigen Verpflichtungsgeschäft ergeben, theoretisch nicht
einmal notwendig sind, nämlich im Beispiel der Fehlbuchung. Wenn ich morgen
aufwache und aufgrund eines wie auch immer gearteten Fehlers (blöder
Praktikant hat es einfach gutgeschrieben) plötzlich 1 Mio.€ auf meinem Konto
sind, dann IST Geld entstanden. Ich kann damit tatsächlich einkaufen gehen,
es anlegen, oder was auch immer machen, was man mit Geld halt so tut. Es ist
in jeglicher praktischen Hinsicht "Geld" - und zwar kein "Falschgeld" oder
"Fehlergeld", sondern einfach nur "Geld". Wenn nun die Bank ihres Fehlers
gewahr wird und die Gutschrift wieder löscht, dann ist genau dieser
Geldbetrag wieder vernichtet worden, in genau diesem Augenblick.

Für mich gibt es beim Geld drei wesentliche Eigenschaften:

a) Der Betrag ist irgendwie "nachweisbar"
b) Der Betrag ist übertragbar
c) Der Nachweis ist allgemein akzeptiert

Fehlt eine dieser Eigenschaften, mag eine Rechtsbeziehung zwischen zwei
Subjekten vorliegen, das ist aber noch lange kein "Geld", sondern eben
einfach ein Vertrag.

>> Es ist "intellektuelle Masturbation" darüber zu sinnieren, ob es jenseits
>> dieses Nachweises "abstrakte Rechte" gibt, die nur "nachgewiesen" werden,
>> wenn es jenseits des "Nachweises" nichts gibt, was auf die Existenz
>> hindeutet.
>
> Nun, diese intellektuelle Masturbation ist Grundlage unseres Rechtssystems
> und unserer westlichen Zivilisation. Willst Du letztere verstehen, mußt Du
> erstere nachvollziehen, auch wenn Du im Prinzip darauf scheißt.
>
> Im übrigen weißt Du selbst, daß ein Versprechen unabhängig von
> schriftlicher Dokumentation existieren kann. Wenn Dir jemand nur mündlich
> etwas verspricht, und das nicht einhält, wirst Du etwas fühlen,
> Enttäuschung z.B. - auch, wenn nix aufgeschrieben war.

Natürlich (siehe oben), aber so etwas ist kein "Geld". Wenn ich dir
verspreche, morgen deine Socken zu waschen, wirst du Schwierigkeiten haben,
mit diesem Versprechen, Äpfel auf dem Markt zu erstehen.

Deine Chance wächst gewaltig an, wenn ich dieses Versprechen auf einen Zettel
schreibe, und es nicht explizit auf dich münze (<- Wortwitz!), sondern aus
dem Zettel ein Inhaberpapier mache, sprich es übertragbar mache. Wenn du
Glück hast, findest du tatsächlich jemanden, der dir für diesen Wisch Äpfel
gibt. Aber selbst dann handelt es sich noch nicht um "Geld". Zu "Geld" wird
es erst, wenn jeder (oder doch die allermeisten) auf dem Markt dieses
Versprechen als akzeptablen Gegenwert ansehen - übrigens unabhängig davon, ob
dieser Anspruch durch ein Rechtssystem definiert wird und von einem Staat
geschützt wird. Es genügt, dass Leute es aus welchen Gründen auch immer (du
bist bekannt wie ein bunter Hund und hast einen gutem Leumund) generell
akzeptieren.

>
>> Die wesentliche Funktion von "Geld" ist nun mal die
>> Zahlungsmittelfunktion, und mit "abstrakten subjektiven Rechten" kann ich
>> auf dem Markt keine Äpfel kaufen.
>
> Das Dokument ist Teil des gesamten Bedeutungszusammenhangs. Arne und ich
> wollten nur darauf hinaus, daß man das physische Dokument nicht mit dem
> gesamten Bedeutungszusammenhang verwechseln sollte, auf den es verweist und
> aus dem sich erst die rechtlichen Folgen ergeben, die sehr materiell sein
> können (wenn der Gerichtsvollzieher z.B. Dein Auto pfändet und Du
> festsitzt).

Die entscheidende Frage ist doch, ob es primär auf den
"Bedeutungszusammenhang" ankommt oder auf das "Dokument". Ich habe in meinem
Beispiel (auf das du leider nicht eingegangen bist) gezeigt, dass das
"Dokument" in verschiedenen Bedeutungszusammenhängen seine Funktion erfüllen
kann, nach Ockham legt das also nahe, dass es auf den
"Bedeutungszusammenhang" nicht notwendigerweise ankommt, weil es auch ohne
ihn geht. Arne betont immer wieder, dass man einen axiomatischen Ansatz
verfolgen sollte, sprich alles weglassen, was nicht unbedingt notwendig ist -
was ja begrüßenswert ist - beim "Bedeutungszusammenhang" sträubt er sich aber
gewaltig. Wieso?

> PRAKTISCH wird aus diesen Rechten erst dann "Geld", wenn es nachweisbar ist
> - in welcher Form auch immer. Deshalb ist in der praktischen Welt der
> "Nachweis" ein so wesentlicher Bestandteil des Geldes selbst, dass der
> Nachweis eben selbst das Geld IST.
>
>> Probiert doch mal zu beschreiben, wie eine Wirtschaft funktionieren
>> könnte, in der es eine Vielzahl "abstrakter subjektiver Rechte" gibt (der
>> Theorie nach also "Geld"), aber diese nicht nachweisbar sind; DAS würde
>> mich echt mal interessieren, "Geld" ist ja vorhanden....
>
> Wir behaupten doch nicht, daß die Dokumente überflüssig seien. Wir
> behaupten nur, daß man ihnen eben ihre rechtliche Bedeutung nicht direkt
> ansieht, die man aber verstehen muß, wenn man die Funktionsweise des
> Systems begreifen will. Hält man dagegen "Geld" per se immer für ein
> "Ding", tappt man in verschiedenste Fallen, das weißt Du ja auch.

Da stimme ich auch vollkommen zu. Das "Dinggelddenken" führt systematisch in
die falsch Richtung.

> Es ist nicht so, daß das Dokument überflüssig und nur die immaterielle
> rechtliche Bedeutung relevant wäre. Umgekehrt ist es auch nicht so, daß nur
> das Dokument relevant und seine immaterielle rechtliche Bedeutung wurscht
> wäre.
>
> Beides gehört zusammen, fehlt eines davon, haste keine Kreditwirtschaft
> mehr.
>
> Zu Deinem Beispiel nur eine Frage:
>
> Was würdest Du als machen, wenn Du eine moderne Kreditwirtschaft herstellen
> solltest (ein Problem, das sich diverse "Entwicklungs- und
> Transformationsländer" ja stellen, ohne es halbwegs befriedigend lösen zu
> können)? Wo siehst Du die institutionellen Grundlagen dieses Systems?

Ich finde es interessant, dass du hier auf meinen Einwand bzgl. der
Rechtssystems und der Staatsordnung nicht eingehst. Im Sinne von Ockham und
Arnes axiomatiischen Ansatz, würde ich die Frage gerne zurückgeben, und um
die Beantwortung folgender Fragen bitten:

1. Was ist der minimal notwendige Umfang an
Regeln/Abmachungen/Verpflichtungen/Konsens um eine "Rechtssystem" zu
konstituieren? Reicht schon ein ehrlich gemeinter Handschlag aus? Ist der
Grundsatz "Verträge sind zu bedienen" bereits ein "Rechtssystem"?

2. Was ist der minimal notwenige Umfang, um eine "Staatsordnung" zu
konstituieren? Liegt bereits eine "Staatsordnung" vor, wenn innerhalb einer
Gruppe eine Gruppennorm durchgesetzt wird (wie auch immer)? Liegt ein Staat
bereits vor, wenn sich eine Gruppe von Leuten von anderen abgrenzt?

3. Sind die so definierten minimalen Umfänge tatsächlich notwendig, um "Geld"
entstehen zu lassen, oder kann "Geld" auch schon unter weitaus geringeren
Voraussetzungen existieren?

Ihr behauptet 1. und 2. sind zwingende Voraussetzungen, ich behaupte, dass es
auch mit viel weniger geht, wie ich am Beispiel der Insel dargestellt habe -
es sei denn natürlich, ihr seht in dem Inselbeispiel die Voraussetzungen für
ein "Rechtssystem" und einer "Staatsordnung" bereits als erfüllt an, oder die
Holzplättchen nicht als Geld. Im ersten Fall würde ich Fragen, ob ihr den
Bogen nicht maßlos überspannt, im letzten Fall würde mich interessieren,
warum es sich bei den Holzplättchen nicht um Geld handeln sollte.

Ich halte die "moderne Kreditwirtschaft" nicht für eine notwendige
Voraussetzung für "Geld", es reicht vollkommen aus a), b) und c) zu erfüllen.
Und um die Diskussion vorwegzunehmen: Nein, ich denke auch nicht, dass ein
einheitliches "Zeichen" notwendig ist, damit "Geld" vorliegt - auch wenn es
unter bestimmten Gesichtspunkten praktische Vorteile hat, ein einheitliches
"Zeichen" zu verwenden (unter anderen Gesichtspunkten hat es erhebliche
Nachteile, Stichwort: Machtkonzentration und damit verbundener -missbrauch).

Ich finde es schade, dass du genau jetzt "Schluss machst", denn wir berühren
genau jetzt den neuralgischen Punkt - ich wünsche dir aber viel Spaß beim
Musizieren ;-)



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