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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] Banken verleihen Geld der Sparer weiter

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

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Re: [AG-GOuFP] Banken verleihen Geld der Sparer weiter


Chronologisch Thread 
  • From: Rudolf Müller <muellerrudolf AT on22.de>
  • To: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] Banken verleihen Geld der Sparer weiter
  • Date: Sun, 19 Jan 2014 17:16:31 +0100
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>

Hallo Buzz,

in meine Antwort hast Du etwas zuviel hinein interpretiert.  Ich wollte nur die Bedeutung von "Giralgeld" bzw. "Sichtguthaben" erläutern.
Deine Frage lautete doch:
>> ich hätte da mal ne blöde frage : wenn die banken das geld der sparer
>> tatsächlich weiterverleihen würden, müsste das dann nicht "sichtbar"
>> sein, d.h. das sparkonto
>> entsprechend fluktuieren, je nachdem, wieviel gerade verliehen worden ist ?
Mit meiner Antwort ist keineswegs geklärt, was die Bank mit dem Bargeld anfängt.
Auch müsste man,  wie Thomas Weiß schon erklärte, darauf verweisen, dass "standardmäßig" Giralgeld aus Kreditvergaben entsteht und nicht aus Einzahlungen. In drei Sätzen kann ich jedoch meine Sichtweise unseres Geldsystem nicht erklären. Wie Du beschäftige ich mich seit einigen Jahren mit dem Geldsystem und bin ebenfalls nicht vom Fach :-) .
Habe mir aber vorgenommen, mich mit den Ursprüngen und  Grundlagen zu diesem System zu beschäftigen und diese allgemeinverständlich darzustellen. Hierzu habe ich in einem Wiki-Projekt bereits einige Artikel verfasst und auch hier, im Piratenwiki, einige Seiten angelegt.
Das Thema, "Können die Geschäftsbanken selbst Geld schöpfen oder können sie nur Kredite vermitteln" ist nun nicht neu. Bereits 1889 sagte Henry Dunning Macleod,   ein schottischer Nationalökonom in seinem Buch "The Theory of Credit":
"A Bank is, therefore, not an office for ,borrowing' and ,lending' money: but it is a Manufactory of Credit: as Bishop Berkeley said, ,a Bank is a Gold Mine'."
Der Kampf um die "richtige" Theorie währt also schon etwas länger. Auch heute ist die, auf Mcleod aufbauende "moderne Kredittheorie", in der Bankenwelt noch kein gemeinsames Gut. So bezeichnet die Bundesbank die Banken als Finanzvermittler (Intermediäre) und in der gleichen Schrift wird die Geldschöpfung der Geschäftsbanken aus dem "Nichts" beschrieben. Ein unaufgeklärter Widerspruch!

Otto Hübner stellte 1854 in Seinem Buch, "Die Banken" fest, dass viele Banken zahlungsunfähig werden, da sie bei Kreditvergaben nicht mit der erforderlichen Sorgfalt vorgehen. Er stellte deshalb einige Verfahrensregeln zur Verhinderung der Zahlungsfähigkeit von Banken auf, welche später als die "Goldene Bankregel" in die Literatur eingingen.
„Der Credit, welchen eine Bank geben kann, ohne Gefahr zu laufen, ihre Verbindlichkeiten nicht erfüllen zu können, muß nicht nur im Betrage, sondern auch in der Qualität dem Credite entsprechen, welchen sie genießt.
[…] Die Bank kann, wenn sie auf drei Monate Gelder deponiert erhält, ohne Gefahr dieselben nicht auf sechs Monate ausborgen.“(Seite 28 ff)
Diese Regel bildet die Grundlage der sogenannten "orthodoxen Kredittheorie".  Die Theorie der reinen Kreditvermittlung ist tatsächlich nur eine Theorie, welche sich so in der Praxis nie oder nur ansatzweise gezeigt hat. Jedoch kann auch die "moderne Theorie der Geldschöpfung" keinen Alleinstellungsanspruch begründen, da immer noch Abhängigkeiten von vorhandenen Mitteln existieren. Die direkt oder indirekt einflussnehmenden Faktoren:
  1. Forderung einer Mindestreserve durch die EZB
  2. Kassenbestand zur Aufrechterhaltung des baren Zahlungsverkehrs
  3. Überschussreserven zur Durchführung von Überweisungen
  4. Anforderungen an das Eigenkapital der Bank gemäß KWG (Kreditwesengesetz KWG) § 10 Anforderungen an die Eigenmittelausstattung von Instituten, Institutsgruppen und Finanzholding-Gruppen (http://www.gesetze-im-internet.de/kredwg/__10.html)
  5. Anforderungen an die Liquidität der Banken gemäß KWG (Kreditwesengesetz KWG) § 11 Liquidität (http://www.gesetze-im-internet.de/kredwg/__11.html)
  6. Genügend verschuldungsbereite Kreditnehmer (Schuldner) müssen gefunden werden
  7. Vertrauen in die Zahlungsfähigkeit des Kreditnehmers muss vorhanden sein oder
  8. der Kreditnehmer muss beleihungsfähige Sicherheiten bieten, d.h. Eigentum muss vorhanden sein und der Kreditnehmer muss bereit sein dieses zu verpfänden
  9. Um sich für Kredit-Auszahlungen Bargeld bei der Zentralbank zu beschaffen, benötigt die Bank „notenbankfähige Sicherheiten“
Von einer autonomen Kreditschöpfung der Geschäftsbanken kann deshalb m. E. nicht gesprochen werden. Ist die Bank, vielfach im Zusammenhang mit ihren Kreditgeschäften, auf Zentralbankgeld angewiesen, gleichgültig ob sie dieses von der Zentralbank selbst bezieht oder von Kunden als Einlage erhält, ist sie in Ihrer Kreditschöpfungstätigkeit nicht unabhängig. Das Kreditgeschäft kann nicht auf den reinen Akt der Buchgeldschöpfung reduziert werden.

Mir ist bewusst, dass auf dieser ML meines Wissens nur die "moderne Kredittheorie" mit der selbständigen Kreditschöpfung durch die Geschäftsbanken als AG-Meinung vertreten wird. Aber auch eine beschlossene AG-Mehrheitsmeinung ist noch kein Garant für "die einzig richtige Sichtweise".

Am 19.01.2014 13:29, schrieb Buzz:
Hallo, rudi2

also ich beschäftige mich schon seit Jahren hier mit dem Geldsystem,
trotzdem verstehe ich manche sachverhalte wohl immer noch nicht. bin
nicht vom fach :-))
und man bekommt hier für JEDE ansicht eine auswahl an argumenten

auf jeden fall hilft mir das jetzt weiter, es ist also doch so, dass die
bank mit dem geld der sparer arbeiten kann, ohne dass es für diese
sichtbar ist.
Wie Thomas Weiß schon betonte, besteht das Giralgeld fast ausschließlich aus den, bei der Kreditgewährung an Kunden entstandenen Sichtguthaben. Diese Guthaben sind heute die Basis der Geldgeschäfte der Banken.
Wikipedia:
Die deutschen Banken hatten im Dezember 2012 noch 19,2 Mrd.€ in ihren Tresoren. Gegenüber dem Sichtguthaben der Kunden ein Anteil von 0,75 %
Bei Bedarf können wir die Grundlagen auch hier noch etwas weiter ausbreiten.

Gruß
Rudi2

Weitere Informationen:
https://wiki.piratenpartei.de/AG_Geldordnung_und_Finanzpolitik/Kreditwesengesetz
https://wiki.piratenpartei.de/Diskussion:AG_Geldordnung_und_Finanzpolitik/Was_ist_Geld%3F/Geldsch%C3%B6pfungsgewinn#Geldsch.C3.B6pfung_der_Gesch.C3.A4ftsbanken
http://www.um-bruch.net/uwiki/index.php/Helmut_Creutz:_Inhalt
http://www.um-bruch.net/uwiki/index.php/Otto_H%C3%BCbner




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