Zum Inhalt springen.
Sympa Menü

ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] Das Wertschöpfungsentgelt

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

Listenarchiv

Re: [AG-GOuFP] Das Wertschöpfungsentgelt


Chronologisch Thread 
  • From: "Christoph Ulrich Mayer" <CU_Mayer AT Menschen-gerechte-Gesellschaft.de>
  • To: <ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de>
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] Das Wertschöpfungsentgelt
  • Date: Tue, 14 Feb 2012 10:27:03 +0100
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>

Hallo Nicolai,

Hallo Christoph,
danke, dass du auch ganz konkrete Vorschläge hier bringst!
2012/2/13 <CU_Mayer AT menschen-gerechte-gesellschaft.de>:
> •       Wenn es keine Deflation geben soll, muss die Geldmenge mit der
> Warenmenge wachsen, idealerweise im selben Maß.

... plus natürliche Inflation, plus Gespartes, plus Außenhandelsdefizit (=
was im Ausland gespart wird), plus Anpassungen, falls sich die
Laufzeit-Präferenzen des privaten Sektors ändern (wenn der private Sektor
auf einmal mehr kurzfristige Anlagen hält, dann muss die Geldmenge wachsen,
und wenn der private Sektor langfristige Anlagen vorzieht, muss die
Geldmenge sinken bzw. langsamer wachsen).

Es ist unmöglich, das ideale Geldmengenwachstum zu berechnen. Die Ökonomen,
die das versuchen, laufen Phantasien hinterher, wie es die Zentralplaner im
Kommunismus gemacht haben.

=> Schon möglich, dass es nicht auf Heller und Pfennig berechnet werden
kann. Idealerweise wächst die Geldmenge so stark, wie die vorhandenen Werte
in dem Land gewachsen sind. Dieser Wert liegt im Schnitt bei 2-3 Prozent.
Eine Geldschöpfung in diesem Bereich durchzuführen, macht Sinn.

> •       Silvio Gesell hat 1920 untersucht, warum man eigentlich Zins
> auf Geld erlangen kann, mit Waren funktioniert das ja auch nicht.

Häh? Bei Waren spricht man normalerweise nicht von Zinsen, aber ansonsten
funktioniert das nach dem gleichen Prinzip. Man sagt nur Miete dazu, oder
Leasing. Die "Zinsen" sind dort in der Regel sogar größer, weil die Ware ja
an Wert verliert.

=> Siehste? Die Ware verliert an Wert, dafür sind die Leasing-Raten gedacht:
Sie sind die Bezahlung des Wertverlustes. Geld verliert nicht an Wert und
benötigt keine Leasingraten.

> •       John Maynard Keynes hat diese Lösung von Silvio Gesell
> verarbeitet und hat vorgeschlagen, immer für eine leichte Inflation
> des Geldes zu sorgen, so dass auf diese Weise der Druck auf den
> Geldbesitzer ausgeübt wird, seine Reserven zu investieren oder zu
> verkonsumieren. Dies ist heute noch die Basis für die
> Geldmengensteuerung der Zentralbank. Man steuert die Geldmenge so, dass
man 1 bis 2 Prozent Inflation sieht.

Die Zentralbank steuert die Geldmenge nicht. Sie steuert die *Zinsen*.
Nochmal: die Zentralbank steuert die *Zinsen*.

=> Ja, heute versucht die Zentralbank über Leitzins und Mindestreserve die
Geldmenge zu steuern. Ihr Auftrag ist, Preisstabilität herzustellen.
Nur kann sie das mit en heutigen Mitteln nicht, ob die Zentralbank die
Leitzinsen senkt oder nicht, wirkt sich auf die Kreditvergabe der Banken
heute nahezu nicht mehr aus.
Mit dem Modell "Monetative" oder "Wertschöpfungsentgelt" ist das anders. Man
steuert die Geldmenge direkt und nimmt viel direkter Einfluss.
Die Betrachtungen von Miltton Friedmann dazu kenne ich, er schlägt vor,
statt Regelung durch die Zentralbank, die oft Mitkopplungen verursacht,
einen konstanten Satz zu verwenden. Das bevorzuge ich auch.

> •       Diese Lösung führte jedoch nicht zu dem Sinken von Zins auf
> null und nicht zum Verschwinden der Vermögenseinkommen, sondern in den
> letzten Jahrzehnten zu immer mehr ausufernden Vermögenseinkommen. Aus
einem Grund:
> Die Geldschöpfung erfolgt nur bei den Banken und nur die Banken, deren
> Eigentümer und deren Großanleger profitieren von dem Geldschöpfungssystem.
> Alle anderen werden über Kredite immer mehr enteignet.

Und die lediglich 25% Steuern auf Kapitalerträge haben natürlich überhaupt
nichts damit zu tun?

=> natürlich auch, wobei die faktische Besteuerung von Vermögenseinkommen
mit 1,9% (420Mrd. Einnahmen durch Zinsen und Renditen, Steuer 7,9 Mrd.)
resultieren aus der Macht der Kapitalinhaber.
In meinem Modell geht es darum, diese Machtverhältnisse umzudrehen um
überhaupt erst mal in die Lage zu kommen, eine vernünftige Steuer auf
Vermögenseinkommen erheben zu können (falls man das dann noch braucht)

> •       Es ist bei Weitem logischer und sinnvoller, Geldmengenerhöhung
> dort zu vollziehen, wo real geschaffener Wert entsteht.

Das passiert heute streng genommen auch schon - diejenigen, die das "neue"
Geld als erstes in der Hand halten, sind die Kreditnehmer, typischerweise
also Unternehmen, die damit ihre Produktion finanzieren
:)

=> Das ist als Scherz gemeint, oder? Kreditnehmer erhalten Geld und
Schulden, Summe=0, Folgekosten sind dann monatliche Lehnherrenabgaben (an
die Meudalherren).

> •       Wir verlegen die Geldschöpfung zur Wertschöpfung
>
> •       Empfänger des Wertschöpfungsentgelts sind alle Unternehmen,
> die reale, gesellschaftsrelevante Wertschöpfung erzeugen.
...
> •       Die (beispielsweise) 220 Mrd. Euro werden vom Finanzamt
> anteilig an alle Wertschöpfenden Unternehmen verteilt. Je höher die
> Wertschöpfung, desto höher das Entgelt.
>
> •       10% dieses Wertschöpfungsentgelts müssen die Unternehmen
> zinslos in Unternehmen der gemeinnützige Gesellschaften investieren
> (dazu muss es strenge Regeln zur Vermeidung von Fetterlnwirtschaft geben).

Kannst du diese Regel erklären? Wozu soll die dienen? Warum gibt man das
Geld nicht direkt an gemeinnützige Gesellschaften?

=> Der Staat könnte diese 10% verteilen, aber durch die Vergabe der
Einzelunternehmen oder Einzelmitarbeiter entsteht ein viel größerer
Pluralismus, eine zentralisierte Macht wird vermieden.
Durch diese zinslosen Kredite wird das Kreditangebot auf dem Geldmarkt
erhöht und damit marktwirtschaftlich die Zinsen gesenkt (Kredite werden
weiterhin für Startups usw. notwendig sein)

> •       80% des Wertschöpfungsentgelts müssen den Arbeitnehmern und
> verantwortlichen Unternehmern gutgeschrieben werden.
>
> •       Diese können entweder gemeinschaftlich oder individuell
> darüber entscheiden, ob sie das Geld ausbezahlt haben wollen oder ob
> sie es dem Unternehmen lassen, dafür einen Unternehmensanteil in dieser
Höhe erwerben.
> Dadurch wächst die Macht der Leistungserbringer am Produktivmaterial.

Stärkung der Belegschaft gefällt mir.

Insgesamt ist dein Vorschlag, so wie ich ihn verstehe, äquivalent zu der
Kombination von 1. einer Änderung des Steuerrechts: weniger Steuern bzw. im
Extremfall negative Steuern auf Arbeitseinkommen und Unternehmen
(Umsatzsteuer? - das kommt wohl auf die Berechnungsgrundlage an), und 2. ein
entsprechender Teil des Haushaltsdefizit wird nicht mehr durch die Ausgabe
von Staatsanleihen ausgeglichen.
Sehe ich das richtig?

In gewisser Weise ja. Doch die Steuern auf Arbeit senken bringt weniger
Staatseinnahmen, während das Wertschöpfungsentgelt sozusagen ein
Gegengewicht einbringt, durch das Arbeitseinkommen und Steuereinnahmen
steigen(letztere können dann vielleicht mittelfristig gedeckelt werden). Und
es bringt mehrere Möglichkeiten zur Steuerung mit: Es wird nur an
gesellschaftsrelevant wertschöpfende Unternehmen bezahlt. Zudem kann man die
die Bezahlung des Entgelts an die Einhaltung von Bedingungen knüpfen, z.B.
darf es nicht für Gewinnausschüttungen verwendet werden oder das Unternehmen
würde verpflichtet, sich auf ethische Mindestregeln verpflichten müssen
(hier besteht sicher noch Diskussionsbedarf).

> •       Die Geldschöpfung bei den Banken würde abgeschafft werden,
> indem innerhalb von z.B. 5 Jahren die Mindestreserve auf 100% erhöht wird.

Dadurch wird die Geldschöpfung bei Banken nicht abgeschafft. Die wird nur
abgeschafft, indem du entweder gleichzeitig die Lender of Last
Resort-Funktion der Zentralbank abschaffst, oder die Eigenkapitalregelungen
änderst.

=> Ja, die Änderung der Eigenkapitalregeln wird sicher auch nötig sein.

> •       Dies ist möglich, weil die Realwirtschaft sich entschuldet und
> sich aus durch das Wertschöpfungsentgelt ohne Kredit ihr Wachstum
> finanzieren kann.

Was ist mit Neugründungen von Unternehmen, oder mit Unternehmen, die
ungewöhnlich schnell expandieren können und wollen, weil sie zum Beispiel
einen neuen Markt erschließen?

=> Wie schon geschrieben wird da auch zukünftig Kredit möglich und notwendig
sein, wobei ich z.B. vorschlage, neugegründeten Unternehmen einen Vorschuss
am erwarteten Wertschöpfungsentgelt zuzugestehen.

> •       Neuem Vermögen stehen nicht mehr neue Schulden gegenüber!

Das ist lediglich ein kosmetischer Schritt. Den gleichen Effekt könntest du
erzielen, indem du die Zentralbank dazu anweist, Staatsanleihen zu
Nullzinsen aufzukaufen.

=> Das ist nicht das Gleiche, letzteres hatten wir ja vor dem Zweiten
Weltkrieg. Heute wie damals wird die Geldschöpfung zentralistisch geschaffen
und geht zu Lasten der Realwirtschaft und ihren Mitarbeitern.
Durch das Wertschöpfungsentgelt wächst die Geldmenge bei den
Unternehmen mit ihrer Produktivität mit, dadurch entfällt die Notwendigkeit
sich zu verschulden -> Unser Erbsünden-Schuldgeldsystem wird abgeschafft,
die Macht geht in die Breite der Bevölkerung, die Meudalherrschaftabgaben
verschwinden mehr und mehr.

...
> •       Das Arbeitseinkommen würde rechnerisch langfristig 2 bis 7 mal
> so hoch sein wie heute (Vermögenseinkommen sind auch Inflationsniveau
> reduziert, der Geldumlauf wird voraussichtlich von heute 1,8 auf einen
> gesunden Wert von 6 steigen).

Nominal oder real? Wenn real ist dir hoffentlich klar, dass du da ziemlich
drastisches reales Wirtschaftswachstum herbeirufst. Das ist natürlich nicht
schlecht. Trotzdem: Woher kommen diese Zahlen?

=> wie gesagt sind das theoretische Werte, ich gehe nicht von einer
Versiebenfachung aus.
Es wirken 2 Effekte:
- Die heute 1030 Billionen Euro Vermögenseinkommen werden langfristig
aufs Arbeitseinkommen umgelenkt. Das Netto-Arbeitseinkommen liegt bei ca.
570 Mrd. Euro jährlich. Du kannst die Rechnung selber durchführen...
- Der Geldumlauf war in den 70ern noch bei ca. 6, heute liegt er bei
unter 1,8. Mit dieser Maßnahme müsste er wieder auf einen gesunden Wert
steigen.
Background: Wenn jeder 12 Monatsgehälter bekommt und am Ende des
Monats ausgegeben hat, ist der Geldumlauf 12 (12 Durchläufe pro Jahr). Man
sieht, wie extrem die "Sparquote" bezogen auf die Gesamtgeldmenge heute ist.

> ...

Ich finde, am Ende klopfst du einfach nur hohle Sprüche. Hört sich
vielleicht gut an, ist aber nicht belegt. Das Blaue vom Himmel kann jeder
versprechen.

=> Wie gesagt kann ich das in ein zwei Mails auch nicht leisten, dahinter
stecken sehr viele Überlegungen und Fakten, nicht umsonst hat mein Buch
trotz Bemühungen es zu kürzen noch 613 Seiten...
Es ist aber durchaus wichtig, dass da mehr Menschen draufschauen, ich
kann natürlich genauso blinde Flecken haben.

Im Grunde gefallen mir deine Vorschläge aber sehr. Es ist an der Zeit, dass
sich das Steuersystem wieder an einem ordentlichen moralischen Kompass
ausrichtet, und wenn man das erreichen kann, indem man es
"Wertschöpfungsgeld" nennt, dann soll mir das recht sein :) Es ist auch an
der Zeit, dass der Staat sich in der Finanzierung von den Märkten befreit,
und wenn man das "Geldschöpfung ohne Schulden"
nennt, dann soll mir das von mir aus auch recht sein.

=> Vielen Dank, Nicolai







Archiv bereitgestellt durch MHonArc 2.6.19.

Seitenanfang