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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] Heutige und alternative Geldsysteme

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

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Re: [AG-GOuFP] Heutige und alternative Geldsysteme


Chronologisch Thread 
  • From: Nicolai Haehnle <nhaehnle AT gmail.com>
  • To: CU_Mayer AT menschen-gerechte-gesellschaft.de
  • Cc: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] Heutige und alternative Geldsysteme
  • Date: Thu, 9 Feb 2012 10:52:46 +0100
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>

Guten morgen Christoph,

danke für die Zusammenstellung. Ich habe ein paar Anmerkungen zwischen
die Zitate geschrieben:

2012/2/8 <CU_Mayer AT menschen-gerechte-gesellschaft.de>:
> 1. Bargeld durch Kredit der Zentralbank (S. 67)
>
> Bargeld darf nur von der Zentralbank ausgegeben werden. Benötigt eine Bank
> Bargeld, so muss sie bei der Zentralbank einen Kredit aufnehmen und bekommt
> nach Prüfung der Kreditwürdigkeit buchhalterisch ein Guthabenkonto und kann
> das Geld „abheben“.
>
> <Buchhalterisch: Kreditschuld - Guthaben auf Konto = 0>
> < Wenn abgehoben: Schuld bei Zentralbank  - Geld auf eigenem Konto = 0>
> << Die Zentralbank erzielt keinen direkten Gewinn aus der Erzeugung von
> Geld, weil sie das Geld ja auch wieder zurücknimmt >>
> << Jedoch erzielt die Zentralbank Gewinn durch das Kassieren von Zins
> („Seigniorage“) für diesen Kredit (Höhe durch den Leitzins festgelegt) (S.
> 70). Die Gewinne der Zentralbank werden an den Staat ausbezahlt. In den
> letzten Jahren lagen diese jedoch nahe Null. Der Leitzins beträgt heute nur
> 0,25% in Europa, 0% in USA. >>

Kleine Korrektur: der Leitzins der EZB ist zur Zeit 1,0%. Er liegt
zwischen dem Zinssatz, den die EZB auf Reserven bezahlt (0,25%) und
dem Zinssatz, den Banken für kurzfristige Kredite bei der EZB bezahlen
müssen (1,75%); siehe http://ecb.int/


> 2. Bargeld durch Kauf von Vermögen der Bank durch die Zentralbank (S. 68)
>
> Die Zentralbank kann der Privatbank Geld gutschreiben, wenn sie Vermögen
> der Bank kauft, z.B. Gold, Devisen, Wertpapiere. Der Kontostand der Bank
> bei der Privatbank steigt dadurch und dieses Geld kann die Bank auch
> jederzeit als Bargeld „abheben“.

Du meinst wahrscheinlich "Der Kontostand der Privatbank bei der
Zentralbank steigt dadurch ..."

> $ Die ursprüngliche Funktion der Bank, Guthaben/ Anlagen der einen Kunden
> an andere Kunden mit Geldbedarf weiterzuverleihen (Kreditvergabe), ist
> heute nicht mehr gültig, vielmehr kann die Bank ein Vielfaches der
> vorhandenen Gelder „erschaffen“ und als Kredit weitergeben. Dies wird nur
> durch die Mindestreserve und die Kreditnachfrage begrenzt. $

Das würde ich so nicht unterschreiben. Die vorhandenen Gelder
entstehen ja überhaupt erst dadurch, dass ein Kredit vergeben wird.
Ich würde stattdessen über die Funktion von Eigenkapital schreiben:
die Bank kann Geld erschaffen und als Kredit vergeben. Die wird durch
die Eigenkapitalquote und die Kreditnachfrage begrenzt.

> $ Zwar wird ein Kunde, der einen Kredit bei der Bank aufnimmt, das Geld  
> nicht als Sichteinlage liegen lassen sondern z.B. zum Bezahlen einer
> Immobilie verwenden. Trotzdem gilt: Bei 2% Mindestreserve kann die Bank
> also 50x so viel Geld verleihen, wie Kunden Geld bei ihnen angelegt haben. $

Andersrum wird ein Schuh daraus: das Liquiditätsmanagement der Bank
sorgt dafür, dass sie immer Reserven in der Höhe von mindestens 2% der
Sichteinlagen vorliegen hat.

Der Unterschied ist: so wie du es formuliert hast, geht die Kausalität
*von* der Reserve *hin* zum Geld der Kunden. So wie ich es formuliert
habe, geht die Kausalität *vom* Geld der Kunden *hin* zu den Reserven.

> $$ Wenn ein Anleger 1.000€ bei der Bank anlegt, kann die Bank 49.000€
> Kredit vergeben. Bei einer Kreditverzinsung von 5% entstehen im ersten Jahr
> 2.450€ Zinsen, also gemessen an den 1.000€ Spareinlage 245% Zins. In der
> Realität ist die Verzinsung durch Zinszahlungen an den Anleger,
> Verwaltungskosten, Leitzins und Inflation geringer, jedoch immer noch
> höher, als man als Normalbürger zu denken wagt. $$
> < Die Bank hat ein Kreditausfallrisiko, dies liegt bei dt. Banken bei ca.
> 2%, dies geht auch als Kosten in die Rechnung ein. >

Diese Rechnung funktioniert so nicht - zum einen, weil die
Kreditvergabe a priori nicht so funktioniert, wie du sie beschreibst.
Und selbst wenn sie so funktionieren würde: die 49.000 an Kredit
landen ja letztendlich wieder bei der Bank. Letztlich ist der Zins,
gemessen an den Spareinlagen, also nur 5% - das ist tautologisch, weil
die Summe der Kredite gleich der Summe der Spareinlagen sein muss.

Eine bessere Rechnung bezieht sich auf das Eigenkapital der Bank. Hier
eine Beispielrechnung: eine Bank mit 1.000.000 Eigenkapital von den
Eigentümern kann bei einer Eigenkapitalquote von 5% Kredite in der
Höhe von etwa 20.000.000 vergeben. 5% Zinsen darauf sind 1.000.000.
Der Zins ist also, bezogen auf das Kapital, 100% - eine ziemlich
beeindruckende Rendite, wobei natürlich auch hier noch Kosten
abgezogen werden müssen. Trotzdem sollte man eher daran ansetzen
(daher auch mein Vorschlag in einem anderen Thread, die
Eigenkapitalquote zu erhöhen.)

> „Derzeit beträgt der Mindestreservesatz im Eurosystem zwei Prozent. Das
> bedeutet: Hat eine Geschäftsbank ihren Kunden insgesamt 100 Millionen auf
> Girokonten gutgeschrieben, muss sie zwei Millionen Euro als Mindestreserve
> halten – und zwar in Zentralbankgeld, also als ein Guthaben auf ihrem Konto
> bei der Zentralbank. In der Praxis des Eurosystems kann sich eine
> Geschäftsbank das benötigte Zentralbankgeld zur Erfüllung der
> Mindestreservepflicht in erster Linie nur dadurch beschaffen, dass die
> Zentralbank ihr – wie oben beschrieben – einen Kredit gewährt.“ S. 70

Diese Information ist leicht veraltet. Seit Januar liegt der
Mindestreservesatz nur noch bei 1%. (unter
http://www.bundesbank.de/gm/gm_mindestreserven.php, Tabelle der
Reservesätze)

> $$ Ist das Rating falsch, platzen die Anlagen früher oder später und die
> Bank hat auch keine Deckung mehr für die Zentralbankgelder. Die komplette
> Geldschöpfung fällt in sich zusammen. Dass das real passiert, bekommt man
> z.B. im Film "Inside Job" aufgezeigt. $$

Absolut richtig. Die Idee ist, dass die Verluste abgeschrieben werden,
indem das Eigenkapital der Bank aufgefressen wird - die Eigentümer der
Bank werden also verantwortlich gemacht. Auch aus dieser Perspektive
muss man die Eigenkapitalquoten erhöhen, denn diese sind zur Zeit ganz
offensichtlich nicht groß genug für "Black Swans".

Schöne Grüße,
Nicolai
--
Lerne, wie die Welt wirklich ist,
aber vergiss niemals, wie sie sein sollte.




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