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ag-drogen - Re: [AG-Drogen] Eigenbedarf Cannabis: bundeslandspezifisch / Kompetenzen des Zolls und Gerichtsstand

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ag-drogen AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Mailingliste der AG Drogen- und Suchtpolitik

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Re: [AG-Drogen] Eigenbedarf Cannabis: bundeslandspezifisch / Kompetenzen des Zolls und Gerichtsstand


Chronologisch Thread 
  • From: Michael Demus <cyfarwyddi AT t-online.de>
  • To: Mailingliste der AG Drogen <ag-drogen AT lists.piratenpartei.de>
  • Subject: Re: [AG-Drogen] Eigenbedarf Cannabis: bundeslandspezifisch / Kompetenzen des Zolls und Gerichtsstand
  • Date: Fri, 30 Mar 2012 14:33:09 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-drogen>
  • List-id: Mailingliste der AG Drogen <ag-drogen.lists.piratenpartei.de>

Am 30.03.2012 10:58, schrieb Andreas:
Hey Georg,

guten Hinweis! Danke!

Wie schon geschrieben, es sollte endlich Klarheit in Sachen Mengen,
Mengenbezeichnung und das am besten bundesweit geschaffen werden! Wie anhand
der Beiträge (Michael, florian d usw.), meine eingeschlossen zu sehen ist,
gibt es viel Anlass zur allgemeinen Verunsicherung!


Lieben Piratengruß

Andreas Vivarelli alias Bestenfalls


Hallo Andreas,
manchmal bin ich so tief drin in der Materie, dass es mir einfach nicht einfallen will, dass es andere gibt, die sich von völlig anderen Positionen an das Thema BtM heran wagen. Dann schreibe ich auch noch genau das was mir gerade zum Thema einfällt und ich merke dabei nicht, dass meine eigentlich sachgebundene Kritik mglw. auch persönlich aufgefasst werden könnte. Sorry. Ich bin halt darauf geprägt auf den Punkt zu kommen, ohne Rücksichten auf Andere. Das führt häufiger zu Missverständnissen die gar nicht auftreten würden, wenn wir uns persönlich gegenüber sitzen würden.

Jetzt zur Sache und zwar ausschließlich:
Leider genügt es nicht pro Bundesland einen verbindlichen Wert zu ermitteln, zum Teil ist das gar nicht möglich. Aber wir sollten uns vor Augen halten wofür die Tabelle verwendet werden soll. Sie soll die unklare und uneinheitliche Rechtslage in den Bundesländern dokumentieren. Dazu gehört dann erst recht, dass schwammige Regelungen wie die Berechnung nach Konsumeinheiten in der Tabelle benannt werden, wie auch Mehrfachregelungen wie sie z.B. Berlin beschlossen hat. Genau diese schwammigen Formulierungen ermöglichen es den Bayern Cannabisbesitzer für 0,5g Marihuana zu einer Geldstrafe zu verurteilen, während da in Berlin gar nix passieren würde. Nehmen wir mal Volkers Beispiel:

Am 30.03.2012 11:37, schrieb Volker Kunze | Piratenpartei Freising:
So denke ich auch, dass viele Themen thematisiert und veröffentlicht werden
sollten. Beispiel die Diskussion „Eigenbedarf“ – wie ist es denn, wenn ich
von Tschechien mit einer Menge X durch verschiedene Bundesländer reise,
mache ich mich da unterschiedlich strafbar? Was wenn mich die
Autobahnpolizei an der Landesgrenze anhält und ich hin und her springe? Bin
ich dann wechselweise im (Un-)Recht?


Cheers,

Volker


Nein. In allen Fällen begehst Du eine Straftat nach dem BtMG. In fast allen Fällen würde das Verfahren nicht eingestellt werden, da Du keinen reinen Besitztatbestand, sondern einen BtM-Schmuggel begangen hast. BtM-Schmuggel wird regelmäßig als "qualifiziertes BtM-Delikt" gewertet. Zwar bezieht sich 31a BtMG auch auf die Einfuhr, aber in der Rechtswirklichkeit schaut es leider anders aus. § 31a sagt: "Die Staatsanwaltschaft *kann *einstellen". Von "muss" steht da nix. Das sagt alles aus. Wir müssen immer auch beachten, dass die Formulierung "öffentliches Interesse" äußerst dehnbar ist. Eine echte Definition die verbindlich anordnet wann öffentliches Interesse vorliegt gibts m.E. nicht (http://de.wikipedia.org/wiki/%C3%96ffentliches_Interesse)
Selbstverständlich kann jetzt argumentiert werden, dass (abgesehen vom Grenzzollbereich) kaum jemand die Vermutung schöpfen kann, dass Du das Gras aus Tschechien mitgebracht hast, aber das lassen wir jetzt mal besser außen vor, weil es eine Ermittlungsfrage ist. Da könnt ich Dir Geschichten erzählen ...

Ohne Schmuggeltatbestand: Befindest Du Dich in Deutschland und überschreitest Ländergrenzen mit einem Gramm Marihuana in der Tasche, machst Du Dich immer gleich strafbar. Du verstößt immer gegen das BtMG wegen BtM-Besitz geringer Mengen. Das ist erstmal der Grundsatz.
Die unterschiedliche Rechtspraxis die wir hier jetzt beleuchten betrifft die Regelungen der "Einstellung des Strafverfahrens durch die Staatsanwaltschaft" - also die Möglichkeit ohne Anklage davon zu kommen. Diese Möglichkeit wird von verschiedenen Mengen begrenzt, die (leider) Eigenbedarfsmengen genannt werden. Ich vermute, dass es sich dabei um eine journalistische Wortschöpfung handelt, der Gesetzestext nennt es wörtlich: "lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge". Die Verwendung des Wortes "Eigenbedarf" suggeriert leider, dass der Betroffene das BtM in geringen Mengen zu seinem eigenen Verbrauch besitzen darf. Dem ist nicht so. Diese Fehlinterpretation hat häufig weitreichende Konsequenzen, denn jemand der im festen Glauben ist alles richtig gemacht zu haben, der nimmt an, er muss nur sein Verhalten gegenüber der Polizei erklären und dann wird schon alles gut. Das führt dazu, dass sich viele um Kopf und Kragen reden.

Ich würde erstmal nur und ausschließlich eine Cannabistabelle einrichten, die anderen Stoffregelungen dann in einer zweiten.

Vorschlag für die Tabelle Cannabis (Spaltenbezeichnung):
1. Bundesland
2. Mengenangabe wie sie das Bundesland angibt (3 Konsumeinheiten oder 6g)
3. weitere Mengenangabe (z.B. Berlin: bis 15g)
4. Erläuterungen
5. Anmerkungen

Höchst interessant ist die Tatsache, dass es ein paar Bundesländer gibt, welche bei anderen Substanzen ebenfalls die "einstellungsgeeignete Menge" festgelegt haben. Das ist der richtige Weg und hätte spätestens seit Einführung des § 10a BtMG zumindest in Bezug auf Heroin in allen Ländern eingeführt werden müssen. Steinigt mich jetzt nicht dafür, dass ich das als "richtigen Weg" bezeichne! Ich sehe in § 31a Abs. 1 Satz 2 eine Möglichkeit Heroinabhängigen (später auch anderen) das Heroin zu belassen und nicht polizeilich wegzunehmen. Hier hat der Gesetzgeber nämlich erstmalig eingeräumt, dass es einen duldbaren BtM-Besitz gibt der vom Gesetz abgedeckt ist:

§ 31a Abs. 1 S. 2
Von der Verfolgung soll abgesehen werden, wenn der Täter
in einem Drogenkonsumraum Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch, *der nach §
10a geduldet werden kann*, in geringer Menge besitzt, ohne zugleich im Besitz einer
schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein.

Nun muss man wissen, dass es Bundesländer gibt die ihre Polizei anweisen in der Nähe von Drogenkonsumräumen keine gezielten Kontrollen von Verdächtigen durchzuführen bzw. bei Kontrollen den Konsumenten ihre eine Konsumeinheit Heroin zu belassen. Das ist eine kleine Revolution und keiner hats gemerkt. Erstmalig kann der Polizeibeamte darauf verzichten einem Junkie das dringend benötigte Heroin abzunehmen ohne sich selbst strafbar zu machen. Und erstmalig kann der Junkie im Besitz seines geliebten Stoffes bleiben.
Nun muss nur noch hinterfragt werden, wo der wesentliche Unterschied zwischen dem Junkie der kurz vorm Drogenkonsumraum steht und dem der gerade erst inner U-Bahn sein Kügelchen gekauft hat und der sich jetzt auf dem Weg zum Drogenkonsumraum macht. Wenn diese Frage nicht wirklich begründet negativ beschieden werden kann (das kann sie m.E. nicht), dann könnte grundsätzlich jeder H-Konsument bei einer Polizeikontrolle im Besitz seines "Eigenbedarfs" bleiben und dann hätte der Begriff "Eigenbedarf" auch seine endgültige Berechtigung.

Ich hoffe bloß, ich schreibe nicht zu verworren.

Haben wir erstmal die H-Konsumenten soweit, dass sie im Besitz ihrer einen Konsumeinheit bleiben dürfen, muss hinterfragt werden, warum das der Cannabiskonsument nicht darf. Es wäre ein kleiner Baustein, aber ein Anfang.

Allet klar Alta?

LG
Micha der Abschweifende

--
"Es ist nicht wichtig, was die Leute hinter deinem Rücken reden, wichtig ist
nur, wenn du Dich umdrehst,
dass alle ihre Fresse halten!"
"Es ist nicht weise, das zu verteidigen, was man ohnehin aufgeben muß."
Niccoló Machiavelli, (1469 - 1527), italienischer Staatsmann





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