Re: [AG-Gesundheit] Fwd: Apotheken in der Piratenpolitik

[waage08 AT web.de]

Ein freundliches Moin moin von der Elbe!

 

Es stand geschrieben :

Gesendet: Freitag, 20. April 2012 um 19:52 Uhr
Von: "Dr. Forster" <dr.forster AT aforster.de>
An: "'AG Gesundheit'" <ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de>
Betreff: Re: [AG-Gesundheit] Fwd: Apotheken in der Piratenpolitik

Bei uns ist aus seeehr gutem Grund seit langem Ausgeschlossen, dass der Arzt irgendwie an den Medikamenten mitverdienen kann! Das würde dem Betrug (natürlich gibt es auch unter den Ärzten einen Anteil Betrüger und Verbrecher, wie in jeder Bevölkerungsgruppe) Tür und Tor öffnen. Das Problem ist nicht die Marge des Apothekers, sondern der Preis der Pharmafirmen!

Gruß

 

Andreas

 

Das Problem liegt nicht im Preis der Pharmafirmen. Irgendwie doch aber nicht so offensichtlich, wie man annehmen mag. Es ist richtig, dass wir in Deutschland einen relativ hohen Medikamentenpreis im Gegensatz zu den anderen EU-Ländern haben. Merkwürdigerweise wälzen die Hersteller ihre Forschungs- und Entwicklungskosten auf das deutsche gesundheitssystem ab. Grund hierfür dürfte sein, dasses bis Ende 2012 möglich war, dass der Hersteller eines Medikamentes seines Preis frei bestimmen und an die IFA GMBH melden konnte. Dies führte hierzu, dass meistens nach Patentabläufen die Medikamente in Ihrer Strukur geringfügig geändert wurden (sog. Scheininnovationen) und neue Patente darauf angemeldet worden sind. Diese "neuen" Medikamente wurden als Quantensprung zum alten Medikament beworben und so konnten die nun möglichen Generika des ursprünglichen Medikamentes nicht mehr so gut in den Markt eingeführt werden.

Fakt ist, dass kann ich aus meinen bisherigen Erfahrungen im Bereich des Zyto-Marktes einfach behaupten, dass sich eigentlich kein Hersteller an seinen von ihm vorgegebenen HAP/ApU hält. Wie ich bereits erwähnt habe, ist mit der 15. AMG Novelle zwar in § 78 (3) der Hersteller verpflichtet einen einheitlichen Herstellerabgabepreis zu gewährleisten, doch was bringt eine solche Norm ohne Sanktionierung? Und jetzt kommt das versteckte Problem: Der Hersteller verkauft sein Medikament X zu einem weitaus günstigeren Preis an einen oder mehrere Großhändler. Da die Herstellungskosten in den meisten Fällen nicht im Verhältnis zu den genannten HAP/ApU stehen, hat der Hersteller natürlich eine hohe Margenspanne. Dies ermöglicht es jetzt den Großhändlern die Apotheker mit entsprechenden Rabatten zu locken. Wir brauchen uns hier nichts vormachen, diese Rabatte werden selbstverständlich nicht an die Kassen weitergegeben. Die rechtlichen Hintergründe zu dieser Problematik spare ich mir hier, da es den Rahmen sprengen würde. Gerne bin ich doch bereit Interessierten hierzu etwas auszuarbeiten und auf Anforderung zuzusenden. Zu den rechtlichen Problemen gehören nämlich die Regelungen von AVWG und HWG und auch die seit 2009 bestehende Änderung, dass parenterale Lösungen nicht mehr der AMPreisV unterliegen. Und wer glaubt, das mit der Einführung der Preistransparenz über das IQWIG und dem G-BA sei ein großer Wurf gelungen, um die Hersteller zu günstigen bzw. gerechtfertigten Preisen zu zwingen, den muss ich hier enttäuschen. Die gewährten Rabatte sind und waren selten erkennbar, da in vielen Fällen, die Medikamente offiziell zum regulären HAP/ApU bzw. AEK verkauft worden sind und es dann Rückflüsse (KickBacks) gab und gibt ,die dem ungeübten Beobachter nicht als solche auffallen. Man wundert sich wie viele KickBack-Modelle es gibt. Was mich nicht wundert ist, dass die Justiz in weiten Bereichen kapituliert, da es nicht  möglich ist, als Aussenstehender, der sich nicht regelmäßig damit beschäftigt, durch diese Verflechtungen durchzusteigen.  Da liegt das nächste Problem, keine Schwerpunkstaatsanwaltschaften. Hierzu erstmal genug, wie gesagt wer mehr wissen will, gerne im persönlichen Mail-Kontakt.

 

Bitte versteht mich hier nicht falsch, ich möchte nicht ganze Berufsstände kriminalisieren, doch es gilt die schwarzen Schafe aus den Herden zu treiben, um etwas ändern zu können. Hut ab vor Ärzten und Apothekern, die versuchen mit einer sauberen Weste und einem reinen Gewissen ihre Arbeit zu erledigen. Die haben es nämlich am schwersten. Und genau diesen Beteiligten gilt es bei einer Neuregelung den Rücken zu stärken, um wieder etwas Vernünftiges auf die Beine zu stellen. Wie bereits in anderen Beiträgen von mir erwähnt, ist es wichtig die Interessen des Patienten zu sehen und auch zu berücksichtigen, doch darf man nie den wirtschaftlichen Faktor in diesem Bereich außer acht lassen. Eine vernünftige Politik zeichnet sich dadurch aus, dass sie allen Interessen, nach deren erkanntem Schwerpunkt, auch versucht gerecht zu werden. Und so müssen auch Reformen sein.

 

Es gibt viele Probleme im Gesundheitssystem und man muss, sei man auch noch so innovativ und basisorientiert, viele Probleme getrennt voneinander betrachten und Lösungsvorschläge hierzu erarbeiten. Zur Beruhigung von Dr. Waelsch (nicht böse sein, bin manchmal etwas ironisch), dies bedeutet nicht klein klein alles angehen und abwarten sondern einmal alles in seine Bestandteile zur beobachtung zerlegen, Themenbereiche wenn möglich zusammenlegen, entsprechende Arbeitsgruppen bilden und Lösungsansätze in diesen erarbeiten. Dann alles wieder gesamt betrachten und versuchen einen ganzheitlichen Konsens zu finden. Brennende Themen müssen im Vorwege bearbeitet und herausgefiltert werden. Jedoch mit dem Hinweis, dassanderes auch im Fokus der Betrachtung steht.

 

So nun war es lang genug und wer es bis hier hin geschafft hat, dem danke ich für sei Interesse.

Es ist schwer ein so komplexes Themenfeld auf einzelne Faktoren herunterzubrechen und nur diese ändern zu wollen.

 

 

Grüße aus dem Norden

 

Kaktusking

 

Versuche zu diesem Thema ein Pad aufzubauen. Bin jedoch zu Zeit sehr angespannt, so dass es noch etwas dauern könnte.

 

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