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ag-gesundheitswesen - Re: [AG-Gesundheit] Psychologie / Psychotherapie / Psychiatrie

ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de

Betreff: AG Gesundheit

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Re: [AG-Gesundheit] Psychologie / Psychotherapie / Psychiatrie


Chronologisch Thread 
  • From: "Piratenlily | LV Sachsen" <ressorts AT piratenlily.net>
  • To: "AG Gesundheit" <ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de>
  • Subject: Re: [AG-Gesundheit] Psychologie / Psychotherapie / Psychiatrie
  • Date: Sun, 15 Apr 2012 04:33:14 +0200
  • Importance: Normal
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-gesundheitswesen>
  • List-id: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen.lists.piratenpartei.de>


Bisher habe ich im psychiatrisch-psychologischen Bereich den Eindruck, daß es
auch in Deutschland so ist, daß der Psychiater für die bunten Pillen und der
Psychologe für die Sitzung mit Problemkerze zuständig ist.


| -----Ursprüngliche Nachricht-----
| Von: ag-gesundheitswesen-bounces AT lists.piratenpartei.de im Auftrag von
Martin E. Waelsch
| Gesendet: Samstag, 14. April 2012 21:42
| An: 'AG Gesundheit'
| Betreff: Re: [AG-Gesundheit] (kein Betreff)
|
|
| Ich habe sicher nicht vor, hier ein Seminar über Psychiatrie und
| Psychotherapie abzuhalten. Über die Konzepte, Einzelheiten und
| medizinischen Ziele der psychiatrisch -psychotherapeutischen
| Behandlung kann man sich umfassend informieren.
| Beispiele:
|
| Leitlinien:
| http://www.awmf.org/leitlinien/aktuelle-leitlinien/ll-liste/deutsc
| he-gesellschaft-fuer-psychiatrie-psychotherapie-und-nervenheilkund
| e-dgppn.html
|
| Leitlinien Kooperationen Links:
| http://www.awmf.org/leitlinien/ll-partner-links.html
|
| Infos der Leitlinien für Patienten:
| http://www.awmf.org/leitlinien/patienteninformation.html
|
| Die Antipsychiatrie-Diskussion werden moderne Psychiater nicht
| wieder führen. Wir haben ein anderes Problem:
|
| Den Vormarsch der biologischen Psychiatrie: Auswirkungen siehe
| USA, wo Psychiater nur für Psychopharmaka verordnen zuständig
| sind und sein sollen, für das "reden" Psychotherapie haben sie
| dort die Psychologen und Sozialarbeiter usw. auserkoren und es
| auf die delegiert. Gegen diesen Trend hat sich die europäische
| Psychiatrie bislang erfolgreich verwahrt, wie lange sie es
| allerdings unter dem Druck der Sparillusionen der Regierungen und
| dem Druck der Pharmalobby machen können ist unter anderem auch
| von der Umsetzung der von dir angesprochenen Konvention.
|
| Hier ist ein Missstand, der schon von der falschen Übersetzung
| herrührt (d.h. Deutschland u.a. haben sich da politisch gewollt
| was anderes (Integration) reingeschrieben. Die gleiche
| Politikzielsetzung ist dafür verantwortlich, dass die seit
| Enquete und der Empfehlungen der Expertenkommission erreichten
| Fortschritte nun mehr demontiert werden sollen. So ist auch die
| halbherzige Umsetzung der WHO Konvention zu verstehen.
|
| Nebenbei: Behinderungen setzen eine Erkrankung voraus.
|
| Behandlungen sollten darauf ausgelegt sein, Behinderungen
| möglichst zu verhindern, was nicht die billigste Behandlungsart
| ist. Die pauschalierte Medizin ist darauf ausgelegt, sie
| kalkuliert Behinderungen ein.
|
| In der Psychiatrie wird dieser Rückschritt gerade vorbereitet, in
| dem in der Psychiatrie auch Pauschale eingeführt werden sollen.
|
| Damit die Psychiatrie Personal Verordnung (PsychPV) abgeschafft.
| Die einzige Personalberechnung in der Medizin überhaupt, die eine
| valide Personalberechnung für eine auskömmliche Behandlung
| erlaubt. Anstatt diese Berechnungssystem analog in allen
| medizinischen Bereichen einzuführen, wird es aus der Psychiatrie
| verbannt, weil zu transparent und damit Machtspiele der Kassen
| solange es besteht, verhindert. Das passt den Kassen nicht.
|
| Die Tendenz der Politik und der Kassen geht konform mit der
| Pharmaindustrie: es wird alles auf Psychopharmaka kalkuliert:
| Diagnostik
| Behandlung
| Behandlungsdauer
| Behinderungen
| Arbeitsfähigkeit
| Berentung
| Fahrtauglichkeit
| Berufsunfähigkeit
| Schwerbehinderung
| Usw.
|
| Weshalb ich das so aufschreibe?
|
| Weil ich es unsinnig finde, wenn sich eine Bewegung, wie die
| Piraten beim "ändern" mit alten Kamelen beschäftigt, die kein
| Fachmann, keinen Patienten, keinen Angehörigen interessieren. Die
| sind ausdiskutiert. Aber die Probleme nicht überwunden, nicht
| Veränderungen zu Teilen wieder auf rückwärts geschaltet.
|
| Es spielen sich auch alle wunderbar in die Hände. Auch die
| Leitlinien kann man nicht ohne ausreichend Erfahrung einfach 1:1
| in der Behandlung ansetzen, sie sind eine Richtschnur, an die
| sich alle halten sollten, damit sie zum Ziel kommen. Bedeutet:
| sie sind ein Geländer auf der Treppe zu Problemlösung. Gehen muss
| jeder selbst und überlegen, wie man geht und was man unterwegs
| ändern muss genauso. Dafür ist eine gute Ausbildung erforderlich.
|
| Beispiel für die mittlerweile perverse Situation in der Alltagsversorgung:
|
| 85 jährige Mann wird mit Herzrhythmusstörungen ins Krankenhaus
| eingeliefert, bekommt dort Herzstillstand, wird schnell
| rausgeholt und bekommt einen Herzschrittmacher implantiert. Alles
| funktioniert wunderbar bis auf die Auswirkungen der
| Sauerstoffmangelversorgung des Gehirns während der Asystolie
| (Herzstillstand) = hirnorganische Psychosyndrom mit Verwirrtheit,
| Desorientierung, ungerichtete Aggressionen, Tag-Nacht Umkehr,
| Gedächtnisprobleme, Probleme bei der selbstpflege (fehlendes
| Verständnis und Übersicht für Körperabläufe/Funktionen/Kleidung
| usw.). Kurz um, dauert dieser Zustand bereits 2 Wochen und der
| behandelnde Internist behauptet, das sei nun mehr ein
| Dauerzustand und der Mann müsse ins Heim - geschlossenes Heim
| versteht sich bei dem Zustand. Auf meinen Einwand, dass es
| eindeutige Veränderungen in dem Zustand des Patienten gibt,
| kleine aber mit deutlichen Hinweisen, das eine Restrukturierung
| des Gehirns und seiner Funktionen zur Normalisierung zu
| beobachten sind. Er meinte, es würde schließlich in den
| Leitlinien stehen, dass ein über 14 Tage bestehendes
| Durchgangssyndrom nun mehr als Dauerzustand zu betrachten sei.
| Ich musste ihm sehr deutlich sagen, dass vom Befund und nicht von
| den Leitlinien abhängig ist, wie ein Zustand und dessen Prognose
| überhaupt halbwegs valide beurteilt werden können.
| Wollte es nicht akzeptieren, mit einem Hinweis als Garnierung,
| dass die Pauschale auch keinen längeren Aufenthalt erlauben
| würden, man habe sich ja was dabei gedacht beiden DRGs, eben
| diesen Leitlinien folgend die Pauschale festgelegt.
|
| Ein weitere Diskussion auf Fachebene war nicht möglich. Mit dem
| Hinweis, ich werde den Fall vor die Ärztekammer bringen konnte
| für den Mann eine weitere Behandlung mit entsprechenden Maßnahmen
| wie Logopädie, Physiotherapie und Ergotherapie mit passenden
| medikamentösen Unterstützung fortsgestezt und entwickelt werden.
|
| Der Mann fährt wieder Auto und ist unauffällig, freut sich seines Lebens.
|
| Und so ist es oft.
|
| Die Psychiatrie wird auf alle möglichen Arten in Frage gestellt
| (auch antipsychiatrisch), anstatt die Möglichkeiten der
| Behandlung zu verbessern. Die Pauschale bringen es mit sich, dass
| die somatischen Abteilungen sobald einer psychische Störungen
| zeigt denken, das ist psychiatrischer Fall, hören auf medizinisch
| zu denken, schalten auf Speditionsdenken um und schauen, dass sie
| den Patienten schnellstens in die Psychiatrie bekommen. So kommen
| immer mehr blutige Verlegungen zustande. Unsere Aufnahmen
| steigen, die Kompetenz für komplexe Erkrankungen in der
| somatischen Medizin sinkt. Die Psychiatrie wird tatsächlich am
| Ende dann zu einem Endbahnhof der Medizin.
|
| Hier beginnen Sie mit Ihrer Argumentation dann wieder recht zu
| bekommen. Leider.
|
| Die Frage ist, ob es das Ziel ist, die Psychiatrie-Psychotherapie
| zu diesem Endbahnhof der pauschalierten Medizin werden zu lassen.
| Damit wären wieder etwa im Jahre 1870, da stand schon mal solche
| Entscheidung vor der Ärzteschaft und der Gesellschaft.
|
| Wie weit weg von der Gesellschaft müssen psychisch kranke
| Menschen behandelt werden - örtlich, sozial und medizinisch.
| Damals hat man sich gegen Abteilungen an Allgemeinkrankenhäusern
| zu Gunsten von Psychiatrieanstalten im Grünen (Landeskliniken;
| die gibt es heute noch).
|
| Es ist also mehr die Frage, welche politische Ziele eine Partei
| wie die PIRATEN für die psychiatrische Versorgung haben, als alte
| Diskussionen wieder von neuem anzufangen.
|
| Personal-> Erhaltung der PsychPV
| Gleichstellung -> Die Vollversorgung durch Psychiatrische
| Abteilungen an Allgemeinkrankhäusern zu gewährleisten
| Gemeindepsychiatrische Versorgung weiter flächendeckend ausbauen:
| Gemeindepsychiatrischer Verbunde mit
| Klinikkern
| Tagesklinik
| Tagesstätte
| Sozial-Psychiatrischen Dienst
| Kleine Heime
| Gerontopsychiatrische Dienste
| Gerontopsychiatrische Tageskliniken
| Usw.
|
| Es gibt wichtigere Kataloge für politische Arbeit als die Frage,
| ob es Erkrankungen gibt oder nicht.
|
| Inclusion - Integration
| http://www.netzwerk-artikel-3.de/
|
| HG
|
| Dr. M. E. Waelsch





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