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ag-gesundheitswesen - Re: [AG-Gesundheit] Teueres Medikament gegen billiges abgegeben.

ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de

Betreff: AG Gesundheit

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Re: [AG-Gesundheit] Teueres Medikament gegen billiges abgegeben.


Chronologisch Thread 
  • From: Morgan le Fay <input.output AT freenet.de>
  • To: ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-Gesundheit] Teueres Medikament gegen billiges abgegeben.
  • Date: Mon, 15 Mar 2010 18:31:51 +0100
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-gesundheitswesen>
  • List-id: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen.lists.piratenpartei.de>

Am 15.03.2010 08:20, schrieb Privacy:
schrieb Morgan le Fay:
  
Hallo Jörg,
ja, Du hast richtig geraten. Es handelt sich um die beiden genannten
Präparate. Sie stehen allerdings nur beispielhaft für die Abzocke, die
bei uns läuft.
Nach einem Bericht im STERN aus dem Jahr 2008 kann ein Augenarzt melden,
dass er in 700 Fällen feuchte AMD erfolgreich auch mit dem weitaus
preiswerteren Avastin therapiert hätte. Kein Wunder, denn die
Medikamente unterschieden sich nur in der Molekülgröße.
    
Man muss allerdings beachten, dass bei Präparaten zur lokalen Anwendung
nicht nur das Wirkmolekül relevant ist, sondern auch die Präparation.
Dies gilt ganz besonders für Anwendungen am ZNS (intrathekale
Behandlung) und am Auge.
Auch Molekülgröße ist gerade bei der Frage Penetration in/aus dem
"toxikologisch" geschützten Komparimenten ZNS / Auge ("Blutjirnschranke
..) eine pharmakologisch wesentliche Eigenschaft.

  
Ein anderer Augenarzt, den ich mit dieser Geschichte konfrontierte,
meinte, Avastin sei das "ältere" Mittel mit mehr Nebenwirkungen. Ich
schätze zwar dessen Meinung meist, aber in diesem Falle halte ich sein
Statement für eine "Standesschutzbehauptung".
    
Das denke ich auch - aber .... Avastatin müsste tatsächlich für die
Zulassung zur lokalen Therapie am Auge eine Zulassungsverfahren durchlaufen.


  
Aber das ist nicht so wichtig, denn mir kommt es darauf an, Mängel im
System aufzudecken und zu unserem Thema zu machen.
    
Ja - allerdings halte ich die Avastatin Story vor allem für lehrreich,
wie die Forschung und damit Zulassung für "billigere" Präparate
behindert wird.

  
Wenn wir für eine Sekunde annehmen, dass beide Mittel zur Therapie von
AMD (nahezu) gleich gut wirken, dann drängen sich mehrere Fragen auf:
1.) Warum hat das eine Mittel eine Zulassung zur Behandlung von AMD und
das andere nicht?
    
s.o. !


  
2.) Warum kostet das eine Mittel das 300fache? Sollte tatsächlich, wie
im Kabarett dargestellt, die Arzneimittelkommission der BÄK den Preis
dem pekunären Potential der von AMD betroffenen Patienten und deren
Leidensdruck "angepasst" haben?
    
die BÄK legt keine Medikamentenpreise fest - das ist Quatsch. Aber auch
ich würde jeden Augenarzt warnen, ein nicht zugelassenes Medikament am
Auge einzusetzen - wenn es ein zugelassenes gibt. Sollten NW auftreten -
auch wenn sie mit der gleichen Wahrscheinlichkeit beim teuren
aufgetreten wären - dann ist er voll in der Haftung.

  
3.) Wie ist es möglich, dass solch ein perfide Masche nicht die
Staatsanwaltschaft auf den Plan ruft? Wenn tatsächlich Avastin
verabreicht wird, aber Lucentis abgerechnet wird, ist das Betrug.
    
- bitte erst einmal klären, ob Lucentis tatsächlich einzeln vergütet
wird - wenn es nur die Behandlung über DRG abgerechnet wird, dann ist
dies eine Gesamtvergütung, die sich nicht auf das benutzte Präparat
bezieht.

  
Außerdem sehe ich einen schweren Fall von Wucher, der - wenn er
gewerbsmäßig betrieben wird - bis zu 10 Jahre Haft bringen kann.
Würde man alle Fälle von AMD mit Lucentis therapieren (müssen), wäre
allein der damit erzielte Umsatz über 15 Milliarden Euro!
    

  
Und angeblich laufen vergleichbare Maschen bei Antidepressiva und
Antiepileptika.
    
Antidepressiva und Antiepileptika werden überhaupt nicht als Posten
vergütet - sondern allein die stationäre Behandlung an sich nach DRG bei
neurol. Kliniken, nach dem Bundespflegesatz in der Psychiatrie
(=tagesgleiche Kostensätze)


  
Wenn das alles stimmt, haben wir einen gigantischen Fehler im System
zulasten der Patienten und Beitragszahler.
    
bei den AD und AE auch zu Lasten der niedergelassenen - denn diese
HAFTEN mit ihrem höchstpersönlichen Geldsäckel für Überschreitungen des
Arzneimittelbudgets ...!

d.h. wenn der Niedergelassene die Empfehlungen des KH übernimmt, zahlt
dieser für deren Sparpolitik ...

gelegentlich kann man den die Kassen bewegen, MdK die Empfehlungen
überprüfen zu lassen.


Gruß

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AG-Gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de
https://service.piratenpartei.de/mailman/listinfo/ag-gesundheitswesen
  
Hallo,

nur der Form halber um Verwechslungen beim Nachgooglen zu vermeiden:

Das Mittel heißt Avastin, nicht Avastatin. Vielleicht gibt es Avastatin ja auch, aber ich nehme an, Du hast Dich nur verschrieben.
Avastin ist wie Lucentis ein Zytostatikum und fällt somit nicht in die Tagespauschalen. Der Staatsanwalt wäre also durchaus möglich und angebracht!
Deshalb ging ja auch ein Aufschrei der Entrüstung durch die Lande, weil es sich Leute nahe der Erblindung gibt und gab, nur weil sie sich das teure Mittel nicht leisten konnten. Avastin als Medikament im off-label-use ("zweckentfremdete Anwendung") hat so manches Augenlicht halbwegs gerettet.

Was machen wir Piraten nun daraus?
Selbst Eingeweihten ist der Wust aus Verflechtungen und Zuständigkeiten nicht klar. Berichtigt mich, wenn ich irren sollte:

Pharmavertriebe (sind ja angeblich selten die Hersteller, die z.T. auch in China sitzen) beantragen eine Zulassung für den deutschen Markt.
Kann man Zulassungsverfahren international nicht vereinheitlichen, so dass ein Medikament nur EINMAL geprüft werden muss?
Wieso erhalten deutsche Distributoren für ausländische Erzeugnisse 20 Jahre lang ein Patent?

Anscheindend gibt es dafür nur noch 2 Möglichkeiten, nämlich die BfArM (Bundesinstitut für Arznei und Medizinprodukte) und das Paul-Ehrlich-Institut, da man die Erkenntnisse an Universitäten nicht verwerten will oder kann. Wie unabhängig sind diese Institute? Prüfen diese Institute auf Evidenz? Wenn ja, wieso kann dann ein einerseits ein wirkungsloses, ja sogar schädliches AD durchrutschen, andererseits die rosafarbene Klingelhöllersche "Hühnerkacke" auf dem Abstellgleis landen? Wie sind denn hinter den Kulissen die Fäden gesponnen? Wer bedient welche Marionette?

Das IQWIG erhält  keine Aufträge von den Pharmavertreibern, sondern vom G-BA oder direkt aus dem Ministerium.
Wann wird das IQWIG denn überhaupt beauftragt und warum?

Patente werden - ja wonach eigentlich?? - für "neue" Medikamente vergeben. Von 400 "neuen" Medikamente haben aber nur 7 einen neuen Wirkstoff. Natürlich besteht ein Medikament selten nur aus Wirkstoff. Aber auch wenn man sich auf den Standpunkt stellt, dass "Präparation"(?), Nebenwirkungen, Darreichungsformen etc. verbessert worden sein könnten, bedarf es doch keines neuen Patentes! Für das Automobil gibt es auch kein neues Patent, nur weil ich auf die Idee komme, Ledersitze einzubauen. Die Patentvergabe in diesem Bereich erscheint mir Protektionismus.

2/3 aller Mitarbeiter in der Pharmaindustrie arbeiten im "Marketing". Zum Marketing gehören wohl auch die Nullmedikamente für´s KH. Übrigens habe ich da als Augenoptiker eigene Erfahrungen mit Herstellern von Kontaktlinsenpflegemitteln. Ich musste mich deren "Probepackungen" geradezu erwehren, weil ich sie nirgends mehr deponieren konnte. Das hat sich aber in den letzten Jahren drastisch geändert. Heute ist man da sehr sparsam bei Alcon, Ciba, AMO und wie sie alle heißen.

40% des Umsatzes flössen ins Marketing, 23% in die Forschung und Entwicklung und 1% in die Herstellung der Medikamente. Hier kommt mein Ansatz des Wuchers ins Spiel (§291 des BGB), wonach derartige Unverhältnismäßigkeiten bei gewerbsmäßiger Abzocke mit Knast bestraft werden können, zumal man die mangelnde Erfahrung und Urteilsfähigkeit der Käufer ausnutzt, also sowohl der Ärzte (die nicht jedes Medikament verifizieren können) als auch die der Patienten.

Um einen Lösungsansatz bin ich mangels Kenntnis der Strippenzieher verlegen. Ich an Rösler´s Stelle hätte da allerdings rigoros den Deckel aufgesetzt, für´s erste sämtliche Preise (Stand 1.1.10) pauschal um 30% gesenkt und für die Zukunft die Branche unter eine wie auch immer geartete staatliche Aufsicht gestellt.

Das ist mein Beitrag für heute abend. Ich weiß nicht, ob ich dabei sein kann, denn ich höre Euch zwar, werde aber nicht gehört.

Grüße
Harry aka Morgan



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