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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] Geldschöpfung vs Fristentransformation

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

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Re: [AG-GOuFP] Geldschöpfung vs Fristentransformation


Chronologisch Thread 
  • From: Arne Pfeilsticker <Arne.Pfeilsticker AT piratenpartei-hessen.de>
  • To: Amos Comenius <comenius2000 AT gmail.com>
  • Cc: "ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de" <ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de>
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] Geldschöpfung vs Fristentransformation
  • Date: Sun, 18 Jun 2017 00:23:18 +0200


> Am 17.06.2017 um 15:59 schrieb Amos Comenius (comenius2000 AT gmail.com via
> ag-geldordnung-und-finanzpolitik Mailing List)
> <ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de>:
>
>
>
> Am 13.06.2017 um 23:13 schrieb Arne Pfeilsticker:
>>> Am 11.06.2017 um 14:27 schrieb Amos Comenius (comenius2000 AT gmail.com via
>>> ag-geldordnung-und-finanzpolitik Mailing List)
>>> <ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de>:
>>> ...
>> ...
>> Ich ging bisher davon aus, dass wir die Begriffe Geldschöpfung und
>> Fristentransformation diskutieren.
> Ich zumindest versuchte die Frage zu diskutieren, ob das, was sich aus der
> Sicht der einzelnen Bank als Fristentransformation darstellt, aus
> volkswirtschaftlicher Sicht Geldschöpfung ist.
> Darüber hinaus setzte ich mich mit deiner These auseinander, der
> Bankensektor zahle mit "selbstgemachtem Geld".
>> Dazu habe ich gesagt, dass beides sehr unterschiedliche Dinge sind und
>> dass Fristentransformation aufgrund der Konstruktion unseres
>> Währungssystems gar nicht gibt, weil Banken keine Finanzintermediäre sind,
>> sondern Kredite durch Geldschöpfung vergeben.
> Das ist die volkswirtschaftliche bzw. geldtheoretische Sicht. Der konkrete
> Banker aber hat es mit Forderungen und Verbindlichkeiten unterschiedlicher
> Frist zu tun und muss entsprechend eine saubere Liquiditätsplanung
> hinlegen, damit sein Institut nicht in Schwierigkeiten kommt. Aus seiner
> Sicht sieht das ganze also verdammt nach Fristentransformation aus. Oder
> würdest du einem Banker raten, auf Liquiditätsplanung zu verzichten, weil
> er ja jederzeit seine Rechnungen mit aus ein paar Buchungen selbst
> hergestelltem Geld bezahlen könnte.

Hallo Comenius,
die Liquiditätsplanung ist ohne Zweifel eine der wichtigsten Aufgaben einer
Bank. Ohne sie könnte die Bank in Zahlungsschwierigkeiten kommen und das
wiederum könnte zur Zahlungsunfähigkeit und dem Aus für die Bank führen.

Aber selbst ohne Fristentransformation müsste eine Bank eine
Liquiditätsplanung durchführen, weil es in der Natur von Finanzprodukten
liegt, dass Zahlungen in unterschiedlicher Höhe und unterschiedlichen
Zeitpunkten vereinbart werden. Das gilt sowohl für die Aktiv- als auch für
das Passiv-Geschäft einer Bank.


>> Weiter habe ich gesagt, dass unter Fristentransformation nicht die allen
>> Finanzprodukten anhaftenden Eigenschaft zu verstehen ist, dass in einem
>> Finanzprodukt Zahlungen in unterschiedlicher Höhe und zu unterschiedlichen
>> Zeitpunkten vereinbart werden. Ohne diesen zeitlichen Versatz gäbe es
>> keine Finanzprodukte und dieser zeitliche Versatz ist auch eine Art
>> Fristentransformation.
>>
>>> Also müssen wir neu beginnen. Rudi schrieb am 05.06.17:
>>> " Betrachtet man jedoch den gesamten Giralgeldbestand einer Bank stellt
>>> man fest, dass dessen Summe sich nur noch unwesentlich verändert, in der
>>> Tendenz immer steigend. Obwohl also der Bankkunde sein Giralgeld täglich
>>> für Zahlungen verwenden kann und dies auch tut, besitzt jede einzelne
>>> Bank einen "Bodensatz" an Giralgeld, der stets vorhanden ist. Dieser
>>> wirkt sich wie ein dauerhafter Kredit der Bankkunden gegenüber der Bank
>>> aus. In Höhe dieses Bodensatzes kann also die Bank langfristige Kredite
>>> vergeben ohne sich der Gefahr auszusetzen, dass es zu Zahlungsengpässen
>>> kommt.
>>> Ohne die Erkenntnis über diesen Bodensatz müsste die Bank _soviele
>>> "täglich fällige Aktiva" besitzen wie sie an Giralgeldern auf den Konten
>>> ihrer Kunden verbucht hat. Dann hätte sie fristenkongruent finanziert,
>>> dass heißt, den täglich fälligen Forderungen der Kunden an die Bank auf
>>> der Passivseite würden auch täglich fällige Forderungen auf der
>>> Aktivseite gegenüberstehen._
>>> Aufgrund destatsächlich vorhandenen Bodensatzes ist dies jedoch nicht
>>> erforderlich. _Die Bank hat tägliche fällige Kredite ihrer Kunden
>>> erhalten, deren Giralgelder, und finanziert damit langfristige Kredite an
>>> Kreditkunden_. Sie betreibt Fristentransformation auf der höchsten Stufe,
>>> d. h. aus Krediten ohne Frist generiert sie langfristige Kredite."
>>> [Hervorhebungen von mir]
>>>
>>> Er argumentiert weiter, dass eben dieser Vorgang volkswirtschaftlich
>>> betrachtet als Geldschöpfung der Banken, also Vergrößerung der Geldmenge,
>>> erscheint.
>>>
>>> Du, Arne, antwortetest auf Rudis Posting ebenfalls am 05.06. (ohne
>>> direkten Bezug auf die hier zitierte Passage):
>>> "Bei der Argumentation des Bankers und der Banken im Allgemeinen darf man
>>> nicht die Interessenlage vergessen. Banken haben kein Interesse, dass die
>>> Allgemeinheit versteht, dass der Finanzsektor mit selbstgemachtem Geld
>>> seine Rechnungen bezahlt und Kredite vergibt."
>>>
>>> Dazu ein paar Fragen:
>>> 1. Ich gehe davon aus, dass du den Begriff 'Finanzsektor" in dieser
>>> Aussage bewusst gewählt hast,
>> Ja, weil es bezogen auf eine einzelne Bank Feinheiten gibt, die ich an
>> dieser Stelle nicht diskutieren wollte.
> Also halten wir fest: Für die einzelne Bank gilt nicht, dass sie Ihre
> Rechnungen (eine Grenze nennst du ja nicht) mit "selbstgemachtem Geld"
> bezahlen kann.

Comenius, wir sollten fest halten, dass Logik nicht dein Ding ist. Deine
Schlussfolgerung ist ein Trugschluss.
Wie bereits mehrfach beton, eine Bank kann mit selbstgemachtem Geld ihre
Rechnungen bezahlen, aber dazu muss sie ein Geldterritorium haben und
verteidigen.

>
> Wer genau jetzt den "Geldschöpfungsgewinn" einsteckt (ob der Bankensektor
> wirklich mit selbstgemachtem Geld bezahlt oder ob er sich nicht doch sehr
> breit verteilt) ist eine sehr komplizierte Frage, über die wir uns schon
> früher nicht einigen konnten.

Damit kann ich leben. Ich will dich nicht bekehren.


>>> dass du also _nicht_ behaupten wolltest, eine einzelne Bank könnte ihre
>>> Rechnungen unbegrenzt mit 'selbstgemachtem Geld' bezahlen,
>> Eine solche Aussage würde ich allein schon deshalb nicht machen, weil wir
>> - hinsichtlich der Ressourcen - in einer begrenzten Welt leben.
>> Für die Geldschöpfung sind z.B. die begrenzten Sicherheiten, die
>> Kreditnehmer zur Verfügung stellen könnten, ein sehr gravierender Faktor
>> für die Geldschöpfung einer Bank.
> Also halten wir fest: Du wolltest nicht behaupten, dass eine Bank Ihre
> Rechnungen (eine Grenze nennst du ja nicht) mit "selbstgemachtem Geld"
> bezahlen kann.

Also halten wir fest: Logik ist nicht dein Ding.

Ich will nicht nur behaupten, sondern kann auch beweisen, dass Banken ihre
Rechnungen mit selbstgemachtem Geld bezahlen. Auch wenn es Situationen gibt,
in denen das nicht der Fall ist, bleibt die Aussage im Tenor erhalten.

Details siehe: https://youtu.be/usvh3XMumkk


>>> sondern nur der Finanzsektor insgesamt. Sehe ich das richtig?
>> Nein. Eine einzelne Bank kann bis zum Rahmen ihrer limitierenden Faktoren
>> Geld schöpfen und sie vergrößert dadurch ihr Geldterritorium. Wenn die
>> Bank aber dieses Geldterritorium nicht verteidigen kann, dann ist sie zwar
>> ursprünglicher Geldschöpfer, aber der restliche Bankensektor vereinnahmt
>> den Geldschöpfungsgewinn. - Zur Zeit, bei der negativen
>> Einlagenzinspolitik der EZB, ist das nicht so. Hier kann die Bank ihre
>> Passiv-Seite der Bilanz mit 0% Zins-Kredite von der ZB auffüllen und
>> induziert Verluste bei der empfangenden Bank.
> Also halten wir fest: Es gibt limitierende (=begrenzende Faktoren) für die
> Zahlung der Banken mit selbstgemachtem Geld. Diese scheinen auch irgendwie
> mit dem "Geldterritorium" der Bank zu tun zu haben. Ich wette bei genauerer
> Betrachtung handelt es sich bei dem zu verteitigenden "Geldterritorium" um
> den sog. "Bodensatz" der Girokonten.

Zum Teil ja. Die notwendige und hinreichende Bedingung für die Verteidigung
des Geldterritoriums ist, dass im Durchschnitt der Zahlungssaldo mit anderen
Banken ausgeglichen ist.


>>> 2. Ist es richtig, dass eine einzelne Bank ihre Rechnungen _nicht_
>>> unbegrenzt mit 'selbstgemachtem Geld' bezahlen kann, sondern nur so weit,
>>> wie sie nach allgemein akzeptierten Relgeln für Banken ihre Liquidität
>>> sicherstellen kann?
>> Der Sachverhalt ist m.E. erheblich komplizierter und beschränkt sich nicht
>> nur auf die von dir angesprochenen Regeln.
>> Beispiel: Eine Bank kann z.B. für 100 Mill. € einen Büroturm mit selbst
>> gemachtem Geld kaufen, aber wenn sie diese Immobilie nicht nutzt und der
>> Ertrag geringer ist als der Aufwand, dann muss sie die Differenz mit
>> fremdem Geld bezahlen.
> Das ist ja nun nichts erstaunliches. Letztlich kauft die Bank mit eigenen
> Krediten, also zu Bestkonditionen (z.B. Zentralbankkonditionen, derzeit 0%)
> und muss den Kredit nur im Rahmen des Wertverlustes des Gebäudes tilgen.
> Das ist nicht das, was der gemeine Leser sich unter der "Bezahlung von
> Rechnungen mit selbstgemachtem Geld" vorstellt.

Ja der gemeine Leser denkt bei selbstgemachtem Geld eher an das Fälschen von
Banknoten und Münzen, weil er sich nicht vorstellen kann, wie man Giralgeld
fälscht.

Fühlst du dich persönlich betroffen, dass du dich derart sträubst
offensichtliches anzuerkennen?

Stelle dir vor alle Girokonten würden nur bei der Zentralbank geführt werden.
Dann nämlich könnten Banken keine in dem hier diskutierten Sinne Geld
schöpfen. Eine Kreditvergabe oder der Kauf eines Grundstücks wäre dann - wie
bei einer Nichtbank - ein Aktiva-Tausch und keine Bilanzverlängerung.


>>> 3. Ist es richtig, dass es für die einzelne Bank eine Grenze gibt, an der
>>> sie unter Beachtung von Bankregeln Rechnungen nicht mehr mit
>>> selbstgemachtem Geld bezahlen kann und Kredite nicht mehr vergeben kann,
>>> ohne ihrerseits Kredite z.B. bei der Zentralbank oder bei anderen Banken
>>> aufzunehmen?
>> Ja, z.B. wenn eine Bank eine Rechnung bar zahlen muss.
> Halten wir fest: Es gibt solche Fälle und nicht _nur_ wenn Barzahlung
> verlangt ist.

Ja.

>>> Ist es richtig, dass diese Grenze stark mit dem "Bodensatz" des
>>> Giralgeldes dieser Bank korreliert?
>> Nein, es kommt nur darauf an, ob sie ihr Geldterritorium verteidigen kann
>> oder nicht.
>> Der „Bodensatz“ ist nur ein Teil davon.
> Aber doch wohl der zentrale Teil, nicht wahr?

Nein. Die Verteidigung des Geldterritoriums erfolgt zu einem noch größeren
Maß dadurch, dass eine Bank ihren Kunden verzinsliche Einlagen anbietet und
damit verhindert, dass dieses Geld zu einer anderen Bank überwiesen wird.

>>> 4. Wenn alle Banker nichts von "Geldschöpfung" wüssten und nur
>>> ausschließlich nach anerkannten Bankregeln ordentliche Liquiditätsplanung
>>> zur Fristentransformation betreiben würden (einschließlich der
>>> Transformation des Giralgeld-Bodensatzes), wäre dann im Ergebnis,
>>> volkswirtschaftlich betrachtet, "Geldschöpfung" festzustellen?
>> Ja, ich erkläre dies in meinem Vortrag hier: https://youtu.be/6H02yR250vM
>>
>> Geldschöpfung im weiten Sinne hat nichts mit Bankbilanzen und alle
>> Geldschöpfung findet zunächst auf der realen Ebene in Form von neuen
>> Ansprüchen auf Geld statt.
>>
>> Der Punkt ist jedoch, dass nur Banken in unserem System einen
>> Geldschöpfungsgewinn realisieren können.
> Das ist, wie gesagt, durchaus umstritten.
>>> 5. Ist es richtig, dass das, was aus der Sicht der einzelnen Bank als
>>> Fristentransformation erscheint, sich aus der Perspektive der
>>> volkswirtschaftlichen Betrachtung des Finanzsektors als Geldschöpfung
>>> darstellt?
>> Nein. Siehe Vortrag.
> Wie du 4. bejahen aber 5. verneinen kannst, hat sich mir auch nach deinem
> Vortrag nicht erschlossen.

Vielleicht liegt es daran, dass für dich Geldschöpfung und
Fristentransformation ein und das selbe sind. Ich kann nur immer wieder
betonen, dass das eine mit dem anderen nichts zu tun hat. In einem
Vollgeldsystem, in dem Banken keine Geld schöpfen können, wäre
Fristentransformation erforderlich.

Gruß
Arne

>
> Ahoi,
> Comenius
>
>
>
> --
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