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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] Vortrag "Was ist Geld?" am 1.2.2016

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

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Re: [AG-GOuFP] Vortrag "Was ist Geld?" am 1.2.2016


Chronologisch Thread 
  • From: moneymind <moneymind AT gmx.de>
  • To: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] Vortrag "Was ist Geld?" am 1.2.2016
  • Date: Tue, 19 Jan 2016 23:46:23 +0000
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>

Hallo Gerhard,

Dieses Zwischenergebnis ist aber durchaus wertvoll. Damit lässt sich nun
präziser formulieren, welche Anforderungen an ein absolutes Maß von Wert
zu stellen sind.

1. Dieses Maß muß invariant bezüglich der Zeit sein.

Zahlen sind nicht zeitabhängig.

Forderungen sind nominal fixiert. Sie lauten zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bis zum Zeitpunkt der Fälligkeit auf denselben Nominalbetrag.

2. Ferner muß es unabhängig von individuellen Erwartungen sein, die bei
Betrachtung von Inflation auch eine Rolle spielen.

Forderungen sind nominal fixiert, ihr Nominalwert ist daher unabhängig von Wertänderungen der nominal variablen Eigentumstitel (in der Bilanz des Schuldners und allen anderen Bilanzen). Aufwertungen der nominal variablen Eigentumsrechte werden metaphorisch als "Inflation" (aufpusten) beschrieben, Abwertungen metaphorisch als "Deflation" (Luft rauslassen). Sehr schön, wie diese Metapher Vermögenswert mit Luft gleichsetzt.

Bei der Beschreibung von Vermögen werden übrigens auch sonst gern Metaphern verwendet, die die immaterielle und abstrakte Größe "Vermögen" sinnlich "greifbar" machen sollen. Liquidität z.B. ("Flüssigkeit"). Vermögen ist "liquide", wenn es schnell von einem zu einem anderen Rechteinhaber rüberflutschen, äh, "fließen" kann. Cash ist die "liquideste" ("flüssigste") Form von Vermögen, produktives Anlagevermögen (Grundstücke, Immobilien einer Firma) das "illiquideste" (eher im "festen Aggregatzustand", also quasi "frozen assets" - alles Metaphern).

Vermögen ist also "irgendwie so ähnlich wie" Luft (Inflation/Deflation, Vermögenspreisblase, "bubble", die Börse als Riesenkaugummi ;-) oder Wasser ("Liquidität", "Vermögensfluß", "Flußgröße" usw.). Es gibt auch Vermögen, das Beine hat, und solches, das bloß "rumliegt": Umlaufvermögen (läuft munter in der Gegend rum), und Anlagevermögen (liegt unbeweglich in der Gegend, weil festgefroren - frozen assets, überhaupt nicht flüssig).

Nur: hat sich jemand schon mal mit Liquidität die Hände nassgemacht? Oder Vermögen eingeatmet (Inflation / Aufblasen der Lunge)?

Sicher hat schon so mancher Vermögen rumlaufen sehen, und ist solchem sogar hinterhergelaufen ;-)

Solchen Metaphern sitzen auch diejenigen Geldkritiker auf, die es für einen Skandal halten, daß Banken "Geld aus Luft" (oder "aus dem nichts") schöpfen können und das für "Alchimie" halten. Wer sich darüber aufregt, offenbart nur, daß er Vermögen für etwas stofflich-materielles hält.

Oder diejenigen, die die "Geldschöpfung aus dem Nichts" für einen Skandal halten, mithilfedessen Banken "aus dem Nichts" reich werden können. Der Bankangestellte geht in dieser (metaphorischen!) Vorstellung ins Hinterzimmer. Dort steht eine riesige Schöpfkelle in der Ecke. Die schnappt er sich, geht rüber zu einem riesigen goldenen Topf, und guckt rein. Was ist drin?!? NICHTS natürlich. Dann steckt er die Kelle rein, rührt paarmal rum, und zieht sie wieder raus. Was ist drin?!? GELD!! (glänzt es irgendwie golden?). Er zieht die Kelle raus - und gießt die "Liquidität" ins Girokonto des Kredit nachfragenden Kunden rein. Der jetzt "über Flüssigkeit (Liquidität!) verfügt".

Aber klar doch. Daß bei einer Kreditvergabe zwei rechtlich bindende Beziehungen, genannt Forderungen, entstehen, mit denen Pflichten und RISIKEN (die Zukunft ist nun mal unsicher und nicht genau vorhersagbar) verbunden sind (für die "Vergütungen" in Form von "Liquiditätsrückflüssen" _erwartet_ werden), wird bei solchen niedlichen Schöpfungsgeschichten leider oft übersehen ...

Aber woraus "besteht" Vermögen denn nun eigentlich wirklich, wenn nicht aus Luft oder irgendwelchen Flüssigkeiten?

These:

Qualitativ aus RECHTEN, und Rechte bestehen immer gegenüber irgendwelchen anderen Wirtschaftssubjekten. Bei vertraglichen Forderungen gegenüber einem bestimmten anderen Wirtschaftssubjekt, bei Eigentumstiteln gegenüber allen anderen (Ausschlußrecht: alle anderen dürfen nicht über den Titel vertraglich verfügen, und auch nicht - so er sich auf Güter bezieht - über die Nutzungsrechte an den Gütern).

In diesem Punkt bin ich mit Arne einer Meinung.

Quantitativ aus _Erwartungen_ über zukünftige Vermögenserträge (siehe auch Commons' "Futurity").

Das sieht Arne wohl anders - er möchte meinem Eindruck nach die Subjekte und ihre Erwartungen, Ziele, Pläne und so weiter lieber nicht näher betrachten, möglicherweise, weil das "zu subjektiv" und "zu wenig objektiv" wäre. Nur: wie sollen sich subjektive Erwartungen "objektivieren" lassen? Ist die Zukunft "objektiv"? Was soll überhaupt "objektiv" heißen? kann man menschliche Erfahrung / Erwartungen / Vorstellungen "objektiv" beschreiben? Sind das "Objekte"?

Wohl kaum. Was Keynes wenigstens ansatzweise begriffen hatte.

Zwei weitere Folgerungen können daraus abgeleitet werden:
1. Es ist in Betracht zu ziehen, Dass Inflation und Deflation keine
Gottgegebene Phänomene sind,


Das sowieso, lol

sondern ein systematischer Fehler, der von
der unagemessenen Verwendung mathematischer Methoden herrührt.

Äh ... WIE BITTE?!? Inflation und Deflation sind Metaphern, die verdeutlichen sollen, daß der Großteil der Wirtschaftssubjekte seine nominal variablen Eigentumstitel quantitativ höher ("Inflation") oder niedriger ("Deflation") bewertet als zuvor - bei nominal FIXEN Forderungen/Verbindlichkeiten.

Werden die nominal variablen Eigentumstitel so weit abgewertet, daß das "Realvermögen" (nominal variable Eigentumstitel!) eines Großteils der Wirtschaftssubjekte niedriger liegt als ihre Nettoschulden, sind die insolvent. Ihre Gläubiger müssen dann ebenfalls einen Teil ihrer Forderungen abschreiben, was ihr Vermögen mindert. So kommt es zu einer "Deflationsspirale" (auch 'ne nette Metapher).
2. Schön langsam wird es auffällig, wenn die Mainstreamökonomie zu
widerspruchlichen bis absurden Ergebnissen kommt,

Das sowieso.

sobald die
Exponentialfunktion involviert ist.

Nein - sobald VERMÖGENSWERT involviert ist. Und das betrifft auch fast die gesamte Heterodoxie.

Gruß
Wolfgang




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