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Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik
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- From: moneymind <moneymind AT gmx.de>
- To: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
- Subject: Re: [AG-GOuFP] Clearing
- Date: Tue, 11 Aug 2015 23:46:09 +0000
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
- List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>
Hallo Rudolf,
Mumken schrieb:
Hallo Wolfgang
die alte Verwechslung taucht wieder auf. Rolf Müller ist nicht gleich Rudolf Müller. Aber das nur so am Rande.
moneymind schrieb:
Hi Rolf,Gerne nochmals der Hinweis auf die Grundlage meiner Aussage, die Du vielleicht übersehen hast.
Die Geldsystem-Pyramide ist heute zweifellos vorhanden, auch wenn sie für den Zahlungsverkehr mE nicht zwingend erforderlich wäre. Die geldpolitischen Funktionen einer Zentralbank heute sind ein ganz anderer Fall.
Wie würde der Zahlungsverkehr deiner Ansicht nach *ohne* die mehrstufige Kreditpyramide abgewickelt, und warum ist die Kreditpyramide deiner Ansicht nach nicht erforderlich? Nicht erforderlich wofür?
"Wicksellsche Idealbank" http://wiki.piratenpartei.de/AG_Geldordnung_und_Finanzpolitik/Wicksellsche_Idealbank
"Clearingssystems in London" http://wiki.piratenpartei.de/AG_Geldordnung_und_Finanzpolitik/Mehrbankensystem
Den Zahlungsverkehr in einer Volkswirtschaft kann ich auch ohne Zentralbank abwickeln, wie dies auch vor Eintritt der Bank of England in das damals bereits bestehende Clearingsystem geschah.
Innerhalb der beteiligten Banken wurden mit "echtem Geld" Salden ausgeglichen. Auch die Möglichkeit des gegenseitigen Anschreibens bestand. Dies setzte jedoch ein entsprechendes Vertrauen unter den beteiligten Banken voraus.
Ja, sehe ich genauso.
Eine Kreditpyramide ist deshalb für den Zahlungsverkehr mE nicht erforderlich.
Zwar hat das System, das Du beschrieben hast, auch eine pyramidenförmige Struktur, die zwei kreditäre Hierarchieebenen enthält: Geldforderungen gegen Nichtbanken als unterste Ebene, eine Ebene darüber Geldforderungen gegen Banken ("Giralgeld der GBen") und eine "Spitze"/oberste Hierarchieebene, hier "Golddukaten").
Aber die einfachste denkbare Form eines Kredit-/Geldsystems hat nur zwei Hierarchieebenen: Geldforderungen gegen Nichtbanken und darüber das als letztendliche Zahlungsmittel definierte Gut, also z.B. Gerste (antikes Mesopotamien) oder Gold. Schon dieses System führt systematisch zu booms und busts (mit runs aufs letztendliche Zahlungsmitel), bietet aber mit dem Zahlungsmittelgut keine Möglichkeit flexibler geldpolitischer Regulation. Das Zahlungsmittelgut gibt einfach eine relativ starre quantitative Beschränkung vor (die durch Produktion von Gerste oder Entdeckung von Gold ausgedehnt, durch Mißernten oder Abfluß von Gold nach außen verkleinert werden kann).
Das gegenseitige Anschreiben könnte nun auf "echtes Geld" = "Golddukaten" lauten
oder aber auch auf eine frei erfundene Währungseinheit
Sagen wir doch einfach: auf das, was die jeweilige Hierarchieebene als ihr Zahlungsmittel definiert hat. Wenn das Gold ist, ok. Was benutzen französische Geschäftsbanken als Zahlungsmittel untereinander? Verbindlichkeiten der frz. Nationalbank. Und was benutzen die Nationalbanken der Eurozone? Verbindlichkeiten der EZB. Und was benutzt die EZB für Zahlungen z.B. gegenüber der russischen Nationalbank?
wie z.B. den Bancor von Keynes. Dieser Bancor wäre im Sinne der Eigentumstheorie "Willkürgeld", da durch nichts gedeckt
Wenn Du hier von einer "Deckung" sprichst, hast Du wahrscheinlich das Prinzip der globalen Clearing Union bzw. den Zusammenhang zwischen einzelnen Wirtschaftssubjekten und deren Bilanzen und der konsolidierten Gesamtbilanz einer geschlossenen Wirtschaft noch nicht verstanden. In letzterer entsprechen sich per Definitionem Forderungen und Verbindlichkeiten immer genau, sodaß für die globale Clearing Union keine Salden zwischen Forderungen und Verbindlichkeiten auftreten könnten. Ihr Netto-Finanzvermögen wäre immer gleich Null. Sie könnte also weder insolvent werden noch Gewinne machen.
Schon in einer Geschäftsbankenbilanz ist der größte Teil des Giralgeldes nicht durch Eigentum gedeckt (d.h. den Verbindlichkeiten steht auf der Aktivseite zum größten Teil Finanzvermögen gegenüber und nur zu einem kleinen Teil "Realvermögen" = Eigentumsrechte).
und er würde nur unter den beteiligten Banken zirkulieren.
Zirkulieren würde gar nichts, es würde nur gebucht und verrechnet.
Als Wertmaßstab für den Bancor war wohl ursprünglich ein Warenkorb vorgesehen.
Wie sollte das funktionieren?
Geldpolitik bezeichnest Du als eine "völlig andere Baustelle".
Ich sehe das ganz anders. Warum kommt es denn überhaupt zur Entstehung von Kreditpyramiden? Weil Menschen, die Kreditbeziehungen nutzen, schon im einfachsten Fall der Existenz von Kreditbeziehungen bei einem letztendlichen materiellen (forderungslosen) Zahlungsmittel (Gold z.B.) immer wieder dasselbe Phänomen produzieren:
Kreditvergabe und die Möglichkeit zur Zahlung per Verrechnung (Kreditgeld) führt immer wieder mit Notwendigkeit zu credit bubbles mit anschließendem run auf das letztendliche Zahlungsmittel, das dann natürlich zu knapp ist, um alle Zahlungen leisten zu können.
Diese Sichtweise stellt mE den Sachverhalt nur sehr verkürzt dar. Ist nicht der Aktienboom an den Börsen sowie die zunehmende Anzahl an unüberschaubaren Wetten im Finanzsektor der wahre Grund für eine Krise?
Nein. Kreditkrisen (booms und busts) gab es unabhängig von Aktienmärkten und lang vorher, was auch rein logisch klar sein müßte.
Das Vorhandensein eines letzten Retters verleitet dann die Banken dazu, sich auch intensiv an diesem Spiel zu beteiligen. Einige Banken sehen ihren Daseinszweck nur in der Teilnahme an diesem Spiel.
Banken machen Geschäfte mit Risiken, d.h. sie spekulieren - auch dann, wenn sie Kredite an die Realwirtschaft vergeben (dann spekulieren sie auf die spätere Zahlungsfähigkeit ihrer Kreditnehmer). Credit bubbles gibt es auch in der Realwirtschaft, wieso würde sonst Inflation anhand eines Warenkorbs gemessen?
Kredit wird vergeben im Hinblick auf haftende Sicherheiten, deren Wert von den Einkommensaussichten des Schuldners abhängt. Wenn Kreditschöpfung zu Geldschöpfung führt, entstehen in einem selbstverstärkenden Prozess immer höhere Geldeinkommenserwartungen, die zur Aufwertung der haftenden Sicherheiten führen ("asset price inflation"). Sobald die Erwartungen einbrechen, kommt es zum Bust mit Run aufs letztendliche Zahlungsmittel.
Maßgebend für einen Kredit sind die haftenden Sicherheiten und nicht das entstehende Schuldverhältnis? Wird der Wert der Sicherheiten erheblich überschätzt, kommt es zum Zusammenbruch des Systems, da nicht genügend "gesetzliche Zahlungsmittel" zur Verfügung stehen.
Überschätzt im Vergleich wozu? Daß es eine "Überschätzung" war, wird erst aus der Perspektive nach dem Bust deutlich und kann vorher natürlich nicht erkannt werden.
Der Anker der Pyramide ist also immer ein übergeordnetes Geldsystem, welches aus forderungslosen Zahlungsmitteln besteht?
Anker? Wieso nur forderungslose Zahlungsmittel? Es KÖNNEN forderungslose Zahlungsmittel sein (wie Gold). Oder auch nicht - siehe die heutigen Zentralbanken. Für DIESE steht allerdings an der Spitze kein ÜBERGEORDNETES Clearing, sondern Zahlungen in einem Zahlungsmittel DERSELBEN Hierarchieebene (Dollar). Das Triffin-Dilemma.
Ich beschreibe das jetzt nicht im Detail, das tut Perry Mehrling wunderbar in seiner "New Lombard Street" auf den ersten 10 Seiten, in seinem Artikel über die Hierarchy of Money zeigt er die Auswirkungen auf die Kreditpyramide (sie wird im Boom immer "flacher", im bust immer "steiler").Gibt es die Essenz dieses Modells auch in deutscher Sprache? Das sind essentielle Probleme JEDES privaten Kreditsystems (die Privaten müssen im Eigeninteresse prozyklisch handeln - positives Feedback also, wie wenn man ein Mikrofon vor den Lautsprecher des Verstärkers hält, an den es angeschlossen ist - es pfeift und irgendwann bläst es dem System das Hirn raus).
Ein Clearinghaus kann dann auch die Funktion eines Lender of Last Resort übernehmen.
Deswegen ist *jedes* Kreditsystem von vorneherein hierarchisch (kleinste Anzahl von Hierarchieebenen = 2, also Kredit und darüber ein Warenzahlungsmittel wie Gerste - historisch sehr früh - oder Gold etc.). Perry Mehrling hat das klar erkannt.Damit besteht ein System aus Nichtbanken und Banken bereits aus 2 Hierarchieebenen? Kann man so auffassen. Üblicherweise wird jedoch unter einem zweistufigen Geldsystem die Existenz von Banken und Zentralbanken angesehen, s a. Teilnehmer am Geldsystem. Jeder Bust verlangt nach mehr Elastizität, und die kann nur geschaffen werden, indem die oberste Zahlungsmittelebene von materiellen Mengenbeschränkungen entkoppelt wird.
Dieses Phänomen liefert auch die Wurzel aller Geldpolitik - die stellt ein differenziertes Instrumentarium zur Verfügung, mit der die übergeordnete Ebene für die unteren Ebenen Expansion oder Disziplin nahelegen kann. Private Clearinghäuser verfolgen dabei Privatinteressen, aber eine staatliche ZB mit gesamtwirtschaftlichem Auftrag kann auch öffentliche Interessen verfolgen, also antizyklisch handeln (sowohl im boom - restriktiv - als auch im bust - expansiv).
Ein privates Clearinghaus ist nicht das Problem. Ein Clearinghaus rechnet die Forderungen und Verbindlichkeiten der beteiligten Banken zu bestimmten Zeitpunkten auf und übernimmt ggf die Aufgabe des Settlements, indem sie die Ausgleichszahlungen veranlasst.
Ja.
Setzt Du Clearinghaus =Zentralbank
Nein. Die ZB ist EIN Clearinghaus. Geschäftsbanken fungieren als Clearinghouses für Nichtbanken. Zentralbanken fungieren als Clearinghouses für Geschäftsbanken (haben dabei aber im Gegensatz zu den privaten Clearinghouses, die mit Gewinninteresse arbeiten, einen öffentlichen Auftrag, nämlich ein als Geldwertstabilität definiertes Infla-Ziel und in vielen Fällen - z.B. FED - auch ein Beschäftigungsziel).
Ein globales Clearinghouse für Zentralbanken existiert nicht (Keynes hatte eines vorgeschlagen).
kann ich Deine Aussage schon besser verstehen, bin jedoch trotzdem der Meinung, dass unsere bestehendes Zentralbanken, auch wenn sie sich nur im Besitz von Staaten befinden würden, mit der Aufgabe der Regulierung von Busts und Booms überfordert wären.
Ja, denn intervenieren kann man effektiv nur da, wo man das Preisniveau tatsächlich mißt.
Das Problem stellen die unregulierten Finanzmärkte dar, die vollkommen intransparent einen großen Teil ihrer Geschäfte (Wetten) abwickeln können. Die bei diesen Geschäften entstehenden Forderungen/Verbindlichkeiten besitzen erhebliche Rückwirkungen auf die reale Wirtschaft. Mir erscheint daher der Ansatz, den für die reale Wirtschaft erforderlichen Zahlungsverkehr einschl. der hierzu erforderlichen Kredite von dem Spiel der großen Zocker zu trennen, sinnvoll.
Ja, sehe ich genauso.
Über eine Regulierung der Finanzmärkte, wie z.B. eine merkliche Transaktionssteuer, könnte eine Verlangsammung und Beruhigung der überempfindlichen und starken Schwankungen unterliegenden Finanzwelt erreicht werden.
Ja, sehe ich genauso.
Beste Grüße
Wolfgang
- Re: [AG-GOuFP] Clearing, (fortgesetzt)
- Re: [AG-GOuFP] Clearing, Gerhard, 16.08.2015
- Re: [AG-GOuFP] Clearing, Rudi, 16.08.2015
- Re: [AG-GOuFP] Clearing, Exile (O.Herzig), 16.08.2015
- Re: [AG-GOuFP] Clearing, moneymind, 17.08.2015
- Re: [AG-GOuFP] Clearing, Axel Grimm, 17.08.2015
- Re: [AG-GOuFP] Clearing, moneymind, 06.08.2015
- Re: [AG-GOuFP] Clearing, Axel Grimm, 06.08.2015
- Re: [AG-GOuFP] Clearing, moneymind, 07.08.2015
- Re: [AG-GOuFP] Clearing, Rudi, 07.08.2015
- Re: [AG-GOuFP] Clearing, Rudolf Müller, 10.08.2015
- Re: [AG-GOuFP] Clearing, moneymind, 12.08.2015
- Re: [AG-GOuFP] Clearing, k-nut, 12.08.2015
- Re: [AG-GOuFP] Clearing, Rudolf Müller, 12.08.2015
- Re: [AG-GOuFP] Clearing, Rudolf Müller, 12.08.2015
- Re: [AG-GOuFP] Clearing, moneymind, 16.08.2015
- Re: [AG-GOuFP] Clearing, Gerhard, 16.08.2015
- Re: [AG-GOuFP] Clearing, Arne Pfeilsticker, 03.08.2015
- Re: [AG-GOuFP] Clearing, Arne Pfeilsticker, 03.08.2015
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