ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik
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- From: Rudolf Müller <muellerrudolf AT on22.de>
- To: moneymind <moneymind AT gmx.de>, ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
- Subject: Re: [AG-GOuFP] Clearing
- Date: Mon, 10 Aug 2015 07:33:25 +0200
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
- List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>
Hallo Wolfgang
Hi Rolf,
die alte Verwechslung taucht wieder auf. Rolf Müller ist nicht gleich Rudolf Müller. Aber das nur so am Rande. Am 06.08.2015 um 16:50 schrieb moneymind: Die Geldsystem-Pyramide ist heute zweifellos vorhanden, auch wenn sie für den Zahlungsverkehr mE nicht zwingend erforderlich wäre. Die geldpolitischen Funktionen einer Zentralbank heute sind ein ganz anderer Fall. Wie würde der Zahlungsverkehr deiner Ansicht nach *ohne* die mehrstufige Kreditpyramide abgewickelt, und warum ist die Kreditpyramide deiner Ansicht nach nicht erforderlich? Nicht erforderlich wofür? Gerne nochmals der Hinweis auf die Grundlage meiner Aussage, die Du vielleicht übersehen hast. "Wicksellsche Idealbank" "Clearingssystems in London" Den Zahlungsverkehr in einer Volkswirtschaft kann ich auch ohne Zentralbank abwickeln, wie dies auch vor Eintritt der Bank of England in das damals bereits bestehende Clearingsystem geschah. Innerhalb der beteiligten Banken wurden mit "echtem Geld" Salden ausgeglichen. Auch die Möglichkeit des gegenseitigen Anschreibens bestand. Dies setzte jedoch ein entsprechendes Vertrauen unter den beteiligten Banken voraus. Eine Kreditpyramide ist deshalb für den Zahlungsverkehr mE nicht erforderlich. Das gegenseitige Anschreiben könnte nun auf "echtes Geld" = "Golddukaten" lauten oder aber auch auf eine frei erfundene Währungseinheit wie z.B. den Bancor von Keynes. Dieser Bancor wäre im Sinne der Eigentumstheorie "Willkürgeld", da durch nichts gedeckt und er würde nur unter den beteiligten Banken zirkulieren. Als Wertmaßstab für den Bancor war wohl ursprünglich ein Warenkorb vorgesehen. Geldpolitik bezeichnest Du als eine "völlig andere Baustelle". Ich sehe das ganz anders. Warum kommt es denn überhaupt zur Entstehung von Kreditpyramiden? Weil Menschen, die Kreditbeziehungen nutzen, schon im einfachsten Fall der Existenz von Kreditbeziehungen bei einem letztendlichen materiellen (forderungslosen) Zahlungsmittel (Gold z.B.) immer wieder dasselbe Phänomen produzieren: Kreditvergabe und die Möglichkeit zur Zahlung per Verrechnung (Kreditgeld) führt immer wieder mit Notwendigkeit zu credit bubbles mit anschließendem run auf das letztendliche Zahlungsmittel, das dann natürlich zu knapp ist, um alle Zahlungen leisten zu können. Diese Sichtweise stellt mE den Sachverhalt nur sehr verkürzt dar. Ist nicht der Aktienboom an den Börsen sowie die zunehmende Anzahl an unüberschaubaren Wetten im Finanzsektor der wahre Grund für eine Krise? Das Vorhandensein eines letzten Retters verleitet dann die Banken dazu, sich auch intensiv an diesem Spiel zu beteiligen. Einige Banken sehen ihren Daseinszweck nur in der Teilnahme an diesem Spiel. Kredit wird vergeben im Hinblick auf haftende Sicherheiten, deren Wert von den Einkommensaussichten des Schuldners abhängt. Wenn Kreditschöpfung zu Geldschöpfung führt, entstehen in einem selbstverstärkenden Prozess immer höhere Geldeinkommenserwartungen, die zur Aufwertung der haftenden Sicherheiten führen ("asset price inflation"). Sobald die Erwartungen einbrechen, kommt es zum Bust mit Run aufs letztendliche Zahlungsmittel. Maßgebend für einen Kredit sind die haftenden Sicherheiten und nicht das entstehende Schuldverhältnis? Wird der Wert der Sicherheiten erheblich überschätzt, kommt es zum Zusammenbruch des Systems, da nicht genügend "gesetzliche Zahlungsmittel" zur Verfügung stehen. Der Anker der Pyramide ist also immer ein übergeordnetes Geldsystem, welches aus forderungslosen Zahlungsmitteln besteht? Ich beschreibe das jetzt nicht im Detail, das tut Perry Mehrling wunderbar in seiner "New Lombard Street" auf den ersten 10 Seiten, in seinem Artikel über die Hierarchy of Money zeigt er die Auswirkungen auf die Kreditpyramide (sie wird im Boom immer "flacher", im bust immer "steiler"). Gibt es die Essenz dieses Modells auch in deutscher Sprache? Das sind essentielle Probleme JEDES privaten Kreditsystems (die Privaten müssen im Eigeninteresse prozyklisch handeln - positives Feedback also, wie wenn man ein Mikrofon vor den Lautsprecher des Verstärkers hält, an den es angeschlossen ist - es pfeift und irgendwann bläst es dem System das Hirn raus). Ein Clearinghaus kann dann auch die Funktion eines Lender of Last Resort übernehmen. Deswegen ist *jedes* Kreditsystem von vorneherein hierarchisch (kleinste Anzahl von Hierarchieebenen = 2, also Kredit und darüber ein Warenzahlungsmittel wie Gerste - historisch sehr früh - oder Gold etc.). Perry Mehrling hat das klar erkannt. Damit besteht ein System aus Nichtbanken und Banken bereits aus 2 Hierarchieebenen? Kann man so auffassen. Üblicherweise wird jedoch unter einem zweistufigen Geldsystem die Existenz von Banken und Zentralbanken angesehen, s a. Teilnehmer am Geldsystem. Jeder Bust verlangt nach mehr Elastizität, und die kann nur geschaffen werden, indem die oberste Zahlungsmittelebene von materiellen Mengenbeschränkungen entkoppelt wird. Dieses Phänomen liefert auch die Wurzel aller Geldpolitik - die stellt ein differenziertes Instrumentarium zur Verfügung, mit der die übergeordnete Ebene für die unteren Ebenen Expansion oder Disziplin nahelegen kann. Private Clearinghäuser verfolgen dabei Privatinteressen, aber eine staatliche ZB mit gesamtwirtschaftlichem Auftrag kann auch öffentliche Interessen verfolgen, also antizyklisch handeln (sowohl im boom - restriktiv - als auch im bust - expansiv). Ein privates Clearinghaus ist nicht das Problem. Ein Clearinghaus rechnet die Forderungen und Verbindlichkeiten der beteiligten Banken zu bestimmten Zeitpunkten auf und übernimmt ggf die Aufgabe des Settlements, indem sie die Ausgleichszahlungen veranlasst. Setzt Du Clearinghaus =Zentralbank kann ich Deine Aussage schon besser verstehen, bin jedoch trotzdem der Meinung, dass unsere bestehendes Zentralbanken, auch wenn sie sich nur im Besitz von Staaten befinden würden, mit der Aufgabe der Regulierung von Busts und Booms überfordert wären. Das Problem stellen die unregulierten Finanzmärkte dar, die vollkommen intransparent einen großen Teil ihrer Geschäfte (Wetten) abwickeln können. Die bei diesen Geschäften entstehenden Forderungen/Verbindlichkeiten besitzen erhebliche Rückwirkungen auf die reale Wirtschaft. Mir erscheint daher der Ansatz, den für die reale Wirtschaft erforderlichen Zahlungsverkehr einschl. der hierzu erforderlichen Kredite von dem Spiel der großen Zocker zu trennen, sinnvoll. Über eine Regulierung der Finanzmärkte, wie z.B. eine merkliche Transaktionssteuer, könnte eine Verlangsammung und Beruhigung der überempfindlichen und starken Schwankungen unterliegenden Finanzwelt erreicht werden. Beste Grüße Mumken (aka Rudolf Müller) Gruß Wolfgang |
- Re: [AG-GOuFP] Clearing, (fortgesetzt)
- Re: [AG-GOuFP] Clearing, moneymind, 12.08.2015
- Re: [AG-GOuFP] Clearing, Gerhard, 16.08.2015
- Re: [AG-GOuFP] Clearing, Rudi, 16.08.2015
- Re: [AG-GOuFP] Clearing, Exile (O.Herzig), 16.08.2015
- Re: [AG-GOuFP] Clearing, moneymind, 17.08.2015
- Re: [AG-GOuFP] Clearing, Axel Grimm, 17.08.2015
- Re: [AG-GOuFP] Clearing, moneymind, 06.08.2015
- Re: [AG-GOuFP] Clearing, Axel Grimm, 06.08.2015
- Re: [AG-GOuFP] Clearing, moneymind, 07.08.2015
- Re: [AG-GOuFP] Clearing, Rudi, 07.08.2015
- Re: [AG-GOuFP] Clearing, Rudolf Müller, 10.08.2015
- Re: [AG-GOuFP] Clearing, moneymind, 12.08.2015
- Re: [AG-GOuFP] Clearing, k-nut, 12.08.2015
- Re: [AG-GOuFP] Clearing, Rudolf Müller, 12.08.2015
- Re: [AG-GOuFP] Clearing, Rudolf Müller, 12.08.2015
- Re: [AG-GOuFP] Clearing, moneymind, 16.08.2015
- Re: [AG-GOuFP] Clearing, Gerhard, 16.08.2015
- Re: [AG-GOuFP] Clearing, Arne Pfeilsticker, 03.08.2015
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